Ob im Bikini oder Wonder-Woman-Kostum auf den Skiern - Julia Mancuso war jahrelang eine der schillerndsten und außergewöhnlichsten Stars im Ski-Weltcup.
Im Jänner 2018 beendete die US-Amerikanerin nach einer langen Leidenszeit ihre Weltcup-Karriere, seit Mai lebt die 34-Jährige mit einer künstlichen Hüfte.
"Die letzten beiden Jahre waren sehr schwer. Ich hatte viele Schmerzen, konnte nicht mehr auf dem Level fahren, auf dem ich gerne wollte. Ich dachte, es würde besser werden, aber irgendwann ist die Zeit abgelaufen und ich musste die Entscheidung treffen", sagt Mancuso.
LAOLA1 traf Mancuso in Wien, wo sie mit dem Filmfestival "Shades of Winter" Station machte, zum Gespräch. Im Interview erklärt der Ex-Ski-Star, warum sie sich ein anderes Karriere-Ende gewünscht hätte, wo Mikaela Shiffrin noch besser werden kann und warum sie am Rücktritt von Lindsey Vonn zweifelt.
LAOLA1: Die wichtigste Frage: Wie geht es dir?
Julia Mancuso: Es geht mir gut – endlich. Es hat lange gedauert, dass ich das sagen kann. Ich habe im Mai eine neue Hüfte bekommen, alles ist gut verlaufen. Ich fühle mich wie ein neuer Mensch - viel jünger (grinst). Aber ich hatte eine sehr harte Zeit, konnte zeitweise nicht einmal ohne Schmerzen gehen. Jetzt geht es mir wieder gut und ich habe viel Energie.
LAOLA1: Wie ist dein "neues" Leben nach dem Rücktritt als Skirennläuferin?
Mancuso: Viel entspannter! Aber ich vermisse den Weltcup auch. Wir haben schon darüber gesprochen, dass ich zurückkomme, weil es mir wieder so gut geht (lacht). Ich liebe es, den Girls bei den Rennen zuzuschauen, es versetzt mich in meine aktive Zeit zurück.
LAOLA1: Was vermisst du am Skizirkus am meisten?
Mancuso: Den Thrill des Rennfahrens, auf all diesen außergewöhnlichen Strecken an sein Limit zu gehen. Ich hätte mir wirklich gewünscht, in meinen letzten Jahren im Weltcup noch gut in Form zu sein, um meine Karriere so zu beenden, wie ich es mir gewünscht hätte. Aber Verletzungen passieren und ich habe viel daraus gelernt. Es hat mich viel Anstrengung gekostet, die letzten beiden Jahre waren sehr schwer. Ich hatte viele Schmerzen, konnte nicht mehr auf dem Level fahren, auf dem ich gerne wollte. Ich dachte, es würde besser werden, aber irgendwann ist die Zeit abgelaufen und ich musste die Entscheidung treffen. Wenn ich zurückblicke, vermisse ich es, aber es ist auch die richtige Zeit gewesen, um aufzuhören.
LAOLA1: Was war der beste Moment deiner Karriere?
Mancuso: Rennen zu gewinnen war das Beste. Ich hatte auch bei Olympia immer eine gute Zeit, obwohl ich selten in Topform zu den Spielen gefahren bin – das hat sich durch meine Karriere gezogen. Aber ich war immer in der Lage, mich auf diese Rennen zu fokussieren und extra viel Energie hineinzustecken. Für mich war generell immer wichtig, einfach stolz auf meine Leistungen zu sein.
LAOLA1: Welchen Status hast du als Olympiasiegerin in den USA?
Mancuso: Für meine Geschäfte – ich halte unter anderem Motivations-Vorträge – ist es schon hilfreich. Aber für mich bedeutet Ruhm, etwas an jene Menschen zurückzugeben, die zu dir aufschauen. Eines meiner Ziele ist es, viel an die nächste Generation der Rennläufer in den USA weiterzugeben. Es ist wichtig, Leute zu inspirieren und zu bestärken – Frauen und Männer.
LAOLA1: Apropos nächste Generation: Was sagst du zu Mikaela Shiffrin?
