Auf Skiern, dem Board oder im Eiskanal – Österreichs Status als Wintersportnation bestätigt sich bei Olympischen Spielen auf viele Arten.
Am ebenen Eis ist es jedoch schon eine Weile her, dass es rot-weiß-rotes Edelmetall bei Olympia zu bejubeln gab: 1994 holte Emese Hunyady in Lillehammer Gold über 1.500m und Silber über 3.000m im Eisschnelllauf.
Dass diese lange Durststrecke ein Ende finden könnte, war noch vor wenigen Wochen eher nicht zu erwarten.
Dann brachte sich Vanessa Herzog mit drei EM-Medaillen und zwei Weltcup-Siegen binnen weniger Tage selbst auf den Schirm.
Zu jung für Hunyadys Goldene
Besagten Meilenstein von Hunyady hat die 22-Jährige altersbedingt nicht direkt mitbekommen, wurde sie doch erst eineinhalb Jahre später geboren.
"Als ich jung war, hat mir ihr Name nichts gesagt", gibt die mögliche Nachfolgerin gegenüber LAOLA1 offen zu.
"Aber als mir die Leute gesagt haben, dass sie vor fast 25 Jahren die letzte Österreicheirn war, die eine olympische Medaille in meiner Sportart gewinnen konnte und mich dann mit ihr vergleichen, ist das natürlich schon ein großer Ansporn und eine Ehre."
Geboren war die Innsbruckerin, Jahrgang 1995, freilich noch nicht, als Hunyady in Lillehammer zuschlug. Den Gold-Lauf über 1.500 Meter und den anschließenden Walzer habe sie später auf Video gesehen.
Im eigenen Erfolgsfall kopieren würde das Herzog aber nicht: "Das ist die Emese und ich bin die Vanessa."
Hunyady prophezeite Olympia-Medaille für 2018
Mittlerweile kennt man sich gut, und das nicht nur aus dem Fernsehen. Hunyady ist Trainerin des Schweizer Nachwuchses, in Inzell trifft man desöfteren aufeinander. "Da quatschen wir und sie gratuliert mir zu meinen Erfolgen", meint Herzog, deren Highlights sich in letzter Zeit häuften.
VIDEO - Der Olympia-Wordrap mit Vanessa Herzog:
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Und vor zwei Jahren prophezeite Hunyady Herzog, damals noch als Vanessa Bittner unterwegs, schon mögliche Medaillen-Chancen in Pyeongchang: "Sie hat eine gute Entwicklung und kann es schon bei den Spielen 2018 unter die ersten Drei schaffen!"
Ob sie mit dieser Prognose richtig lag, wird allerdings in der (Teil-)Verantwortung eines anderen liegen: Herzogs Ehemann Thomas, der seit Jahresbeginn 2017 das Coaching der 22-Jährigen übernommen hat – und dessen Einsatz zur Initialzündung für den rasanten Aufstieg der Eisschnellläuferin gesorgt hat.
Thomas: Ehemann und Coach
"Meine letzte Saison war bescheiden. Danach hat mein Mann das Training übernommen, wir haben bei null begonnen und haben alles noch einmal analysiert", berichtet Herzog, die zuvor den Versuch einer Trainingsbasis in den Niederlanden wegen zu großer methodischer Differenzen beendete.
Seither bildet sie mit Ehemann Thomas Herzog ein Zweier-Team. Durch die Beziehung zum Trainer kommt es naturgemäß auch zu Konflikten. "Im Sport sind so viele Emotionen dabei. Wenn ich einmal eine Runde schlechter fahre, dann lasse ich das an ihm aus. Aber er verzeiht mir das gleich. Es passt einfach alles, es ist perfekt."
Das erste gemeinsame Großereignis, die Sprint-EM, war für sie trotz Rang acht eine Enttäuschung. "Dann hat Thomas gesagt, jetzt gehen wir in Kärnten auf Seen eislaufen, ich soll das Eislaufen einfach genießen. Und seither ist es nur noch bergauf gegangen", so Herzog.
Fünf entscheidende Zentimeter
Vor allem im Bereich der Technik und Ausdauer habe man im Sommer gearbeitet. Das entscheidende Zünglein fand man erst zu Weihnachten.
"Da haben wir die Technik noch einmal verfeinert, die Position vertieft, damit ich mich mehr zur Seite abdrücken kann. Ich bin nun vier, fünf Zentimeter tiefer, der Kniewinkel ist ungefähr bei 90 Grad. Das ist kräftezehrender. Man muss da die Kraft haben und auch die Ausdauer, das tausend Meter durchzuhalten. Aber ich glaube, das war der perfekte Mix", beschreibt Herzog.
Es folgten: Der EM-Titel über 500 und Silber über 1.000 Meter, dazu Bronze im Massenstart – und in Erfurt schließlich über 500 und 1.000m auch die ersten beiden Weltcup-Siege. Erfolge, die der Umstellung recht geben.
"Jetzt müssen sich die anderen anstrengen..."
Auch in Sachen Olympia ist Herzog nicht unerfahren, vor vier Jahren in Sotchi durfte sie das erste Mal die Luft dieses Großereignisses atmen. "Damals war ich noch überwältigt, wie groß das alles ist. Jetzt kenne ich das schon."
Dass es diesmal auch um etwas gehen könnte, lässt die Eisschnellläuferin kalt.
"Ich merke natürlich, dass ich jetzt mehr Aufmerksamkeit bekomme. Aber Druck ist das genaue Gegenteil. Meine Saison ist schon gut", lächelt sie.
"Aber ich trainiere nicht jeden Tag so hart und will dann keine Medaille machen. Ich kann jetzt am Start stehen und denken, ich bin diejenige, die zu schlagen ist. Jetzt müssen sich die anderen anstrengen, dass sie mich putzen."
"Vanessa-Eis" in Pyeongchang
Die Bedingungen in Pyeongchang kommen der Tirolerin sehr entgegen: "Extrem dünn und hart, richtiges Vanessa-Eis", so Coach Thomas.
Mit 1,75 Metern hat Herzog nämlich Größen- und Gewichtsnachteile gegenüber der asiatischen Konkurrenz, und höheres Körpergewicht würde bei weicherem Eis zu tieferem Eindringen in selbiges führen, was verlangsamt.
So gut die Bedingungen, so schlecht die letzten Tage vor Olympia: Denn die 22-Jährige plagte sich schon vor der Anreise, die sie als erste ÖOC-Athletin überhaupt vornahm, mit einer schweren Grippe.
Über ein Antreten über 1.500 Meter, dem ersten Rennen am 12. Februar, wird daher kurzfristig entschieden. Herzogs Spezial-Distanzen folgen am 14. (1.000m) und 18. Februar (500m), der Massenstart steigt am 24. Februar.
Im Eisschnelllauf ein Küken
Und wenn es diesmal nichts mit Edelmetall wird, ist Herzogs Aufstieg zumindest ein Versprechen an die Zukunft. Vom Leistungszenit ist sie mit 22 Jahren noch weit entfernt.
"Der Peak ist mit 27, 28. Also habe ich noch drei olympische Spiele vor mir. Natürlich möchte ich einmal ganz oben stehen – vielleicht nicht jetzt, vielleicht auch nicht in vier, aber in acht Jahren. Das wäre ein großes Ziel."
Und wer weiß – vielleicht wird Olympia 2026 sogar zu einem Heimspiel. Nicht in Herzogs Heimatstadt Innsbruck, aber in Graz und Schladming.