So nah und doch so fern.
Österreich lieferte im fünften Spiel der Eishockey-WM gegen Lettland neuerlich eine starke Performance ab, dominierte die langjährige A-Nation über weite Strecken sogar. Doch wie schon so oft fehlte den ÖEHV-Cracks in den entscheidenden Moment das Eutzerl Glück, wodurch letzten Endes eine durchaus bittere 3:4-Niederlage nach Shootout zu Buche steht.
Ein Punktgewinn, der noch richtig wertvoll sein kann, die Spieler aber mit gemischten Gefühlen zurücklässt. "Jede Niederlage ist bitter, die jetzt sticht natürlich enorm", erklärte Kapitän Thomas Raffl nach dem Spiel.
Nach schöner Führung wurde Österreich schlampig...
Denn die ÖEHV-Auswahl legte einen guten Start ins Spiel hin, wirkte im Gegensatz zum 3:5 gegen Norwegen wieder gut erholt und frisch in den Köpfen. Offensiv wurde schnell und geradlinig gespielt, defensiv simpel und ohne große Risiken. Österreich überließ den Balten mehrheitlich den Puck und war im Gegenzug extrem giftig.
In einem ersten Drittel mit leichten Vorteilen für den Underdog wollte es mit einem Treffer noch nicht klappen, dafür war das 1:0 von Benjamin Nissner umso schöner herausgespielt. Schnörkellos spielte die bärenstarke Salzburger Offensivreihe Raffl-Nissner-Schneider die lettische Defensive aus, der Center hob den Puck perfekt ins Kreuzeck.
Doch wie bereits gegen die Skandinavier schlich sich plötzlich etwas der Schlendrian ein, wurde das ÖEHV-Team schlampig. "Nach der Führung im zweiten Drittel hatten wir leider ein paar Scheibenverluste zu viel", stellte Bader fest. Zuvor sah der Schweizer ein "sehr starkes erstes Drittel."
...und war im letzten Drittel wieder "brutal stark"
"Das letzte Drittel war brutal stark. Wir sollten eigentlich nach 60 Minuten gewinnen, haben Lettland an die Wand gespielt."
Lettland nützte die österreichischen Ungenauigkeiten eiskalt aus, erzielte aus zehn Schüssen drei Tore und übernahm mit 3:2 die Führung. Die Mannen von Roger Bader bewiesen im Schlussabschnitt aber Moral, schnürten das baltische Team förmlich in deren Defensivzone ein.
15 Torschüsse, darunter einige Hochkaräter, gab Österreich ab. Lettlands Torhüter Arturs Silovs wurde jedoch nur von einer Deflection durch Raffl bezwungen. Trotzdem war Bader richtig stolz: "Das letzte Drittel war brutal stark. Wir sollten eigentlich nach 60 Minuten gewinnen, haben Lettland an die Wand gespielt."
Doch es reichte "nur" für die Overtime, in der ein Wristshot von Clemens Unterweger durch die Schoner von Silovs rutschte, aber nicht im Netz landen wollte. Dann "hatten wir mit dem Stangenschuss Glück", sprach der 57-Jährige die einzige brenzlige Situation aus ÖEHV-Sicht an. "Aber wir hatten selbst auch Top-Chancen."
Da diese nicht verwertet wurden, musste wie schon gegen Tschechien das Shootout herhalten - diesmal mit dem schlechteren Ende für Österreich. Während zwei Letten gegen Bernhard Starkbaum einnetzen konnte, überwand nur Dominique Heinrich den lettischen Tormann.
Ein "sehr bitterer", aber "wohlverdienter Punkt"
Schlussendlich ein Punkt, aber nicht mehr. "Es war sehr bitter", meinte Nico Brunner. "Shootout ist auch immer eine Glückssache, die Letten hatten es auf ihrer Seite." Lukas Haudum wusste ebenfalls nicht, wie die Partie so kurz nach Spielende einzuordnen ist.
"Mit zwei Punkten wissen wir, dass wir halbwegs durch sind. Es ist sicher enttäuschend. Der eine Punkt ist wohlverdient und tut uns sicher gut. Schade, dass am Schluss nichts mehr reingegangen ist", zog der KAC-Angreifer ein zwiespältiges Fazit.
In einem Punkt waren sich alle einig: Das zweite Drittel wurde Österreich zum Verhängnis. "Im zweiten Drittel war ein bisschen Chaos drin, da waren wir nicht konsequent genug", meinte Haudum. Und Nissner sagte: "Wir haben hinten zu wenig zugemacht. Die Tore, die wir bekommen haben, das sind Kleinigkeiten, die wir ändern müssen."
Bei Bader und Raffl überwog der Stolz
Letzten Endes war das Resümee trotzdem ein überwiegend positives. Vor allem der Teamchef war begeistert: "Ich weiß nicht, wann es das letzte Mal war, dass wir gegen Lettland so eine Partie gespielt haben. Wir haben ein sehr gutes Spiel gezeigt. Ich muss fast sagen, dass wir den Sieg verdient gehabt hätten."
Auch Raffl konnte sich schließlich über den Punkt freuen: "Wir waren als Mannschaft sehr gut eingestellt, waren von Anfang an bereit, mental und physisch. Man kann nur eine Message geben: großer Respekt an alle, wie wir aufgetreten sind."
Tristesse ließ er keine aufkommen: "Es gibt keine Zeit, sich runterdrücken zu lassen. Trotz der Niederlage bin ich unglaublich stolz. Ich habe großes Vertrauen in die Jungs." Zu oft zeigte das ÖEHV-Team dafür schon Moral, ließ sich von kleinen Rückschlägen unterkriegen.
"Die Moral verlieren wir sicher nicht", versicherte Bader, der auch im Duell am Samstag gegen die bereits für das Viertelfinale qualifzierten Finnen (15:20 Uhr im LIVE-Ticker) eine Chance sieht. "Das werden wir nicht einfach herschenken. Natürlich ist es schwierig, aber wir werden auch morgen versuchen, einen Weg zum Sieg zu finden."
"Das österreichische Eishockey hat sich sehr gut verkauft"
Erst dann werden Spieler und Trainer den Fokus auf das am Montag anstehende Spiel um den Klassenerhalt gegen Großbritannien legen. In diesem könnte Österreich, sofern die Briten am Sonntag ihre Begegnung gegen Lettland verlieren, bereits ein Punkt zum Klassenerhalt reichen.
Aktuell liegt die ÖEHV-Auswahl drei Punkte vor Großbritannien, bei Punktegleichheit wird jedoch das direkte Duell herangezogen. Natürlich darf man das Tabellen-Schlusslicht nicht unterschätzen, doch mit den gezeigten Leistungen darf sich Österreich mehr als berechtigte Hoffnungen auf den Verbleib in der Top-Division machen.
Roger Bader scheint davon völlig überzeugt zu sein, betont noch einmal: "Wir haben absolut hervorragendes Eishockey gespielt, das österreichische Eishockey sehr gut verkauft."