Ein Eishockey-Duell mit der Schweiz ist für Österreich immer etwas Besonderes.
Nicht nur, weil die Eidgenossen eines der acht Nachbarländer sind, sondern weil viele heimische Cracks dort ihre sportliche Heimat gefunden haben. In der National League waren alleine im Vorjahr neun ÖEHV-Akteure engagiert. Hinzu kommen vier in der Swiss League und unzählige weitere in niedrigeren Ligen.
Die Schweiz ist jenes Land, das mit großem Abstand die meisten österreichischen Legionäre beheimatet und nebenbei ein wahrer Hotspot für aufstrebende Talente ist. Warum das so ist, hat sich LAOLA1 vor dem WM-Gruppenspiel am Sonntag (20:20 Uhr im LIVE-Ticker >>>) angesehen.
Kriterium Schweizer Lizenz
(Artikel wird unterhalb des Videos fortgesetzt)
Die Hauptursache liegt in einer Regelung, die sich vor allem viele Vorarlberger schon in jungen Jahren zunutze machen.
Eishockey wird im westlichsten Bundesland der Alpenrepublik ganz allgemein gelebt. Von der win2day ICE Hockey League bis runter zu ÖEL (dritthöchste Leistungsstufe) sind diverse Klubs vertreten, der Standort Feldkirch birgt besonders viel Tradition und lebt durch die Pioneers Vorarlberg wieder auf.
Im aktuellen WM-Kader befinden sich nicht weniger als sieben Cracks, die in Vorarlberg das Licht der Welt erblickt haben. Fünf von ihnen - und sie sind bei weitem nicht alleine - haben sich im Jugend-Alter einem Schweizer Klub angeschlossen, um sich die Schweizer Lizenz zu sichern.
Besitzt ein Spieler diese, belastet er das Ausländer-Kontingent nicht - was sich zahlreiche Klubs natürlich zunutze machen. Welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen? Die erste Lizenz muss lediglich in der Schweiz gelöst oder fünf Jahre im hiesigen Nachwuchs gespielt werden.
Ein erleichternder Umstand dabei war, dass die Nachwuchsteams in Dornbirn Anfang der 00er-Jahre in der Schweizer Liga mitspielten. Dadurch erlangte u.a. Fabio Hofer seine Schweizer Lizenz, ohne Österreich jemals verlassen zu müssen.
"Er recherchierte und fand heraus, dass wir eine Schweizer Lizenz erhalten, wenn wir die Erstanmeldung in der Schweiz machen."
Später geriet das grenznahe Widnau SG in den Fokus, an dem der SC Rheintal ansässig war. Nicht einmal zehn Minuten braucht man mit dem Auto vom Lustenauer Stadtzentrum in den Ort, dem sich etliche heimische Cracks im Junioren-Alter anschlossen.
Die Ulmer-Brüder waren Pioniere
Dazu zählt etwa ein Brüder-Paar, das in dieser Hinsicht als Pioniere gilt.
Martin und Stefan Ulmer lancierten vor über 20 Jahren jenes Modell, das noch heute von vielen Spielern genutzt wird. Den Denkanstoß gab Vater Arno Ulmer. "Er recherchierte und fand heraus, dass wir eine Schweizer Lizenz erhalten, wenn wir die Erstanmeldung in der Schweiz machen", erzählte Stefan vergangenes Jahr dem "Blick".
Dass die talentierten Söhne über die Grenze in den Schweizer Nachwuchs geschickt wurden, kam in Vorarlberg zwar nicht gut an, ließ die Ulmers aber kalt. Beide starteten in der Schweiz durch - Martin spielte später bei Kloten, den GCK Lions, Lausanne, Martigny, Biel und Olten. Stefan für die GCK Lions, Lugano, Biel und La Chaux-de-Fonds.
Und schnell bemerkten auch andere Familien, dass ihre aufstrebenden Kinder in der Schweiz ausgezeichnete Bedingungen vorfinden und dadurch besser als in Österreich gedeihen können. Die Familie Ulmer ist also mitverantwortlich dafür, dass hierzulande über die NHL-Drafts von Marco Rossi, David Reinbacher und Vinzenz Rohrer gejubelt werden durfte.
Denn so ehrlich muss man auch sein: Wäre das Trio in der Heimat geblieben, wäre es vielleicht gar nicht möglich gewesen, eines Tages in der NHL aufzuschlagen. Selbiges trifft indes auch auf Marco Kasper zu, den es mit 16 Jahren nach Schweden zog.
Es braucht das gewisse Etwas
Doch in den letzten Jahren geriet die Produktion an heimischen Eishockey-Talenten in der Schweiz ins Stocken.
Mitverantwortlich dafür ist die Corona-Pandemie. "Corona hat uns hier enorm zurückgeworfen", sagte Ulmer. Deshalb realisierten die Eishockey-Klubs EC Dornbirn, EHC Lustenau, SC Hohenems und SC Rheintal das Projekt "Rheintal Future", um das Ausbildungsniveau hoch und die Fahrtwege gering zu halten.
Der langjährige ÖEHV-Teamspieler, der selbst als Nachwuchstrainer tätig ist und auf genügend "Nachschub" achtet, betont: "Davon profitieren alle."
Ranking: Österreichs beste Eishockey-Cracks aller Zeiten
Doch es wird immer schwieriger, im Nachwuchs der Teams aus der National League oder gar der Swiss League unterzukommen.
Denn viele Sprösslinge aus anderen umliegenden Ländern haben natürlich Wind bekommen, dass die Entwicklungsmöglichkeiten der Eidgenossen mitunter besser als in ihrer Heimat sind. Ein Spieler müsse das gewisse Etwas haben, um eine Chance zu haben, meinte Ulmer deshalb.
Ein Blick in die U20-Elit verrät: Mit Timo Schenk (D/Ambri-Piotta), Andrey Poluyanov (F/Fribourg-Gotteron) und Alexander Rupnik (F/Langnau) spielten heuer drei Österreicher in der höchsten Nachwuchsliga der Schweiz. Vor fünf Jahren waren es allerdings noch deren sieben Feldspieler sowie ein Torhüter (Marvin Kortin). Ein Rückgang ist zu erkennen.
Die National League lenkt mit neuen Regeln ein
Und es dürften noch weniger werden.
Denn seit 2023 erhält ein nicht in der Schweiz geborenes Kind, das nach der Saison 2010/11 für die Erstanmeldung registriert wurde, nicht mehr automatisch die Schweizer Lizenz. Jene Spieler aus dem Ausland, die zumindest fünf Jahre im Schweizer Nachwuchs aktiv waren, können vorerst noch durchatmen.
Aber auch ihnen geht es bald an den Kragen, zumindest in der National League. Ab der Saison 2026/27 werden dort keine Cracks mehr mit Schweizer Lizenz spielen können, die erst nach 2021/22 ihre erste Saison im Junioren-Bereich der Eidgenossen bestritten haben.
Den Schweizern gleichgestellt sind sie dann nur mehr bis zur U23-Stufe, dann gelten sie als Import. So will die Liga dem jahrelangen Trend entgegenwirken, dass ausländische Talente im frühen Alter in die Schweiz gehen und einem einheimischen Talent den Platz wegnehmen, weil es diesem im späteren Karriereverlauf gleichgestellt wäre.
Für alle österreichischen Jünglinge, allen voran jenen aus Vorarlberg, stellt dies hingegen eine herbe Hiobsbotschaft dar. Die tatsächlichen Auswirkungen werden in den nächsten Jahren sichtbar sein.