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Über Annas Selbstzweifel und Kiras Optimismus

Veith und Grünberg gibt es auch in Buchform. LAOLA1 sprach mit Autor Manfred Behr.

Über Annas Selbstzweifel und Kiras Optimismus

Der profilierte niederösterreichische Sport-Journalist Manfred Behr ist 2016 unter die Buchautoren gegangen. Dem Bestseller "Mein Sprung in ein neues Leben" lässt der 45-Jährige die Biografie von Ski-Star Anna Veith mit dem Titel "Zwischenzeit" folgen.

Im LAOLA1-Interview gibt Manfred Behr Einblicke in die Zusammenarbeit mit Anna und Kira, die ein "Meet & Greet" anbietet. Wer noch vor Weihnachten unter bestellen_kira@edition-a.at ein Buch ordert, nimmt an einem Gewinnspiel für ein Treffen teil.

LAOLA1: Welches Buch-Projekt war letztendlich schwieriger zu verwirklichen?

Manfred Behr: Jenes von Anna Veith. Unser Anspruch war selbstverständlich, von der Wahrheit keinen Millimeter abzurücken und auch vielerlei Interessen zu berücksichtigen. Die von Anna, die ihres Umfeldes und die des Skiverbandes. Um diesen Spagat hinzukriegen, war mehr Behutsamkeit gefragt als etwa in dem Projekt mit Kira, die aufgrund ihrer Lebenssituation nicht mehr so viele Interessenslagen zu vereinen hat. Die größte Herausforderung bei Annas Buch war natürlich, den Streit mit dem ÖSV glaubwürdig darzulegen, die Beweggründe für ihr Handeln herauszuarbeiten, neue Aspekte aufzuzeigen und dennoch keine alten Wunden aufzureißen. Das war die große Kunst. Man muss hinzufügen, dass Annas Buch nie als Abrechnung konzipiert war, sondern als Akt der Reflexion, im Rahmen dessen sie sich mitunter auch sehr selbstkritisch betrachtet. Es gibt viele Details, die Anna subjektiv so wahrgenommen hat bzw. sich darauf verlassen hat, was andere ihr gesagt haben. Es lässt sich schwer verifizieren, ob die Informationen, die das Umfeld ihr gab, auch immer der Wahrheit entsprochen haben. Deswegen war es mitunter schwierig zu sagen, ihre Wahrheit ist auch die einzig zulässige.

LAOLA1: Waren beide Sportlerinnen von Beginn an völlig offen und ehrlich zu dir, oder ist das Vertrauen erst während der Gespräche gewachsen?

Behr: In beiden Fällen war die Vertrauensbasis sofort vorhanden, weil ich sowohl mit Anna als auch mit Kira heuer bereits umfassende Interviews für journalistische Projekte geführt hatte. Ich war für beide somit kein unbeschriebenes Blatt. Für Anna sowieso nicht. Wir haben uns zwar erst im Jänner 2016 kennengelernt, haben aber eine gemeinsame Geschichte. Seit Mai 2015, als ich dieses ominöse Mail exklusiv zugespielt bekam, dessen Veröffentlichung das vielzitierte Sommertheater auslöste. Ich war damals inhaltlich auf Annas Seite. Insofern gab es bereits eine Vertrauensbasis. Anna hat beim ersten Treffen gleich betont, dass das Buch nur gut werden kann, wenn sie von Beginn weg offen und ehrlich über alles spricht. So hat sie das dann auch gehandhabt. Ich habe nie den Eindruck gewonnen, dass sie irgendwelche Themen ausspart, dass sie ablenkt oder oberflächliche Antworten gibt. Sie hat sich auf dieses Projekt hundertprozentig eingelassen und auch nie mit der Wimper gezuckt, als sich herauskristallisierte, dass die Interviews den vereinbarten Zeitrahmen sprengen. Am Ende waren es 58 Stunden.

LAOLA1: Als Journalist hast du mit beiden Sportlerinnen lang und intensiv gesprochen. Gab es als Buchautor dann doch viele Dinge, die für dich neu oder überraschend waren?

