Nach zwei WM-Spielen bereits ein Punkt auf dem Konto – Österreich startete gegen zwei eigentlich übermächtige Gegner stark in die Eishockey-WM in Finnland.
Sowohl das 1:3 gegen Schweden als auch das 2:3 nach Verlängerung gegen die USA waren Leistungen, die das Team 2019 in Bratislava nicht einmal annähernd abrufen konnte (obwohl auch dort die ersten beiden Partien noch die besten waren).
Natürlich waren beide Gegner dominierend, doch die ÖEHV-Truppe konnte die Druckphasen des Gegners auf ein Minimum reduzieren.
Die Tugenden der ersten starken Leistungen
Ein Riesenunterschied zu früheren Turnieren: Das Team konnte sowohl körperlich als auch vom Tempo her mithalten. Defender wie David Maier oder Bernd Wolf – keineswegs mit einer imposanten Physis ausgestattet – schafften es immer wieder, die gegnerischen Stürmer mit Beinarbeit an die Banden umzuleiten und dort festzupinnen.
Auch im Angriff tat der Einsatz von einigen Redwoods gut, Paul Huber ist etwa nicht nur aufgrund seines Traumtors gegen die USA ein durchgehender Faktor.
Starke Beinarbeit mit einem energischen Nord-Süd-Stil und Tordrang kombinierend: Marco Kasper. Ein 18-jähriger sollte gemeinhin ein Team nicht alleine auf ein höheres Level heben können, außer er hat Weltklasseanlagen. Die bewies Kasper vor den Augen der Scouts (er war im Spiel gegen die USA der einzige interessante Spieler für sie) in beiden Partien.
Auch wenn nicht jeder Gegentreffer über jeden Zweifel erhaben war: Sowohl Bernhard Starkbaum als auch David Kickert agierten solide, drei Gegentreffer pro Spiel gegen diese Gegner lassen eher wenig Kritik zu. Basierend auf diesen Leistungen sollte Starkbaum (wieder mit Madlener als Backup) gegen Tschechien antreten, Kickert dann den Tag darauf im Schlüsselspiel gegen Norwegen.
Teuer erkaufter Punkt gegen die USA
Der Punkt gegen die USA – kann noch Goldes wert, aber auch völlig nutzlos sein – war aber teuer erkauft: Benjamin Baumgartner wird nach einem Check von Seth Jones für den Rest der WM ausfallen, Clemens Unterweger war noch gar nicht dabei.
Ein Kaderplatz ist noch offen, mit den beiden fehl(t)en aber ein Top-Vier-Defender als auch ein Stürmer mit Offensivpotential. Natürlich kann Nico Brunner jederzeit nach vorne und Ali Wukovits in die Mitte rücken, aber viel mehr Verletzungen sollten nicht mehr passieren.
Tschechien wird wieder ein Spiel gegen einen übermächtigen Gegner, 24 Stunden später wartet dann Norwegen. Umgekehrt wäre es natürlich besser, aber Norwegen ist einer der beiden Gegner (neben Großbritannien), gegen die Österreich nicht als krasser Außenseiter antritt.
Das Spiel von ihnen gegen die Briten (4:3 nach Penalty-Schießen) war keine Offenbarung, vor allem die drei Gegentreffer innerhalb von drei Minuten nach 3:0-Führung. Beim 2:3 gegen Lettland war man zum Schluss knapp am Remis dran, sabotierte sich aber zuvor mit vielen Strafen (Ludvig Hoff!) selbst.
Tschechien
Beide Teams kennen einander nach drei Vorbereitungsspielen gut, allerdings haben sich die Kader in den letzten Wochen natürlich verändert.
Vom ersten Testspiel in Znojmo am 6. April stehen bei den Tschechen noch fünf (Scotka, Jordan, Krejcik, Cernoch, Blümel), bei Österreich sechs (Madlener, Kirchschläger, Feldner, Ganahl, Haudum und der verletzte Unterweger) Spieler im Aufgebot.
Nach einem 5:1-Auftakterfolg gegen Großbritannien scheiterten die Tschechen beim 3:5 gegen Schweden auch an einer schwachen Goalieleistung von Karel Vejmelka. Ich habe ihn oft in Brünn gesehen, NHL-Tauglichkeit hätte ich ihm eher nicht zugestanden.
Der Coyotes-Torhüter machte dann Marek Langhammer nach vier Gegentreffern Platz. Beide würde ich nicht gerade zu den Top-Goalies in Europa zählen. Lukas Dostal, der heuer bei Anaheim sein NHL-Debüt feierte, verletzte sich schon im Auftaktspiel.
In der Defensive sollte Filip Hronek das Powerplay aufwerten, der Detroit-Defender verfügt über gute Puckskills. Noch hat Coach Kari Jalonen nur sieben Defender zur Verfügung, Michal Kempny von den Washington Capitals wird aber in Kürze erwartet.
