Nervenzerreißend, dramatisch, emotional.
Was sich bei der allerletzten Abfahrt der Frauen beim Saison-Finale 2023/24 in Saalbach-Hinterglemm im März abspielte, war fast hollywood-reif. Die Hauptdarstellerin: Cornelia Hütter.
Die Steirerin schnappte Lara Gut-Behrami im finalen Rennen, das an Spannung kaum zu überbieten war, noch die kleine Kristallkugel weg – und feierte neben WM-Bronze im Super-G 2023 einen, wenn nicht sogar den größten Erfolg ihrer bisherigen Karriere. "Ein Wintermärchen", titelte damals ein Medium.
Der unerwartete Kristall-Erfolg ist der bodenständigen 32-Jährigen zwar nicht zu Kopf gestiegen, bescherte Hütter aber schlaflose Nächte.
"Ich habe zwei Wochen mit mir selber und meinen Gedanken gekämpft, weil das alles so überwältigend war. Ich habe es fast nicht mehr aus dem Kopf gebracht, habe nicht schlafen können und war aufgewühlt. Ich habe mir gedacht: Das soll jetzt endlich aus meinem Kopf raus", schildert Hütter die Zeit nach dem Weltcup-Finale.
Kugel? "Ich habe nichts zu verteidigen"
Das Erreichte zu verarbeiten, fiel nicht leicht. Das gelang erst im Urlaub in Dubai. "Dort hat mich keine Menschenseele gekannt und mich keiner aufs Skifahren angeredet. Dort konnte ich abschalten."
Die Zeiger wurden wieder auf null gestellt. Die Saison-Vorbereitung lief nach Plan, am kommenden Wochenende fällt in Beaver Creek der Startschuss in die neue Speed-Saison.
"Ich weiß, was da letztes Jahr passiert ist, aber das ändert jetzt nichts für die neue Saison", stellt Hütter trotz Kristallkugel im Schrank klar. "Ich habe nichts zu verteidigen in der Abfahrt. Diese Kugel gehört mir, das war ein Kindheitstraum von mir. Ich habe eine gewonnen, jetzt kämpfe ich um die nächste."
Das tut Hütter mittlerweile mit einem ausgewogenen Maß an Risiko und Gelassenheit. Die von Verletzungen geplagte 32-Jährige hat ihr Gesamtpaket gefunden, wie sie sagt.
"Ich habe nach meiner Verletzungsserie gedacht: Wenn du jedes Mal fährst, bis du anstehst, dann fährst du nicht mehr oft", erzählt Hütter. Dass es eine andere Herangehensweise braucht, "habe ich mir schmerzhaft erlernen müssen".
Nur noch 50 Prozent "Conny Karacho"
Ihr Spitzname "Conny Karacho" kam nicht von ungefähr. "Die ist schon noch in mir. Aber es sind 50 Prozent alte und 50 Prozent neue Conny", sagt Hütter.
Die "neue" Conny spielt ihre Erfahrungen aus 13 Jahren im Weltcup gekonnt aus. "Wenn du mit 130 km/h fährst, musst du das Gelände lesen, so kannst du mit den Fliehkräften besser spielen. Das habe ich in den vergangenen Jahren sicher gelernt."
Sie kann das Risiko mittlerweile besser managen, meint die Steirerin, dazu kommen Gelassenheit und die richtige Linienfindung. "Das Gesamtpaket kommt mit dem Alter daher", sagt die 32-Jährige.
139 Weltcup-Rennen hat Hütter bisher bestritten. In der Abfahrt stand sie 15 Mal auf dem Podest, aber nur zwei Mal ganz oben. Im Super-G stehen 13 Podestplätze, davon vier Siege, zu Buche.
Beide Kugeln im Visier
In der Heim-WM-Saison soll diese Statistik aufpoliert werden. Neben Edelmetall in Saalbach-Hinterglemm jagt Hütter dem nächsten Kristall nach.
"Ich habe es letztes Jahr auch schon in beiden Disziplinen versucht. Ich habe geglaubt, im Super-G würde es etwas leichter sein, aber am Ende ist es die Abfahrt geworden. Man weiß es vorher nie. Ich werde es vom ersten Rennen an probieren, dann werden wir sehen."
Diesmal vielleicht etwas weniger nervenzerreißend und dramatisch.