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ÖSV-Ass Gallhuber: "Kann ich es überhaupt nochmal schaffen?"

Nach 600 Tagen ohne Rennen legt Katharina Gallhuber eine beachtliche Comeback-Saison hin. Zuerst waren da Zweifel, jetzt die Gefahr, zu viel zu wollen.

ÖSV-Ass Gallhuber: Foto: © GEPA

Es war ein unspektakulärer Sturz im Slalom-Training am anderen Ende der Welt im argentinischen Ushuaia im August 2022.

Tausende Kilometer zurück in der Heimat, dann die ernüchternde Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbands, sowie des Außen- und Innenmeniskus im linken Knie. Die WM-Saison 2022/23 zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Es war Katharina Gallhubers zweite schwere Verletzung binnen dreieinhalb Jahren. Schon im Dezember 2018 hat sich die Niederösterreicherin im Training im rechten Knie das vordere Kreuzband und den Innenmeniskus gerissen.

"Ich bin ehrlich gesagt oft dagesessen und habe mich gefragt: Warum? Ich hatte auch Tage, an denen ich mir gedacht habe: Kann ich es überhaupt nochmal schaffen?", gibt Gallhuber im Gespräch mit LAOLA1 offen zu.

"Aber so eine Verletzung lässt dich auch extrem wachsen. Vom Denken her bin ich sicher gewachsen, auch als Mensch. Das reift in einer Verletzungsphase schon, so schwer es hin und wieder auch ist. Ich habe heuer wirklich so eine Freude am Skifahren, weil ich es einfach mehr schätzen kann."

Bestes Weltcup-Ergebnis in der Comeback-Saison

Nach knapp 600 Tagen Pause bestritt Gallhuber Anfang November in Levi ihr erstes Weltcuprennen – und zeigte mit Platz 13 im ersten von zwei Slaloms im hohen Norden gleich einmal auf.

Mit Platz vier in Courchevel machte sich die 26-jährige Technik-Spezialistin vor Weihnachten selbst das größte Geschenk, es ist das bisher bestes Weltcup-Ergebnis ihrer Karriere. Mit Rang sieben in Lienz rutsche Gallhuber ins neue Jahr.

Gallhubers bisherige Saison-Ergebnisse im Slalom:

Rennen Platz
Levi 1 13
Levi 2 22
Killington 21
Courchevel 4
Lienz 7
Kranjska Gora 18

"Ich bin sehr, sehr zufrieden, vor allem mit meinem Skifahren. Ich bin mit der Entwicklung irrsinnig happy, es sind viele Schritte weitergegangen. Es macht mich glücklich, zu sehen, dass es funktioniert", strahlt Gallhuber.

"Wenn ich weiß, was ich zu tun habe - das ist bei mir zum Beispiel, dass ich schmal Skifahre - , dann bin ich einfach schnell. Das gibt mir viel Vertrauen. Dass ich in Courchevel mein bestes Weltcup-Ergebnis eingefahren habe, ist schon wahnsinnig schön. Ich bin ich sehr dankbar, denn es war doch ein sehr langer und harter Weg. Da sieht man, dass sich die harte Arbeit dann schon bezahlt macht."

"Dinge, die früher selbstverständlich waren, sind es plötzlich nicht mehr"

Auch wenn sich der lange, harte Weg am Ende gelohnt hat, ohne Unterstützung wäre dieser wohl noch unwegsamer gewesen.  

Gallhuber hat Mentaltraining in Anspruch genommen, ihre Familie, Freunde auch die Betreuer im ÖSV waren stets ein unverzichtbarer Rückhalt.

"Ich habe immer das Vertrauen in mich gespürt. Sie haben gesagt: Du gibst alles, das kann nur irgendwann zurückkommen. Das sind Dinge, die dich dann wieder in die richtige Richtung schauen lassen", ist Gallhuber dankbar für ihr Umfeld.

Der mentale Aspekt ist der eine, der physische der andere. Im Zuge einer Verletzung verändert sich auch die Beziehung zum eigenen Körper. Im Fall von Gallhuber "eher ins Positive", wie sie sagt.

