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Knauß schlägt Alarm: "Es zerbröselt uns die Leute weg"

Die Abfahrt hat aktuell Hochsaison - Verletzungen leider auch. Hans Knauß will den Speed-Sport einbremsen, weiß aber: "Die Athleten werden uns dafür hassen."

Knauß schlägt Alarm: Foto: © GEPA/getty

Bormio, Wengen, Kitzbühel – Speed-Fanatiker erleben aktuell die besten Wochen des Jahres.

Außer, man landet im Krankenhaus. Das Abfahrts-Wochenende in Bormio Ende Dezember forderte gleich vier Schwerverletzte.

Cyprien Sarrazin – Hirnblutung.

Pietro Zazzi – Schien- und Wadenbeinbruch.

Josua Mettler – Kreuzbandrisse in beiden Knien.

Gino Caviezel – Komplexe Knieverletzung und ausgekugelte Schulter.

Die Ski-Welt hält den Atem an und diskutiert über die Sicherheit, wieder mal. Es ist ein Spiegelbild des Vorjahres, als sich unter anderem Aleksander Aamodt Kilde, Sofia Goggia, Marco Schwarz oder Alexis Pinturault schwer verletzten. 

"Es ist gestört. Es zerbröselt uns die Leute weg. Das ist nur noch verrückt", schlägt Hans Knauß Alarm.

"Der Sport muss eingebremst werden"

Der ehemalige Ski-Star und nunmehrige Experte sieht den Abfahrts-Sport an seinem Limit angekommen.

"Der Speed-Sport ist zu gefährlich geworden. Wir müssen schleunigst etwas ändern, sonst gehen uns die Athleten aus", spricht Knauß warnende Worte.

"Wenn wir die Formel 1 wären, hätten sie vor zehn Jahren schon reagiert. Dort kostet es Millionen und bei uns im Vergleich einen Pappenstiel, aber der Skisport tut nichts."

Hans Knauß

Verletzungen gehören im Skisport dazu und werden nie ganz verhindert werden können, das weiß auch der Gewinner von sieben Weltcuprennen. "Aber dass jetzt schon während dem Fahren die Kreuzbänder reißen", wie etwa bei Marcel Hirscher, sei ein Zeichen dafür, dass etwas falsch läuft.

Die Entwicklungen in den Speed-Disziplinen der vergangenen Jahre haben sich zu einer für die Läufer teilweise lebensgefährlichen Mixtur zusammengebraut.

Die Sportler sind kräftiger, athletischer als je zuvor. Die Präparierung der Skier wird bis zum Maximum an "Aggressivität" ausgereizt. Erfindungen wie die umstrittene "Karbonsocke" sollen den Athleten helfen, auch noch die letzten Hundertstelsekunden herauszuquetschen.

"Es wurde auf die Spitze getrieben", findet Knauß und fordert: "Der Sport muss eingebremst werden."

"Die letzte große Regeländerung in der Abfahrt war 2012"

Der Kitzbühel-Sieger von 1999 spricht sich deutlich für eine Regeländerung in den Speed-Disziplinen aus. "Ich glaube, es hat 2012 das letzte Mal eine große Regeländerung in der Abfahrt gegeben. Wenn wir die Formel 1 wären, hätten sie vor zehn Jahren schon reagiert. Dort kostet es Millionen und bei uns im Vergleich einen Pappenstiel, aber der Skisport tut nichts."

Schutz-Systeme wie der in dieser Saison eingeführte, (nicht ganz) verpflichtende Airbag oder die schon länger diskutierte schnittfeste Unterwäsche helfen zwar, Verletzungen abzumildern, die Frage ist aber: Warum kommt es überhaupt zu so vielen, schweren Stürzen?

Die FIS-Renndirektoren rund um Markus Waldner würden einen guten Job machen, was die Präparierung der Pisten betrifft, meint Knauß. Angefangen von den Rennanzügen bis hin zu den Skiern gäbe es aber viele Ansätze für Änderungen. Knauß selbst hat sich schon mit Ideen an die FIS gewandt.

"Es schaut so aus, als ob das keinen interessiert"

Der Ski-Weltverband ist generell nicht gerade für seine Reformfreudigkeit bekannt. Die FIS-Mühlen mahlen in der Regel sehr langsam, wenn es nicht gerade um persönliche Befindlichkeiten von Präsident Johan Eliasch geht.

"Wichtiger als jede Zentralvermarktung ist, dass wir den Sport wieder sicherer machen", sagt Knauß im Hinblick auf die FIS. "Aber es schaut so aus, als ob das keinen interessiert."

"Es werden zig Leute dafür bezahlt, dass die Sportler immer schneller werden. Dass wir die Speed-Disziplinen einbremsen müssen, hat die obere Etage der FIS nicht kapiert."

"Die Athleten werden uns dafür hassen, wenn wir Regeln machen, die dieses Gefühl minimieren. Aber die Zuschauer werden das nicht einmal merken."

Hans Knauß

Der Steirer wünscht sich ein Experten-Team aus Mitgliedern der FIS, Skifirmen, Veranstaltern und Athleten-Vertretern.

"Die Athleten werden uns dafür hassen..."

Ob letztere damit einverstanden sind, dass ihr Sport eingebremst werden soll, darf bezweifelt werden. Das ist gegen die Natur eines Rennfahrers.

Das kann auch Knauß nachvollziehen. "Es ist das beste Gefühl, wenn du alles auf der Kante ziehen kannst. Die Fliehkräfte, die du als Abfahrer erlebst – das ist geil."

"Die Athleten werden uns dafür hassen, wenn wir Regeln machen, die dieses Gefühl minimieren", ist sich der Olympia-Silberne im Super-G von 1998 bewusst. "Aber die Zuschauer werden das nicht einmal merken."

Regeländerungen müssen nicht zwingend mit weniger Spektakel einhergehen, glaubt Knauß. "Der Sport bleibt geil, auch wenn man es ein bisschen einbremst."

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