Österreich hat das zweite Länderspiel-Doppel binnen fünf Tagen bei der Eishockey-Weltmeisterschaft in Finnland hinter sich gebracht.
Nach Schweden und die USA zum Start folgten Tschechien und Norwegen. Knüpfte das Nationalteam gegen den sechsfachen Weltmeister noch an die Top-Leistungen gegen die beiden Weltklasse-Nationen an und sorgte mit dem Sieg im Shootout für eine waschechte Sensation, war beim 3:5 gegen die Norsker schon eine gewisse Müdigkeit zu erkennen.
"Es ist für alle Beteiligten eine sehr intensive Zeit", sagt Teamchef Roger Bader am Tag nach der Pleite auf einer Pressekonferenz. Der Schweizer freut sich wie die ÖEHV-Cracks auf den freien Tag, denn vier Spiele in fünf Tagen "sind eine irrsinnige Belastung. Nicht nur für die Spieler, auch für den Staff und die Coaches, die viel Nacharbeit verrichten."
Belastung "würde sogar Top-Nation merken"
Nun gilt es, die Batterien für das dritte und letzte Doppel gegen Lettland und Finnland (beide Spiele am Freitag und Samstag im LIVE-Ticker >>>) aufzuladen. Denn die Akkus nähern sich dem Leerzustand, das straffe Programm geht sowohl an die körperliche als auch die mentale Substanz.
"Wir waren die einzige Mannschaft, die vier Spiele in fünf Tage hatten. Wir sind eine von zwei Mannschaften, die sieben Spiele in 10 Tagen haben", ist dem Schweizer der Spielplan ein Dorn im Auge.
"Wenn wir beispielsweise in der anderen Gruppe, die per se schon viel leichter ist, anstatt Frankreich wären, dann hätten wir sieben Spiele in zwölf Tagen. Das sind zwei zusätzliche freie Tage, das ist erheblich", hadert er. "Das würde sogar eine Top-Nation merken. Das ist schon ein sehr anspruchsvolles Programm."
ÖEHV-Team spürt ausgebrochene Euphorie
"Es ist angenehm, wenn etwas Euphorie ausbricht, weil wir gegen drei Top-Nationen so hervorragend gespielt haben. Das war außergewöhnlich."
Weitaus mehr begeistert ist der Schweizer, wenn er auf das Spiel gegen Tschechien zurückblickt, bei dem er mit der "Leistung sehr happy war."
Am Dienstag war kurz nach dem entscheidenden Penalty von Peter Schneider von diesem Gemütszustand noch nicht viel zu sehen, dafür war der Teamchef zu fokussiert. "Ich bin im Spiel in einer eigenen Welt, in einer Blase drin und im Flow."
Es machte ihn stolz, wie seine Spieler die taktischen Vorgaben umsetzten, in die Zweikämpfe gingen und das Spielglück "auf unsere Seite zwingen konnten. Das war natürlich ein sehr schönes Erlebnis", gibt Bader rückblickend zu, der noch einmal die "super Leistung" in den Vordergrund stellte.
Die in Österreich auch dementsprechend gewürdigt wurde, sogar Euphorie ausbrechen ließ. Und für die kommenden Aufgaben auch als Motivation herhalten soll.
"Die Spieler kriegen das mit, aber wir haben auch darüber gesprochen. Sie sollen sich in beide Richtungen nicht zu sehr beeinflussen lassen. Davon hat man nichts. Weder im einen, noch im anderen Fall", warnt Bader.
Die Aufbruchstimmung im Land lässt aber auch seine Augen aufleuchten: "Es ist angenehm, wenn etwas Euphorie ausbricht, weil wir gegen drei Top-Nationen so hervorragend gespielt haben. Das war außergewöhnlich."
Bader will Leistung gegen Norwegen nicht schlechtreden
Dem war in den vergangenen Jahren nämlich nur selten der Fall. Es mussten viele Enttäuschungen eingesteckt werden, insbesondere die Schmach von Bratislava bleibt unvergessen.
Doch die WM in Finnland ist keineswegs mit jener vor drei Jahren in der Slowakei zu vergleichen. Das Team ist gereift, die zahlreichen Neulinge haben sich perfekt eingebracht und die Routiniers spielen allesamt auf ihrem höchsten Level. Die Cracks wirken bis in die Haarspitzen motiviert, müssen den Strapazen aber langsam Tribut zollen.
Das war gegen Norwegen ersichtlich. Kopf und Beine wirkten müde, viele kleine Fehler wurden ins Spiel eingestreut. Und diese werden auf Top-Niveau eiskalt bestraft, wenngleich Bader versucht ist zu betonen, dass "die Leistung nicht so schlecht" war.
"Sehr harte" Matchstrafe gegen Wimmer
Der langjährige ÖEHV-Teamchef streicht die positiven Aspekte heraus, freut sich über eine dominante Leistung im letzten Spielabschnitt, die nur durch eine Matchstrafe gegen Philipp Wimmer wegen eines Checks gegen den Kopf von Norwegens Eirik Salsten getrübt wurde.
Eine Strafe, die Bader als "sehr hart" empfindet. Ob dem erst 20-Jährigen eine Sperre blüht, wird noch am heutigen Donnerstagabend entschieden. Jugendlichen Übermut sieht der 57-Jährige nicht als Motiv der Aktion. "Das wäre klischeehaft", meint er. "Er ist 1,95 Meter groß, da passieren manchmal solche Dinge."