Behr: Definitiv. Als Ski-Journalist ist man sich gar nicht mehr bewusst, mit welchen Selbstzweifeln Spitzen-Läuferinnen oft an ein Rennen herangehen. Wie sie bei schwierigen Bedingungen vor einem Rennen sehr oft Bedenken haben, ob sie das schaffen, gesund den Berg runterkommen und das Rennen überstehen. Das ist einem Berichterstatter, der lange Zeit hautnah dabei ist, nicht mehr bewusst, das zieht man eigentlich gar nicht mehr in Betracht. Man sieht die Top-Fahrerinnen relativ souverän den Berg herunterrasen, dass das aber im Vorhinein alles keine gemähte Wies‘n sind, zieht man gar nicht ins Kalkül. Von daher war das durchaus erhellend, in die Gedankenwelt der Anna Veith einzutauchen.

LAOLA1: Was war bei Kira Grünberg das Auffälligste?

Behr: Viele Menschen hegen ja gewisse Zweifel, ob sie Kira die Lockerheit und Gelassenheit, die sie nach dem Unfall nach außen hin ausstrahlt, abnehmen können. Da war ich natürlich neugierig, wie sich das dann bei 30 Interviewstunden darstellt, wo man sämtliche Themen, beginnend vom Unfall bis zur Rehabilitation durcharbeitet. Und auch die schwierigeren Momente in der Reha ausführlich bespricht. Da war ich schon neugierig, wie sie wirklich ist. Meine Conclusio ist: Da ist nichts gespielt. Kira hat sich nicht geschont, hat alle Themen detailreich geschildert. Wenn sie in 30 Stunden zwei- oder dreimal kurze Sequenzen gehabt hat, wo sie kurz geschluckt hat, oder einmal kurz feuchte Augen bekommen hat, dann ist das schon viel. Man hat immer gemerkt, dass sie mit sich sehr im Reinen ist und den Unfall verarbeitet hat. Ich bin jedenfalls sehr ermutigt aus den Gesprächen rausgegangen. Sie strahlt Optimismus aus und man nimmt ihr ab, dass sie einen Plan für ihr Leben hat, einen Plan, wie sie glücklich werden oder eigentlich bleiben kann.

LAOLA1: Hast du Vater Frithjof Grünberg, selbst ein ehemaliger Stabhochspringer, in einer neuen Rolle kennengelernt?

Behr: Zunächst muss man wissen, dass der Vater unter der ganzen Situation, wie sie sich am Ende ergeben hat, am meisten gelitten hat in der Familie. Ich hatte mit ihm einige längere One-to-One-Gespräche und habe diesen Spirit gespürt, den man haben muss, wenn man als Österreicher im Sommersport Erfolge von internationaler Tragweite anpeilt. Genau so muss man ticken, genauso muss man arbeiten, um Erfolg zu haben. Diese Kombination Vater-Tochter hat als Zelle perfekt funktioniert. Das sind zwei absolute Maniacs, die das Beste herausholen, die jede Sekunde ihres Lebens den sportlichen Zielen untergeordnet haben.

LAOLA1: Vergleichbar mit Marcel Hirscher und dessen Vater Ferdinand…

Behr: Mit Sicherheit! Man braucht sich ja nur anschauen, wie viele Experten Frithjof Grünberg im Laufe der Jahre abgeklappert hat, um aus denen Knowhow abzusaugen, mit seiner eigenen Erfahrung zu verquicken und zum Wohle seiner Tochter einzusetzen. Genau so hat er das auch nach dem Unfall gemacht. Er hat sich nicht mit irgendeiner Ärzte-Meinung zufrieden gegeben. So macht man das, das ist State of the Art, fertig. Er hat sich von diversen Kapazundern im Bereich der Querschnittlähmung fünf, sieben oder zehn Meinungen eingeholt. Er ist mit dem Leibarzt des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Tito, Dr. Milan Dimitrijevic, jetzt Universitätsprofessor in Houston/Texas, in engem Austausch. Diese Experten haben natürlich eine Expertise, die über das hinausgeht, was in einer österreichischen Reha-Anstalt als Standardprogramm abgespult wird. Diese Expertise erlaubt halt, gewisse Hoffnungen zu haben, dass Kira mit ihrer hohen Querschnittlähmung weiter kommt als normale Patienten. Die Grünbergs geben keine Ruhe, sie wollen nicht rasten und alle Fortschritte erreichen, die nur irgendwie möglich sind. Völlig egal, welche finanziellen Opfer dafür zu bringen sind.

