Die größte Baustelle im österreichischen Eishockey? Sicher die Goalie-Position, wo seit Jahren kam etwas Brauchbares nachkommt.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wirft einen Blick auf die letzten zehn Jahre anhand des U20-Nationalteams:
Es kam bei der Junioren-WM wie erwartet – es fehlte an einem Torhüter, der entscheidende Spiele alleine entscheiden kann. Natürlich hatten Thomas Pfarrmaier, Benedikt Oschgan und Michael Sicher nicht die Hauptschuld am Abstieg und schon gar nicht an den Debakeln gegen die Großen, doch nur Oschgan – zwei Jahre jünger – wird wohl in den nächsten Jahren ein Thema für die win2day ICE Hockey League werden.
Dass der Trainerstab mit wirren Rochaden – im Schlüsselspiel gegen Deutschland stand mit Sicher der schwächste der drei im Kasten – die Sache auch nicht besser machte, steht auf einem anderen Blatt.
Einige Tage später, AlpsHL-Spiel zwischen den Steel Wings Linz und Lustenau. Mit Leon Sommer (20) und Lukas Reihs (22) zwei noch jüngere Leute am Werk. Das Ergebnis von 7:6 nach Shootout lässt schon vermuten, dass es kein Abend der Goalies war, die Leistungen der beiden wirkten auf mich auch fast bizarr. Da passte so gut wie nichts...
So geht es schon seit Jahren, selbst die wenigen Hoffnungsträger haben ihre Macken: Es fehlt entweder an Größe, Athletik oder Konstanz. Kein Wunder also, dass in der ICE Leute wie Thomas Höneckl (33) oder René Swette (34) über Jahre sogar als Backups ohne Konkurrenz dastehen, die Caps sich mit dem keineswegs überzeugenden Stefan Steen sogar einen Legionär als Alternative für den mittlerweile 36-jährigen Bernhard Starkbaum leisten.
Starkbaum – heute stärker als noch vor zwei oder drei Jahren -, David Kickert (28) und David Madlener (30) sind als Nationalteam-Troika so gut wie gesetzt, dabei ist auch Madlener im Verein nur Backup. Er kann aber immerhin für sich in Anspruch nehmen, dass er einst aus dem Nichts kam. Im Nachwuchs war er völlig unbekannt, erspielte sich über die VEU Feldkirch immerhin eine langjährige ICE-Karriere.
Von diesen drei Cracks sollte nur David Kickert über die nächsten Jahre ein Fixbestandteil des Nationalteams sein – wer sind dann die Alternativen?
Ein Blick auf die U20-Nationalgoalies des letzten Jahrzehnts:
WM 2013 (Sanok): David Kickert hielt eine überforderte Truppe in der Zweitklassigkeit, NHL-Scouts verfolgten ihn danach sogar nach Wien. Für einen Draft reichte es aber nicht, doch Kickert war der einzige Goalie in einem Jahrzehnt, der Größe und Talent in sich vereinigen konnte.
2014 (Asiago): Thomas Stroj war erstmals mit dabei. Der Villacher spielte in Klagenfurt, Dornbirn und Linz einige EBEL-Partien, heute in Velden. Großer Trainingseifer wurde ihm nie attestiert.
2015 (Wien): Neben Stroj absolvierte Stefan Müller seine bereits dritte U20-WM, ohne sich je als Nummer 1 durchsetzen zu können. Der Eishockey-Schweizer schaffte nie den Übergang zu einem NL-Stammgoalie, spielt mit 26 vornehmlich in der SL. Wurde nie zu einem Thema für das Nationalteam, könnte aber, wenn ihm in der Schweiz die Optionen ausgehen, wieder in Österreich landen.
2016 (Bremerhaven): Der Sohn von Ex-NHL-Goalie Reinhard Divis, Dominic, spielte sein einziges Turnier für Österreich, ist heute nicht mehr aktiv.
2017 (Courchevel): Jakub Holzer war in seinem zweiten Turnier mit dabei, Max Zimmermann zum einzigen Mal. Holzer sollte sich in den Jahren danach beim KAC-Farmteam mit Florian Vorauer abwechseln, ehe beide vom Slowenen Val Usnik überholt wurden. Holzer – mitunter etwas hyper - beendete im letzten Sommer seine Karriere, Zimmermann (oft verletzt) spielt in Zell/See.
2018 (Füssen): Paul Mocher war vor Vorauer der Einser, auch für ihn war das die einzige WM irgendeiner Altersstufe. Er brachte immer gute Größe, aber wenig Athletik mit. Nach einigen EBEL-Spielen für Linz heute in Kitzbühel in der AlpsHL aktiv.
2019 (Minsk): Ali Schmidt war ein wichtiger Faktor beim Aufstieg in die A-Gruppe, steigerte sich von Spiel zu Spiel. Luca Egger war sein Backup. Markus Kerschbaumer lotste Egger nach zwei Saisonen in der AlpsHL bei Linz im Sommer nach Salzburg, wo er sich den Farmteam-Kasten mit Pfarrmaier und dem Deutschen Simon Wolf teilt. In Salzburg scheinen die Goaliejobs über die nächsten Jahre an Atte Tolvanen und Kickert vergeben zu sein – findet Egger irgendwo anders einen ICE-Job?
