Österreich leckt nach den ersten beiden WM-Spielen in Kopenhagen seine Wunden. Das Eishockey-Nationalteam analysiert die "Schlacht" gegen die Schweiz und den (erwarteten) Untergang gegen Olympiasieger und WM-Allzeitgröße Russland.
Auch LAOLA1-Scout Bernd Freimüller blickt vor dem Duell der Österreicher gegen die Slowakei (Dienstag, ab 16:15 Uhr im LIVE-TICKER) noch einmal auf die ersten Auftritte der ÖEHV-Auswahl in Dänemark zurück.
Warum Baders Kader endgültig ist und Starkbaum weiter pausiert.
Ist der Punkt gegen die Schweiz Gold wert oder nicht?
Das werden wir wohl erst nach den Spielen gegen Frankreich oder Weißrussland wissen und wahrscheinlich spielt das auch dann nur eine Rolle, wenn diese Spiele ebenfalls in die Verlängerung gehen. Die positiven Aspekte beim Auftakt haben überwogen: Österreich hat nach einem 0:2 wieder ins Spiel zurückgefunden. Zudem hat die Mannschaft die Schlussphase trotz des Schweizer Drucks gut überstanden und Goalie Bernhard Starkbaum beeindruckte mit einer Leistung, die Mut für das weitere Turnier macht.
Ein Pyrrhus-Punkt?
Der Punkt war teuer erkauft: Bei Lukas Haudum besteht Hoffnung auf einen weiteren Turnier-Einsatz, er erlitt bei einem geblockten Schuss eine überaus schmerzhafte Fersenprellung. Viel schwerer erwischte es aber Defender Steven Strong: Beim Kniecheck von Sven Andrighetto wurden die Bänder in seinem Knie bedient, wenn es "nur" das Seitenband ist, wäre er noch gut davongekommen.
Andrighetto hatte Sekunden vor dem Brutalo-Foul knapp am Tor der Österreicher vorbeigeschossen. Das für ihn atypische Zweikampf-Verhalten danach, könnte durch Frust oder zumindest dem Verlangen nach sofortiger Puck-Rückeroberung gestundet gewesen sein.
Das Knie auszufahren, war eine Reaktion in Sekunden-Bruchteilen, leider die falsche. Der Ruf nach einer Klage ist natürlich genauso daneben wie die Mindest-Sperre von nur einem Spiel: Wenn ein Referee im Spiel schon eine Matchstrafe ausspricht und das Opfer schwer verletzt ist, schreit alleine das schon nach einer höheren Strafe.
Ungewohnte Aufstellungsmaßnahmen
ÖEHV-Teamchef Roger Bader hat nicht nur wegen seiner Schweizer Herkunft eine Linie, der er eigentlich immer treu bleibt. Doch schon bei der Vorbereitung zur WM musste er wie viele seiner Amtskollegen von seinen Grundsätzen abweichen. So stießen etwas Stefan Ulmer und Patrick Obrist erst in der letzten Vorbereitungswoche zum Team, Michael Raffl tauchte am Sonntag überhaupt erst während der WM im österreichischen Lager auf und steht nach lediglich einem Training im Lineup gegen die Slowakei.
Besondere Umstände erfordern eben besondere Maßnahmen und das galt auch für das Spiel gegen Russland.
Da zeigte sich, dass selbst ein möglicher Kader von 25 Mann (drei mehr als bei der B-WM) zu klein sein kann. Nach den Verletzungen von Haudum und Strong und vor der Raffl-Anmeldung war es nichts mit den "vier Triebwerken", wie Bader sie gerne propagiert und auch bei jedem Vorbereitungs-Spiel einsetzte. Lediglich elf Stürmer zu Beginn des Spiels, vier Flügelpaare bei drei Centern – ein derart ungewohnter Anblick, als ob Bader mit einem Luftballon in der Hand hinter der Bande gestanden wäre.
