Christine Scheyer feierte bei der Abfahrt in Zauchensee ihren ersten Weltcupsieg.
Damit überraschte die 22-Jährige nicht nur die Konkurrenz, sondern auch sich selbst. "Das Komische war: Im Rennen bin ich mir gar nicht so schnell vorgekommen", hat die Vorarlbergerin nach ihrem Triumph gut lachen.
Ihren Premierensieg erklärt sie sich selbst so: "Wir haben in den letzten Wochen gut trainiert und ich habe wieder einen Schritt nach vorne gemacht. Heute habe ich einfach die Skier laufen lassen."
"Es ist ein Wahnsinn und im Moment noch schwer zu beschreiben. Schön langsam sickert es."
Das schafften nicht einmal Moser-Pröll oder Vonn
Für den Großteil der Ski-Fans ist die Überraschungssiegerin noch ein unbeschriebenes Blatt. Was verständlich ist, denn es war erst Scheyers vierte Weltcup-Abfahrt, insgesamt überhaupt erst ihr zwölfter Start im Weltcup.
Umso beeindruckender ist der erste Sieg der in Götzis geborenen Dame. So schnell wie bei ihr ging es in der Abfahrt nicht einmal bei den ganz Großen dieser Disziplin. Zum Vergleich: Lindsey Vonn feierte ihren ersten Erfolg in der 18. Weltcup-Abfahrt, "Speed Queen" Renate Götschl brauchte gar 23 Abfahrten für ihren ersten 100er.
Selbst Annemarie Moser-Pröll, die einst wie ein Komet einschlug, brauchte etwas mehr "Anlaufzeit" und triumphierte in ihrem achten Abfahrts-Start.
Kopf aus und los
Doch wer ist diese Christine Scheyer überhaupt? Sie kommt aus einem "Sechsmäderlhaus". Neben ihrer Mutter hat die "Gsibergerin" aus dem Zehnkampf-Mekka Götzis gleich vier Schwestern daheim, die jüngste ist sechs Jahre alt. Christine ist die älteste Tochter und damit so etwas wie die "Aufpasserin".
Skifahrerisch "vorbelastet" ist sie nicht. Ihr Vater ist aber Geschäftsführer jener Firma, die bei der Tochter als Kopfsponsor auftritt. Wo genau das Talent her ist, ist bei der Head-Pilotin weniger das Thema. Denn sie gilt zwar als Gefühlsfahrerin, aber auch als harte Arbeiterin.
"Im Rennen schalte ich den Kopf aus. Zu viel Denken ist nicht schnell", erklärt sie mit einem Schmunzeln.
Verletzungen verzögerten Durchbruch
Mit 22 Jahren gehört Scheyer nicht mehr zu den absoluten Küken im Team. Warum gelang ihr nicht schon früher der Durchbruch?
Die Antwort: Zwei schwere Verletzungen warfen die Vorarlbergerin immer wieder zurück. Man hätte wohl schon früher von Scheyer gehört, wenn ihr die Blessuren nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätten. In jüngeren Jahren zeigte sie starke Ansätze und dominierte - damals noch vorrangig in Slalom und Riesentorlauf - fast nach Belieben, 2012/13 konnte sie gleich sieben FIS-Rennen für sich entscheiden und holte 15 Podestplätze.
Zur Belohnung wurde sie in den ÖSV-Kader aufgenommen und durfte im Sommer 2013 mit ins Trainingslager nach Neuseeland. Dort soll sie alle mit starken Leistungen beeindruckt haben, der Durchbruch stand knapp bevor. Doch dann die Hiobsbotschaft: Kreuzbandriss im rechten Knie.
Alles Schlechte hat auch etwas Gutes
Scheyer kämpfte sich nach einem Jahr Reha zurück, nach guten Leistungen im Europacup feierte sie am 12. Dezember 2014 im Riesenslalom von Are ihr Weltcup-Debüt. Nur kurz später (Jänner 2015) zog sie sich eineinhalb Jahre nach ihrer ersten schweren Verletzung die nächste zu, diesmal riss das Kreuzband im linken Knie.
Aufgeben kam dennoch nicht in Frage. Obwohl sie zugibt: "Das waren schon zwei Rückschläge, ich war lange außer Gefecht." Wie so oft hatte alles Schlechte auch etwas Gutes. Nach ihrem zweiten Kreuzbandriss stieg Scheyer endgültig auf die langen Latten um und widmete sich dem Speed-Bereich.
Letztes Jahr klappte dies bei FIS-Rennen und im Europacup schon gut, weshalb sie in dieser Saison ihre Chance im Weltcup erhielt. Und die hat sie eindrucksvoll genutzt. In Lake Louise konnte sie in allen drei Rennen punkten, ebenso in Val d’Isere, wo sie mit Rang neun in der Abfahrt erstmals in ihrer jungen Karriere in die Top 10 raste.
Die vorläufige Krönung folgte nun in Zauchensee. Vielleicht ja der Beginn einer ganz großen Karriere.