LAOLA1: Die Bücher sind seit einiger Zeit auf dem Markt. Wie war und ist das Feedback von Kira und Anna?

Behr: Bei Kira war es so, dass wir einige Effekte erzielt haben, die vielleicht so nicht vorhersehbar waren. So durfte sie ihre zweite Reha nicht in Bad Häring durchführen, da sie im Buch auch kritische Worte verloren hat. Sie und ihr Umfeld haben ja Monate streiten müssen, bis sie die Schwerpunkte in der Therapie so legen durften, dass langfristig die beste Aussicht auf substanzielle Fortschritte bestehen. Ich habe sie darauf angesprochen, ob sie diese schonungslose Analyse bereut und bekam als Antwort, dass sie nie ein bequemer Mensch war und sie sicher nie etwas der heiligen Ruhe wegen unter den Teppich kehren wird. Das sei einfach nicht ihre Art. Es war ihr ein Anliegen, dass das so auch im Buch rauskommt. Anna Veith wiederum meinte am Abend vor der Buchpräsentation: "Manfred, ich glaube, dass wir auf dieses Buch sehr stolz sein können." Glaube ich auch, aber es war auch harte Arbeit. Anna war Authentizität sehr wichtig, auch in der Sprache. Oft haben wir um einzelne Formulierungen gerungen. Das kam für mich schon überraschend, dass sich eine Athletin in ein ihr völlig unbekanntes Metier mit so viel Hingabe einlässt. Diese Akribie, dieses Nicht-Locker-Lassen ist ein Teil ihrer Persönlichkeit. Und ein Hauptgrund, warum sie zu dieser Ausnahme-Athletin gereift ist.

LAOLA1: Kiras Buch ist in Deutschland ein Renner. Wie verkaufen sich die Bücher?

Behr: Bei Kiras Buch ging das von Beginn an in diese Richtung, weil sie nach ihr Unfall international für viel Aufsehen gesorgt hatte und dieses Interesse nie abgeebbt ist, sie in Deutschland zu allen möglichen Talk-Shows eingeladen worden ist. Da sieht es eher sogar danach aus, als würde das Buch noch weitere Kreise ziehen und demnächst Übersetzungen für den spanischen und englischen Sprachraum dazukommen. Da Kira Zuspruch aus aller Herren Ländern bekommt und ihr Schicksal ja weltweit von Indonesien bis Ecuador bewegt. Annas Buch zielt hingegen klar auf die Gruppe der Ski- und Anna-Veith-Fans ab. Aus dem süddeutschen Raum, aus der Schweiz und aus Südtirol gibt es sehr viele Anfragen. Wir mussten diesbezüglich unseren Webshop umgestalten und bezüglich Porto etc. auch für das benachbarte Ausland mitdenken. Trotz allem ist das Kernvertriebsgebiet Österreich. Wobei unser kleines Team, Anna, ihr Manager, der Verleger und ich innovative Wege beschritten haben. Ein Drittel der Auflage wird über den Buchhandel, ein weiteres Drittel in allen Euro- und Interspar-Filialen und das dritte Drittel über Annas Webshop (www.anna-veith.com, Anm.) vertrieben. Wer dort bestellt, erhält Bonus-Fotomaterial, exklusive Essays und noch vieles mehr, um Anna dauerhaft nah sein zu können.

LAOLA1: Ist das nächste Buch bereits in der Pipeline?

Behr: Ich habe zwei, drei Buchthemen im Kopf, ohne heute mit Bestimmtheit sagen zu können, dass sich auch nur eines davon realisieren lässt. Klar ist aber auch, der Journalismus wird immer mein wichtigstes Standbein bleiben. Mal sehen, was die Zukunft an spannenden Projekten bringt.

Das Gespräch führte Peter Rietzler

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