Nach vier Partien ist die Junioren-A-Weltmeisterschaft wie erwartet für Österreich bereits vorbei.
Während am Samstag die vier Viertelfinali steigen, befindet sich das Team von Roger Bader bereits auf dem Heim- bzw. Weiterflug.
LAOLA1-Experte Bernd Freimüller hat die Auftritte genau beobachtet und zieht mit einem Blick auf einige Auffälligkeiten bei diesem Turnier ein Fazit:
Die Zahlen
Vier Spiele, vier Niederlagen, 0 Punkte, Torverhältnis 1:29.
Im Vergleich dazu: Bei den letzten fünf WMs beendeten sieben von zehn Teams die Gruppe ebenfalls punktelos. 2019 gelang Dänemark überhaupt kein Treffer, ihr Torverhältnis damals lautete 0:26, war damit immer noch geringfügig besser als das von Österreich heuer.
Das Gesamt-Schussverhältnis der vier Spiele lautete 49:249, im Schnitt etwa 12:62. In anderen Worten: Die beiden Goalies Sebastian Wraneschitz und Jakob Brandner erlebten nicht eine Minute, in der sie keinen Schuss auf ihren Kasten kommen sahen.
Nicht mit Zahlen zu belegen, aber mit dem Augentest: Selbst wenn Österreich jede seine Großchancen verwandelt hätte, wären es vier Niederlagen geworden. Einzig gegen Russland gelangen über das Spiel gesehen einige schwungvolle Angriffe mit Abschlüssen, denen aber sieben Gegentreffer gegenüberstanden.
Wie ich in meiner Vorschau geschrieben habe: Jedes knappe Drittel ist ein Erfolg, das gelang immerhin einmal gegen Russland und zu Beginn gegen die Tschechen, bevor dem Team dort endgültig die Körner ausgingen.
Die Einzel- und Teamleistungen
Erspare ich mir im Detail, wer eine fast nur im eigenen Drittel agierende Mannschaft vom Computer weg in ihre Einzelteile zerlegen will, sei willkommen. Einzig für eine genaue Beurteilung von Goalie Sebastien Wraneschitz taugen die TV-Bilder (siehe separate Geschichte über ihn, die ich noch folgen lasse).
Nie zu vergessen: Ein Spieler, der hier völlig überfordert war, kann (muss aber nicht) bei einer B-WM einige Akzente setzen und wäre bei einer C-WM (wo sich unser U18-Team schon seit Jahren herumtreibt) gar dominant. Diese Problematik, die sich durch Spiele in unseren oft jämmerlichen Junioren-Ligen noch verstärkt, beeinflusst meine Arbeit schon seit Jahren.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Was zu erwarten war: Ohne Verteidiger wie Thimo Nickl, Kilian Zündel oder auch Martin Urbanek fehlten Leute, die auch unter Druck die Scheibe halten bzw. nach vorne transportieren konnten. Nicht dass man mit diesen drei schon Platz im Medaillenschrank hätte schaffen müssen – der Punktestand wäre wohl der gleiche gewesen, aber die Unterlegenheit halt nicht ganz so krass ausgefallen.
Das Argument, dass auch andere Teams auf Schlüsselspieler hätten verzichten müssen, ist nicht valid: Die verfügen natürlich auch über ganz andere Personalreserven. Dass Bader auf gleich vier 2003er (neben dem 2004er Kasper) zurückgriff, war auch der Not geschuldet, konnte diese wenigstens auf die nächsten Jahre vorbereiten. Auch die durch Corona bedingte mangelnde Spielpraxis vieler Cracks wirkt sich natürlich in einem Land, dessen Youngsters im Vergleich zur Weltspitze ohnehin schon immer körperlichen Nachholbedarf haben, noch letaler aus.
Wäre eine eventuelle Relegation gegen die Schweiz wirklich knapp geworden? Einen Vorgeschmack darauf bildete vielleicht das einzige Testspiel vor der WM, das die Eidgenossen mit 3:2 gewannen. Dass es knapper als in der Vorrunde zugegangen wäre, liegt auf der Hand. Doch selbst die offensiv ebenfalls impotente Schweiz (vier ihrer fünf Treffer fielen erst im Schlussdrittel des letzten Spieles gegen Deutschland) dürfte im Ernstfall für das eine oder andere Tor mehr gut sein. Nicht umsonst spielen sie seit gefühlten Ewigkeiten in der Topgruppe.