Patrick Peter rückte im Laufe des Spiels als Aushilfs-Stürmer nach vorne, aber das Ganze war dann Flickschusterei. Mit Verletzungen zu Turnier-Beginn hat der Teamchef schon seine leidvollen Erfahrungen – bei der WM 2017 fielen Layne Viveiros und Stefan Ulmer ebenfalls bereits früh im Turnier aus.
Acht Verteidiger und vier Sturmlinien gegen die Slowakei
Gegen die Slowakei sollten wieder acht Defender und vier komplette Sturmlinen auf dem Spielbericht stehen, allerdings bedeutet die Anmeldung von Michael Raffl schon jetzt den endgültigen WM-Kader.
Ohne der Strong-Verletzung wäre wahrscheinlich Alexander Cijan über kurz oder lang noch gemeldet worden, 14 Stürmer waren die angestrebte Variante. Jetzt muss aber Cijan gemeinsam mit Lukas Kainz die Reise nach Hause antreten.
Ein später Gast
Im IIHF-Regelbuch findet sich unter Regel 27 der folgende Satz: "Ein Team kann nie weniger als vier Spieler (ein Torhüter und drei Feldspieler) auf dem Eis haben."
Das hatte beim 3:2-Siegestreffer für die Schweiz aber keine Gültigkeit, lediglich drei Österreicher (Starkbaum schon eingerechnet) stemmten sich den Eidgenossen rund um Torschütze Enzo Corvi entgegen.
Was war passiert? Bei einem Schweizer Puckbesitz wechselte Österreich – eigentlich ein No-Go. Ein typischer Overtime-Wechsel bei 3-3 sieht so aus, dass sich der Spieler mit dem Puck hinter das eigene Tor zurückzieht, damit seine Kollegen (und oft auch der Gegner) wechseln können.
Stefan Ulmers Versuche, mit einem alleinigen Forecheck die Flut zurückzudrängen, funktionierte natürlich nicht, schon der für Dominique Heinrich hereinstürzende Mario Altmann versuchte mit einem Dive über die halbe Breite zu retten, was nicht mehr zu retten war. Alexander Rauchenwald - für Patrick Obrist gekommen - war überhaupt ein später Gast und tauchte erst auf, als der Gastgeber schon die Abwasch machte bzw. der Puck schon im Tor war. Bezeichnend: Die Spiel-Statistik weist für den Villacher auch gar keine Eiszeit in der Overtime auf…
David gegen Goliath
Wer vom Klasseunterschied gegen die Russen überrascht oder gar deprimiert war, kennt die Verhältnisse im internationalen Eishockey nicht.
"Drei Klassen Unterschied", konstatierte auch Bader und das war keineswegs anklagend oder resignierend gemeint. Die Verhältnisse in unserer WM-Gruppe ergeben drei bis vier Leistungsstufen: Russland, Schweden und (etwas abgesetzt vielleicht) Tschechien als Top-Nationen, dahinter die Schweiz und die Slowakei als Viertelfinal-Aspiranten. Nicht nur aufgrund des 2:0 stufe ich die Schweiz in diesem Vergleich aber über die Jahre als stärker ein als die immer mehr nach unten driftenden Slowaken.
Frankreich und Weißrussland würden auch stets eine "Best of seven"-Serie gegen Österreich gewinnen, Hoffnungen auf einen Sieg bestehen dennoch. Der Aufsteiger - egal ob Österreich, Südkorea oder andere Teams aus der mittlerweile einen Einheitsbrei bildenden B-Gruppe - ist halt schon seit Jahren der (krasse) Außenseiter in diesen Spielen.
Gut, dass Bader auch nach der Top-Leistung von Bernhard Starkbaum nicht von seinem Plan abrückte, gegen Russland David Madlener einzusetzen.
Bei einer Überbeanspruchung des Einser-Goalies zahlt man sonst die Zeche zu Turnierende. Daher erwarte ich auch nach Starkbaums Comeback gegen die Slowakei wieder Madlener im Tor gegen den nächsten Goliath aus Schweden…