An vorderster Front befinden sich die kleinwüchsigen Center Petr Kodynek und Petr Holik in einer Warteschleife, auch hier werden noch NHL-Zugänge angestrebt. David Krejci durfte sich fast die ganze Vorbereitung freinehmen, ist mit 35 immer noch genauso ein Zugpferd wie der ein Jahr ältere Roman Cervenka.
Tomas Hertl (San Jose) und Jakub Vrana (Detroit) sollten zwei Offensivgaranten sein, dazu kommen gute europäische Spieler wie Matej Stransky (NL), Jiri Smejkal (Liiga) oder Michal Spacek (SHL).
Auch ohne die noch kommenden NHLer (zwei Stürmerplätze sind noch frei) halte ich das Offensivpotential der Tschechen für größer als das der Schweden oder USA. Die Goalieposition bzw. Defensive steht wieder auf einem anderen Blatt.
Für die NHL-Amateur-Scouts wird dieses Spiel eines der interessantesten der WM sein: Mit David Jiricek und Marco Kasper treffen zwei Top-Prospects für den NHL-Draft aufeinander.
Jiricek, ein körperlich starker Defender mit einem Bombenschuss, sollte in den Top-10 gezogen werden, Kasper dürfte sich (noch) nicht in diesen Regionen befinden. Öffnet oder schließt sich die Kluft zwischen diesen beiden nach diesem Spiel?
Norwegen
Beim 4:3 nach Shootout gegen Großbritannien noch so eben davongekommen, gegen Lettland beim 2:3 lange das schwächere Team – Norwegen sollte wirklich in der Reichweite des ÖEHV-Teams sein. Gut, das habe ich auch vor drei Jahren gesagt, aber die Personallage der Nordlichter ist seit damals noch einmal dünner geworden.
Ihr Problem: Die Topstars mussten irgendwann einmal in Pension oder sind nicht verfügbar, der Nachwuchs der letzten Jahre war aber höchst überschaubar. Schön langsam könnte sich das wieder zum Besseren wenden, vor allem die Jahrgänge 04 und 05 versprechen Gutes.
Zu den Ex-Granden: Patrick Thoresens letztes internationales Aufflackern fand bei der Olympia-Quali statt, Mats Zuccarello hat auch schon länger keine Lust aufs Nationalteam.
Das musste Coach Petter Thoresen vor seinem letzten Turnier auch einpreisen, herb allerdings, dass Defender Jonas Holos nicht zur Verfügung steht. Er spulte jedes Jahr mehr als 20 Minuten herunter, blieb dabei immer so leichtfüßig wie Fred Astaire. Die heurige schwere Verletzung bei den Kölner Haien war gefühlt die erste seine Karriere, beschleunigte sicher auch seine Rückkehr nach Norwegen.
Ebenfalls nicht dabei: Stefan Espeland und Sondre Olden (beide gut aus der EBEL bekannt), der eingebürgerte Schwede Tobias Lindström, Thomas Valkvae Olsen (heuer kurz bei den Bratislava Capitals) sowie Defender Erland Lesund.
Was bleibt da über? Eine Paradelinie, in der mit den Olimb-Brüder (Mathis ist auch schon 36) und Mats Rosseli Olsen die drei schnittigsten Offensivwaffen zusammengespannt sind. Dazu kommen mit Kristian Jakobsson und Mathias Trettenes noch zwei leichtfüßige Angreifer, Andreas Martinsen verfügt zwar über NHL-Erfahrung, gleichzeitig aber über wenig Torgefährlichkeit.
In der Abwehr ist durch die Abwesenheit von Holos und Espeland vor allem der PP-Point verwaist, Johannes Johannesen und Mattias Norstebo dürfen sich dort versuchen. Emil Lilleberg kann von sich behaupten, gedrafted (Arizona) worden zu sein und in der SHL zu spielen, ist aber ein reiner Defensivdefender. Christan Bull wurde erst nachträglich angemeldet und spielte bisher noch nicht – sein Hattrick vor drei Jahren bei Duell in Bratislava ist mir heute noch unerklärlich.
Einzig auf der Goalieposition dürfte sich Norwegen in den letzten Jahren stabilisiert haben, Henrik Haukeland bekam heuer bei Red Bull München gute Kritiken und spielt in Tampere auch jedes Spiel. Ganz überzeugen konnte er mich dabei aber nicht.
In beiden Spielen gegen die Briten und Lettland kam Norwegen sehr top-heavy daher, die Olimb-Linie war fast für die gesamte Offensive besorgt. So groß wie heuer – wenn man die bisherigen Leistungen heranzieht – war die Chance auf den ersten Sieg seit Säufer-Sotchi 2014 noch nie.
Österreich steht damit vor dem ersten Spiel bei dieser WM, wo eine eventuelle Niederlage nicht mehr mit dem Zusatz "ehrenvoll" versehen werden kann.