Die Henne-Ei-Diskussion, ob die Spieler besser wären, wenn sie regelmäßig in der ICE Hockey League zum Einsatz kämen oder sie diese Chance nicht bekommen, weil sie eben große Defizite ausweisen, erspare ich mir. Nur: Im deutschen Team – dass allerdings von Tim Stützle und J.J. Peterka fast alleine getragen wurde – sind DEL-Stammspieler die absolute Ausnahme, einige der Cracks kamen direkt aus der deutschen Junioren-Liga oder – wie einige österreichische Cracks – der AlpsHL. Neun der 24 eingesetzten WM-Spieler halten sich überhaupt außerhalb des Zugriffsbereichs österreichischer Teams auf.
Nicht zu beweisen, aber ich traue mich das aufgrund jahrelanger Beobachtungen bis zur U14 zu behaupten: Für jeden Jahrgang hinunter (U18, U16, U14) hätte man gegen die gleichen Gegner noch einige Gegentore draufgeben können. Die österreichischen Spieler reißen schon in jungen Jahren einen derartigen Rückstand in allen Belangen (Eislaufen, Physis, taktisches Verhalten, Stickhandling) auf, der sie ihr ganzes Leben lang verfolgt.
Immerhin macht Österreich im Laufe der Jahre diese Defizite teilweise wett, natürlich nicht im Vergleich zur absoluten Weltspitze. Aber Ungarn, das etwa in der U14 bis U16 unseren Teams oft klar überlegen ist, fällt dann, wenn es in die WMs geht (U18, U20), wieder hinter Österreich zurück.
Neue Erkenntnisse brachte diese WM für mich keine. Würde der Eishockey-Gott einen Vertrag vorlegen, der für die U18- und U20-WMs für die nächsten Jahrzehnte die B-Gruppe (Weltranglistenplätze 11-16) ohne Auf- und Abstiegsmöglichkeit garantieren würde, würde ich sofort unterschreiben. Gegner wie Kasachstan, Belarus, Lettland, Dänemark oder Norwegen (die beiden letzteren mit klarer Abwärtstendenz in den letzten Jahren) liegen meist auch vor uns, aber halt nicht immer und sind vor allem Gegner, an denen man das ICE- oder internationale Potenzial der meisten Spieler gut ablesen kann. Gegen die USA, Schweden, aber auch Polen oder Rumänien (A- oder C-Gruppe) tue ich mir da ungleich schwerer.
Das Team für nächstes Jahr
Von den Spitzenspielern fallen Thimo Nickl, Kilian Zündel, Luis Lindner, Jacob Pfeffer, der oft überzogen agierende Philipp Wimmer, Tim Harnisch, Fabian Hochegger und natürlich Marco Rossi, der sich sicher auch ein besseres Turnier zum Junioren-Abschied gewünscht hätte, weg.
Die Kombination der Jahrgänge 2002/2003 wird in puncto blauer Linie noch problematischer als heuer. Es ist kein Zufall, dass kein einziger Defender dieses Jahrgangs heuer den Cut schaffte, schon seit Jahren ist nur Martin Urbanek der einzige auffällige Verteidiger. Zwar könnte der eine oder andere dazukommen, aber die Defensive dürfte eine fast reine 2003er mit einigen KAC-Cracks werden. Dieser Mannschaftsteil wird wieder die große Schwachstelle sein, während im Tor neben Rückkehrer Wraneschitz einige weitere gute Alternativen beider Jahrgänge bereitstehen.
Auch wenn sich der 2002er-Jahrgang in der Defensive seit Jahren desolat präsentiert, sieht es im Angriff besser aus. Zu den Rückkehrern Senna Peeters, Lucas Thaler, Leon Wallner kommen noch Oskar Maier und Maxi Hengelmüller, dazu natürlich noch der 2004er Marco Kasper, der wohl bereits Center Nummer 1 sein wird – das ergibt bereits zwei Linien. Dazu kommen noch die 2002er und 2003er dieses Turniers sowie einige weitere 2003er bei guter Entwicklung (Daniel Aschauer, Maxi Mackner). Bei den 2004er zeichnen sich mehrere interessante Forwards ab (Luca Auer, David Cernik, Jonas Dobnig, Moritz Lackner, Vinzenz Rohrer, Timo Sticha) – keine Talente von Kasper-Format, aber der eine oder andere könnte schon eine Überlegung wert sein.
Tiefer als die diesjährige Kombination wird aber das nächstjährige Team sicher nicht dastehen und die zweijährige A-WM-Garantie läuft dann mit größter Wahrscheinlichkeit aus. Wer mit diesen realistischen Gedanken in das Turnier geht, darf sich wieder auf ein Vorspielen Österreichs im Kreise der Weltklasse freuen. Wem diese WM aber schon den Nerv raubte, sollte die nächstjährige eher auslassen…