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So gelang die U20-Sensation - so geht es weiter

LAOLA1-Experte Freimüller mit Rückblick und Ausblick für die Hockey-Youngsters:

So gelang die U20-Sensation - so geht es weiter Foto: © GEPA

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Österreichs Junioren-Nationalteam steht unter den zehn besten Nationen der Eishockey-Welt – wie kam es dazu und was bedeutet das für das nächste Jahr?

LAOLA1-Experte Bernd Freimüller wagt einen Rückblick und hält eine Ausschau:

Mit dem 4:1 über Slowenien am Schlusstag war die Sensation perfekt: Das ÖEHV-U20-Team gewann die WM Division 1A (vulgo B-Gruppe) in Minsk und steigt in die A-Gruppe auf.

Und die setzt sich in dieser Altersstufe - im Gegensatz zum Senioren-Bereich - aus nur zehn Nationen zusammen. Spielte man in den letzten Jahren stets gegen den Abstieg (Standardplatz fünf bei sechs teilnehmenden Teams), war dies nun der dritte Aufstieg in diesem Jahrtausend seit 2002 und 2008.

Die Gründe für die Sensation:

Herausragende Jahrgänge

Die Jahrgänge 1996 und 1997 erreichten vor vier Jahren in Wien den zweiten Platz - auch das waren zwei gute Jahrgänge, deren Spieler es fast alle in die EBEL schaffen. Darauf folgten die überaus schwachen Jahre 1998/99, die Kombination der Jahre 2000 und 2001 verfügt aber über herausragende Einzelkönner. Neben dem abwesenden Marco Rossi natürlich Benjamin Baumgartner, der das Turnier nach Belieben dominierte. Dazu kommen im Sturm noch Tim Harnisch, der verletzte Fabian Hochegger sowie der kurzfristig eingebürgerte Senna Peeters, die alle über ausgezeichnete offensive Fähigkeiten verfügen - das Toreschießen fiel dem Team in Minsk so leicht wie selten zuvor.

Was den Kader aber für österreichische Verhältnisse veredelte, waren drei herausragende Defender: Thimo Nickl, Julian Payr und David Maier. Vor allem das Duo Nickl-Payr stand in allen Schlüsselphasen auf dem Eis, Maier sorgte mit etlichen Rushes für Entlastung.

Dazu kamen noch Spieler, die auch über dem österreichischen Durchschnitt stehen (der laufstarke Defender Luis Lindner sowie der körperlich starke Flügel Paul Huber) – das ergab zwei starke Blöcke mit Offensiv-Qualitäten.

Angesichts des Aufstiegs eigentlich unglaublich: 13 Spieler dieses "Gold-Teams"  - sowie Rossi und der verletzte Salzburg-Defender Kilian Zündel - scheiterten vor zwei Jahren bei der U18-C-WM an der Ukraine, auch davor und danach kamen diese Jahrgänge nie unter die Top-16-Nationen im U18-Bereich. Für mich ist das auch ein weiterer Beweis dafür, dass der rot-weiß-rote Nachwuchs sich immer mit zunehmendem Alter steigert.

Der Top-Block

Die Zahlen sprechen für sich: Die Linie Huber-Baumgartner-Peeters stand bei elf erzielten Treffern (und drei Powerplay-Toren) auf dem Eis, ließ zusammen kein einziges Gegentor zu. Meist mit Nickl und Payr hinter sich, neigten sie das Eis vor allem aufgrund des herausragenden Baumgartners stets ins gegnerische Drittel.

Der Rest des Teams konnte nur ausgewogene bzw. negative Bilanzen für sich buchen, machte brav seinen Job und arbeitete hart. Die Top-5 waren aber der Schlüssel zum Erfolg. Normalerweise geht ein Team, das so top-heavy ist, im Turnier-Verlauf ein, Baumgartner und Co. hielten ihr Niveau jedoch bis zum Schluss.

Der Goalie

Foto: © GEPA

Sowohl beim Trainer-Stab als auch bei mir herrschte vor dem Turnier etwas Magengrummeln: Ali Schmidt ist sicher ein talentierter Goalie, von dem ich in den Nachwuchs-Ligen stets hervorragende Leistungen gesehen habe. International brachte er dies jedoch nie rüber, dazu kam auch noch ein Halbjahr fast ohne Spielpraxis (nicht einmal fünf Spiele).

Nach einem etwas nervösen Beginn gegen Gastgeber Weißrussland steigerte sich der Villacher wie das ganze Team von Spiel zu Spiel, wurde zum Rückhalt, der sowohl in Druckphasen (zum Schluss gegen Lettland), aber auch nach längerer Untätigkeit stets hellwach war. Vor allem gegen Lettland, aber auch im Finale gegen Slowenien wartete er mit einigen Key-Saves auf und ließ kaum Rebounds zu. Die beste Goalie-Leistung seit David Kickert 2013 und auch eine weitere Feder im Hut von Goalie-Coach Jürgen Penker, der ja auch von Kickert über den grünen Klee gelobt wird.

Der Coaching-Stab

Headcoach Marco Pewal und seine Kollegen Philipp Pinter und Philipp Lukas zeigten sich vor und während des Turniers unaufgeregt, aber pragmatisch. Sie schafften etwas, was im U18-Bereich zuvor nicht gelang: Ihre Top-Spieler zu forcieren, ohne diese zu überspielen, den Rest des Teams zu rotieren, ohne diesen an den Rand zu drängen.