"Man muss sich nach einer Verletzung mit dem Körper schon viel mehr auseinandersetzen und in sich reinhören. Man erkennt Signale, die man vorher vielleicht ignoriert hat. Dinge, die früher selbstverständlich waren, sind es plötzlich nicht mehr. Ich hatte zum Beispiel extrem damit zu kämpfen, dass ich den Fuß wieder komplett strecken und meinen Oberschenkel anspannen kann. Wenn man keine Verletzung hat, ist das selbstverständlich."

Druck? "Das ist schon einmal nach hinten losgegangen"

Selbstverständlich müssen auch die Renn-Routinen erst wieder werden. War Gallhuber früher an einem Renntag „extrem locker“, machte sich in diesem Winter vor dem Start Nervosität breit.

"Aber was das Rundherum betrifft, bin ich jetzt sicher lockerer und nicht mehr so verbissen. Ich tue alles dafür, um erfolgreich zu sein, aber ich kann das alles auch viel mehr wertschätzen. Weil ich einfach weiß, dass das Wichtigste ist, dass man gesund ist. Ich bin so dankbar, dass ich wieder das machen kann, was ich am liebsten tue. Und ich glaube, das gibt mir irgendwo schon die Freude und Lockerheit am Skifahren."

Freude und Lockerheit beim Skifahren: Kathi Gallhuber
Foto: © GEPA

Diese Freude und Lockerheit spiegelt sich bisher in guten Leistungen wider. Besteht da vielleicht sogar die Gefahr, plötzlich zu viel zu wollen?

"Ehrlich gesagt, ja. Ich habe vor der Saison mit den Trainern besprochen, dass ich wirklich Schritt für Schritt gehen möchte, damit ich nächstes Jahr bei der Heim-WM zu 100 Prozent voll da bin. Wenn man dann spürt, dass noch mehr drin ist und es Richtung Podestplatz geht, dann ist man schon gefährdet, dass man seine Spur wieder verliert", gibt Gallhuber zu.

In dieser Situation helfen ihre Erfahrungen aus der Vergangenheit: "Ich möchte mich aber nicht mehr unter Druck setzen, weil ich das damals nach meiner ersten Verletzung getan habe und das ist nach hinten losgegangen. Natürlich ist mein großes Ziel, auf einem Podium zu stehen, aber ich muss mich einfach auf mein Skifahren konzentrieren und es erwarten können."

Medaillen als Motivation

Das Gefühl, auf dem Podest zu stehen, kennt Gallhuber bereits. Bei den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang eroberte die Niederösterreicherin Bronze im Slalom und Silber mit dem ÖSV-Team.

"Meine Medaillen hängen bei mir im Schlafzimmer. In der Reha-Zeit bin ich oft hingegangen und hab‘ sie einfach angegriffen. Das tue ich auch jetzt noch hin und wieder. Dadurch bekomme ich einfach das Gefühl zurück. Es hilft mir, zu wissen, dass ich es schon einmal geschafft habe und dass ich es wieder schaffen kann."

Wichtiger als eine Platzierung auf der Ergebnisliste ist Gallhuber aktuell aber ihre skitechnische Entwicklung.

"Natürlich habe ich meine Erwartungen jetzt schon nach oben geschraubt. Ich spüre, dass irrsinnig viel möglich ist. Ich möchte mir von Training zu Training die Konstanz holen, wie man sie bei den Besten sieht. Ich will konstant nach vorne komme und mich dort etablieren. Wenn ich mich aufs Skifahrerische konzentriere und mich dort weiterentwickle, dann bin ich überzeugt, dass die Ergebnisse sowieso kommen."

Vielleicht schon beim nächsten Rennen, dem Nacht-Slalom in Flachau am Dienstag (18:00/20:45 Uhr im LIVE-Ticker).

"Es ist der coolste Spot für uns in der Saison. Erstens ist es ein Nachtrennen, zweitens sind Familie und Freunde da. Es ist ein mega geniales Rennen", sagt Gallhuber. "Die Vorfreude überwiegt definitiv. Nervosität kommt sicher noch auf, aber ich hoffe, dass ich sie im Zaum halten und meine Leistung abrufen kann und mir nicht selbst im Weg stehe."

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