2020 (Edmonton): Sebastian Wraneschitz stellte sich dem Geschosshagel und bekam dafür Lobeshymnen. Sommer war sein Backup, Jakob Brandner der dritte Mann. Der Klagenfurter ist heute nach Jahren in Finnland im slowenischen Celje aktiv.
2021 (Red Deer): Bei der abgebrochenen WM begann Wraneschitz als Nummer 1, Sommer wieder als sein Backup. Der Villacher Lukas Moser – heuer als Leihe in Kitzbühel - die Nummer 3.
2022 (Wiederholung, Edmonton): Wieder Wraneschitz vor Sommer, Pfarrmaier die Nummer 3.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Zu diesen Torhütern kamen aus der U18 noch Daniel Pölzl (Graz), Marvin Kortin (Schweiz) und Felix Beck (Dornbirn), die den Übergang zur U20 nicht schafften. Pölzl hörte bald auf, Kortin dient wie Müller nur als Beweis, dass auch außerhalb von Österreich junge Goalies keinen Persilschein erhalten. Er spielt heute in Chur in der dritthöchsten Schweizer Leistungsstufe.
Felix Beck – beim ÖEHV nie sonderlich populär – legte in der letzten Saison in Dornbirn einige solide Partien hin, blieb aber nach dem ICE-Ausstieg der Bulldogs bei Bregenzerwald picken.
Fazit: Von zwanzig U18- und U20-Nationalgoalies des letzten Jahrzehnts können drei für sich in Anspruch nehmen, international aufgezeigt zu haben:
David Kickert – im Nationalteam unumstritten, aber er schaffte es weder in Wien, Villach, Linz oder Salzburg, sich als klare Nummer 1 durchzusetzen. Seine Nationalteamkarriere hatte ebenfalls ihre Aufs and Abs (Bratislava!), aber er ist durchaus mit Torhütern andere A-Länder wie Norwegen oder Dänemark vergleichbar, von Ungarn, Italien oder Großbritannien sowieso nicht zu reden.
Ali Schmidt – Ein Schlüsselspieler beim Aufstieg, gleiches allerdings in umgekehrter Forum zuvor beim Nicht-Aufstieg der U18. Letzte Saison mit einigen guten Partien für den VSV, heuer wenig im Einsatz. Was bei den penetranten TV-Hagiografien über ihn immer unter den Tisch fällt: Goalies seiner Größe (1,75 Meter, ähnlich wie bei Beck) sind im internationalen Eishockey heute so rar wie die blaue Mauritius. Vor allen die Top-Eishockey-Nationen müssen nicht zwischen großen unbeweglichen und kleinen athletischen Goalies auswählen – dort gibt es große bewegliche Torhüter wie Sand am Meer, nur ganz wenige Torhüter unter (mindestens) 1,83 Meter werden von Goaliecoaches für voll genommen. Kleinere Länder wie Österreich müssen dagegen mit Kompromissen auskommen.
An guten Tagen agiert Schmidt beweglich und technisch sicher, mit der Möglichkeit zu zusätzlichen Desperation Saves. An schlechten Tagen sieht man hinter ihm immens viel Freifläche und er gibt Tore aus großer Distanz her. Ein Problem bei kleinen Goalies: Sie können nicht über den Verkehr vor ihnen drüberschauen, müssen den Puck um die Spieler vor ihnen herum folgen. Bei Schüssen, die sie nicht oder spät sehen, muss halt der Teil des Tores abgedeckt sein, auf den die meisten Schüsse kommen und da spielen 15 zusätzliche Zentimeter und 15 Kilo mehr eine große Rolle.
Doch gerade seine Konkurrenz im Verein, J.P. Lamoureux, ist auch kein Hüne, was ihn seit einem Jahrzehnt zwar von einem Job in einer besseren Liga, aber nicht von einer dominanten Rolle in der ICE abhält. Der Mangel an Größe ist ein Wettbewerbsnachteil für Schmidt, muss allerdings zumindest für einen ICE-Job nicht unüberwindlich sein. Bei einer A-WM wäre er aber mit ziemlicher Sicherheit der kleinste Goalie im Turnier.
Sebastian Wraneschitz – Vor und während seinen WM-Einsätzen in Finnland, Schweden, den Vienna Capitals, der WHL und jetzt in der USHL aktiv. Als Zubringerliga zum US-College ist die USHL hoch angesehen, doch diese Option steht dem Wiener aufgrund seiner WHL-Spiele nicht mehr offen. Heuer aufgrund einer Gehirnerschütterung bisher nur mit drei Einsätzen.
Wraneschitz – ein hoch intelligenter und arbeitsamer Goalie – könnte in seinem ersten Jahr ohne Juniorenberechtigung auch schon weiter sein, die vielen Vereinswechsel der letzten Jahre liegen mir etwas im Magen. Er muss nächste Saison im Erwachsenenbereich spielen, eine Jobteilung mit Bernhard Starkbaum in Wien wäre da nur der logische Schritt. Nicht ganz so klein wie Schmidt, aber halt auch mit einem Mangel an Zentimetern, die bei manchen Schüssen den Unterschied machen können.
Starkbaums Karriereende liegt noch nicht in unmittelbarer Nähe, Kickert hat sowieso noch einige Jahre vor sich. Doch für eine rosige Goalie-Zukunft in den nächsten Jahren braucht es eine krasse Steigerung der wenigen Kandidaten bzw. eines Retters, der auf dem weißen Ross daherkommt...