Bis auf eine kleine Rochade (Paul Schmid und Leon Wallner tauschte kurz linien-intern ihre Positionen) blieben alle Linien gleich, gegen Ende einiger Spiele kürzten sie auf drei Defender-Paare zurück.

Der Kärntner U20-Teamchef Marco Pewal
Foto: © GEPA

Die ÖEHV-Auswahl präsentierte sich so diszipliniert wie noch selten, dumme Strafen gab es so gut wie keine. Alle Linien liefen gut Eis, präsentierten sich kraftvoll, selbst Einzelkönner wie Peeters stellten sich nicht über das Team. Sportchef Roger Bader, der nach einigen Anläufen im U18-Bereich dort heuer leicht entnervt auf einen Schweden (Roger Öhman) zurückgreifen musste, bekam sein Vertrauen in ein junges und österreichisches Coaching-Trio zurückbezahlt, das sich ruhig, fokussiert, aber auch trotzdem noch lernwillig zeigte.

Die Referees

Das rot-weiß-rote Team war wie gesagt diszipliniert, stieg auf keinerlei Provokationen ein, vor allem Baumgartner gab öfters den Watschenbaum und holte Strafen heraus, ohne selbst welche zu nehmen. Allerdings: Die Refs waren vor allem in den drei letzten Spielen unserem Team sehr wohl gesonnen. Die Strafenverteilung gegen Dänemark, Lettland und Slowenien (ohne Disziplinarstrafen): 8 Minuten gegen Österreich, 50 (!) gegen die Gegner.

Vor allem die Letten warfen unter dem italienischen Ref Moschen die Nerven weg und handelten sich eine Strafe nach der anderen ein. So klar einige dieser Strafen auch waren, ein derartiges Ungleichgewicht über mehrere Spiele hinweg habe ich aber noch nie bei einem Turnier gesehen.

Die Vorbereitung

Roger Bader weist mit Recht darauf hin, dass die Testspiele gegen gerade diese WM-Gegner (statt der üblichen Melange aus Ungarn, Italien und Slowenien) jetzt auch Früchte trugen. Pewal und Co. konnten bei den Turnieren im Sommer (Karlstad) und November (Bobriusk) auch einige Kandidaten testen, Huber etwa spielte sich mit einem sehr guten November-Auftritt in die Top-Linie für die WM.

Nur: Von den zehn Legionären im WM-Aufgebot standen mit Paul Schmid (Skien), Leon Wallner (Södertälje) und Jacob Pfeffer (Örebro) nur drei auch im November-Kader. Baumgartner bekam damals eine Ruhepause, die Nordamerikaner waren natürlich nicht vor Ort. Die kurze, aber intensive WM-Vorbereitung wurde vom Trainer-Stab gut genutzt, das 2:9 gegen Lettland trug (ungewollt) sicher auch zu einer gewissen Unterschätzung durch den Gegner bei.

Wie geht es weiter?

In den tschechischen Städten Ostrava und Trinec steht nach Weihnachten die U20-WM an – für Österreich interessant: Wer macht den Platz in der A-Gruppe frei? Wahrscheinlich Kasachstan, Aufsteiger Deutschland verfügt über ein gutes Team.

Österreichs große NHL-Hoffnung Marco Rossi
Foto: © GEPA

Österreich tritt dann vom 26. Dezember 2020 bis 5. Jänner 2021 bei der A-WM entweder in Edmonton oder Red Deer - zwischen Edmonton und Calgary gelegen - an. Die zehn Teams sind in zwei Fünfer-Gruppen aufgeteilt, die beiden Gruppenletzten spielen in einer "Best-of-three"-Serie gegen den Abstieg.

Vom Team aus Minsk können neun Spieler noch die Früchte ihres Erfolgs ernten. Der Jahrgang 2000 (z.B. Baumgartner, Payr, Schmidt, Maier, Huber, Lanzinger) scheidet zwar aus, die 2001er (Nickl, Lindner, Pfeffer, Harnisch, Timo Pallierer sowie Rossi, Zündel und Hochegger) sind aber weiter spielberechtigt.

Der Jahrgang 2002 war in Minsk bereits mit Defender Martin Urbanek und den Stürmern Lucas Thaler, Leon Wallner und Senna Peeters vertreten. Der eine oder andere interessante Stürmer (Oskar Maier, Maxi Hengelmüller, Marco Sunitsch) steht hier parat, in der Defensive sieht es aber bis auf den Klagenfurter Elias Dobnig (wie Urbanek zart, aber spielstark) relativ düster aus.

Im Tor wäre der dritte Goalie von Minsk, Sebastian Wraneschitz, gemeinsam mit Jakob Brandner (KAC, jetzt Finnland), Felix Beck (Bregenzerwald) oder Matthias Lichtenecker (Capitals) - alle Jahrgang 2001 - die logische Variante.

Die Jahrgänge 2000 und 2001 sind weniger ausgeglichen als 1996/1997, aber dafür mit mehr absoluten Spitzenspielern besetzt – Baumgartner, Payr, Nickl und Maier werden zum Rückgrat des Senioren-Nationalteams der nächsten Dekade gehören, von Marco Rossi einmal abgesehen.

Schön, dass sie sich nach den U18-Enttäuschungen endlich einmal belohnt haben, in Minsk kam alles positiv zusammen, was in den letzten Jahren negativ ausfiel.

Die WM in einem Jahr im Mutterland des Eishockeys steht jetzt schon als einer der (wenigen) Höhepunkte im österreichischen Eishockey dieses Jahrtausends fest.

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