Mancuso: Sie fährt in einer eigenen Liga! Mika ist so eine gute Skifahrerin, ihre Technik ist hervorragend. Es macht sehr viel Spaß ihr zuzusehen. Aber ich vermisse die Zeiten, in denen mehrere Damen um den Sieg mitfahren konnten. Als ich gefahren bin, gab es Lindsey Vonn, Tina Weirather oder Maria Riesch, die alle so stark gefahren sind. Derzeit kämpfen sich einige nach ihren Verletzungen zurück wie Lara Gut oder Anna Veith, aber ich vermisse auch die jüngeren Athletinnen, die vorne mitfahren können. Das würde wahrscheinlich nichts an der Dominanz von Mikaela ändern, weil sie einfach so gut fährt, aber es würde es spannender für die Zuschauer machen.
LAOLA1: Kann Mikaela Shiffrin noch besser werden?
Mancuso: Ich denke, sie nimmt in den Speed-Disziplinen noch nicht das volle Risiko. Also sie könnte noch schneller fahren. Auf schwierigeren und gefährlicheren Strecken muss sie sich mehr überwinden, um gewinnen zu können. Im Super-G ist sie schon sehr stabil, da können wir noch mehr erwarten, genauso im Riesentorlauf. Im Slalom ist sie einfach sehr gut.
LAOLA1: Was ist Mikaela Shiffrin privat für ein Mensch?
Mancuso: Mika ist sehr fokussiert, bei ihr dreht sich alles ums Skifahren. Sie ist sehr nett, versucht immer Spaß zu haben und relaxed zu sein. Sie hat sich eine gewisse Kindlichkeit bewahrt.
LAOLA1: Lindsey Vonn hat ihren Rücktritt nach den Rennen in Lake Louise im kommenden Jahr bekanntgegeben. Hat dich das überrascht?
"Ich glaube eigentlich nicht, dass Lindsey aufhören wird, bevor sie den Rekord von Ingemar Stenmark gebrochen hat. Es würde mich überraschen, wenn ihr nur mehr ein Sieg fehlen würde und sie trotzdem aufhören würde."
Mancuso: Ich glaube eigentlich nicht, dass Lindsey aufhören wird, bevor sie den Rekord von Ingemar Stenmark gebrochen hat (grinst). Es würde mich überraschen, wenn ihr nur mehr ein Sieg fehlen würde und sie trotzdem aufhören würde. Sie würde bestimmt weiterfahren.
LAOLA1: Glaubst du, sie kann den Rekord brechen?
Mancuso: Wenn sie gesund bleibt, kann sie den Rekord knacken. Auf Strecken, auf denen sie sich wohl fühlt, kann sie gewinnen. Seit ihren Verletzungen kann man es in ihrem Verhalten und in ihren Augen sehen, ob sie gewinnen kann, oder nicht. Sie wird All-in gehen. Wenn sie sich aufgrund der Verletzungen unsicher fühlt, wird es allerdings schwieriger zu gewinnen. Aber sie kann den Rekord schaffen.
LAOLA1: Sollte Vonn den Rekord brechen, wird er nicht lange halten. Shiffrin wird ihn wohl auch knacken.
Mancuso: Aber vorher noch Marcel Hirscher! Sollte Lindsey den Rekord brechen, werden Marcel und Mika ihr sicher folgen. Sie sind alle beeindruckende Sportler und wirklich große Champions. Heutzutage ist der Skirennsport noch viel spektakulärer und die meisten Rekorde stammen aus Zeiten, in denen es noch nicht so viele Rennen gab.
LAOLA1: Was hälst du davon, dass Lindsey Vonn Rennen gegen Männer fahren will?
Mancuso: Wenn sie gegen Männer fahren will, dann würde ich mir wünschen, dass sie etwa in Kitzbühel gegen sie fährt. Ich verstehe, dass Lindsey eine neue Herausforderung sucht, aber ich denke nicht, dass es notwendig ist. Wir sollten in unserem Sport froh sein, dass Frauen einen eigenen Weltcup haben. Das ist nicht überall so, in vielen anderen Sportarten werden die Frauen benachteiligt.
LAOLA1: Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Mancuso: Ich sehe mich noch immer als Athletin und bin gerne in der Natur und den Bergen, das inspiriert mich. Ich will Wege finden, um andere Skifahrer zu inspirieren. Ich will zeigen, dass es nicht nur das Rennfahren gibt, sondern dass man seine Zeit in den Bergen auch anders verbringen und dabei viel Spaß haben kann. Ich denke, das ist sehr wichtig, vor allem heutzutage, wo es eher so ist, dass die meisten Menschen nur eine Sportart ausüben.