"Sein Arm war im Gesicht des Gegners. Auf der anderen Seite kann er den Arm ja nicht auf den Rücken binden. Es wird auch behauptet, er sei abgesprungen. Das stimmt nicht. Wenn man in dem Moment, wo er Kontakt mit dem norwegischen Spieler hatte, ein Standbild ansieht, dann sind seine Füße auf dem Boden", erläutert Bader.
Erst durch die Wucht des Zusammenpralls würden "seine Füße in der Höhe" sein, so der Teamchef, der gespannt darauf wartet, "was das Strafmaß" für seinen Verteidiger ist. "Ich hoffe nicht allzu hoch, denn ich denke, er hat einen normalen Hit gemacht – eine Zwei-Minuten-Strafe hätte ausgereicht."
Torhüter-Frage gegen Lettland schon geklärt
Dennoch ist mit einer Sperre zu rechnen, die Bader dazu zwingen würde, im nächsten wichtigen Spiel am Freitag gegen Lettland (19:20 Uhr im LIVE-Ticker >>>) mehr als die geplanten Umstellungen im Line-Up vorzunehmen.
Sicher ist jedenfalls, dass Defender Erik Kirchschläger wieder ins Aufgebot rutscht, zudem wird Bernhard Starkbaum statt David Kickert das Tor gegen die Balten hüten.
Anders als die ÖEHV-Auswahl sind die Letten noch am Mittwochabend gegen Tschechien im Einsatz, dadurch könnte sich ein ähnlicher Vorteil ergeben, wie ihn Norwegen gegen Österreich hatte. Oder? "Wir werden sehen. Die lettischen Spieler kommen vorwiegend aus der KHL, sind große Belastungen und lange Reisen gewohnt", sagt Bader.
Bader warnt vor den Balten...
"Sie haben eine Ansammlung von guten Spielern aus der Schweiz, der KHL und auch der NHL", so Bader. Die langjährige A-Nation sei eine "hart zu knackende Nuss." Den letzten Sieg über die Balten gab es mit 6:3 bei der WM 2013 in Helsinki zu bejubeln. Im letzten Duell in Bratislava unterlag Österreich 2:5.
Lettland sei laut Bader ein Team, das gleich nach den Top-Mannschaften kommt. "Sie haben nie Angst um den Klassenerhalt, sind immer in der A-Gruppe. Es wird eine Top-Leistung brauchen, um das Spielglück auf unsere Seite zu zwingen und zu Punkten zu kommen."
Einen ähnlichen Start ins Spiel wie gegen Norwegen darf man sich nicht erlauben, das weiß auch der ÖEHV-Teamchef. Er hofft lieber darauf, dass die Mannschaft an die letzten 20 Minuten gegen die Skandinavier anknüpft.
...und gibt die Marschrichtung vor
Eine Änderung der Spielstrategie erwägt Bader nicht, denn man habe gegen die Norsker nichts anders gemacht, als gegen Schweden, die USA und Tschechien. "Die ist ziemlich gegnerunabhängig", ergänzt der Winterthurer.
Es gelte wieder "eine Leistung hinzukriegen, wie wir sie auch gegen die USA und Tschechien gezeigt haben, wenn wir gewinnen wollen." Ein Sieg wäre auch hinsichtlich der Abstiegsfrage wichtig, um es nicht auf das Entscheidungssspiel gegen Großbritannien ankommen zu lassen.
Trotzdem ist Lettland im zweiten Schlüsselspiel des ÖEHV klarer Favorit, die Underdog-Rolle liegt den Cracks augenscheinlich. Und vielleicht kam der Dämpfer zum richtigen Zeitpunkt, denn auch Roger Bader war klar, dass das Wunder gegen Tschechien mental etwas in den Spielern auslöste.
"Wenn man im Spiel drinnen ist, kommt instinktiv vielleicht auch der Eifer hervor. Nach den Top-Leistungen in den letzten drei Spielen will man sich vielleicht ein Dribbling oder einen Querpass mehr gönnen." Absicht wolle er seinen Akteuren natürlich keine unterstellen, viel mehr sei dies dem Instinkt geschuldet.
ÖEHV muss sich Klassenerhalt und "günstigeren Spielplan erkämpfen"
Die unglückliche Niederlage muss nun abgehakt, der Fokus voll auf Lettland gerichtet werden. Die Spieler bekamen am Donnerstag frei, es wird nur einzelne Gespräche geben. Um den Kopf frei zu bekommen, wurden den Cracks schon vor der WM "zwei, drei Tipps" für die kurzen Ruhephasen mitgegeben.
Auch der Teamchef gönnt sich eine kurze Pause, bevor es wieder an die Vorbereitung für die letzten Aufgaben der "Mission Klassenerhalt" geht. Und diese soll letzten Endes erfolgreich gestaltet werden, um mit solchen Belastungen in Zukunft auch umgehen zu können.
"Klarerweise spielt die Erfahrung eine Rolle. Wenn man diese hat, kann mit der Belastung besser umgegangen werden. Aber das lernt man nur, wenn man mit dabei ist. Ich hoffe, dass wir uns halten können, damit wir nächstes Jahr vielleicht einen günstigeren Spielplan und eine andere Gruppe haben. Aber das müssen wir uns zuerst erkämpfen.“