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These: Der ORF wird bei Ski-Übertragungen unterschätzt!

Der Wintersport startet wieder voll durch! Wird über Pariasek & Co. zu viel gemotzt? Braucht der Skisport eine Netflix-Serie? Das und mehr in der Ansichtssache:

These: Der ORF wird bei Ski-Übertragungen unterschätzt! Foto: © GEPA

In unserem Format "Ansichtssache" versuchen wir, Meinungen, Stimmungen, Überreaktionen oder sonstige Ansichten jeglicher Art in eine These zu packen und zu analysieren.

Das kann mal provokant sein, mal eine oft gehörte Meinung. Mal sehr strittig, mal weniger. Mal eine Prognose, mal eine simple Einordnung.

In der aktuellen Ausgabe behandeln wir die Zukunft des Wintersports im TV. Was braucht es, um diese fit für selbige zu machen? Die LAOLA1-Redaktion diskutiert. 

Diesmal in Person der beiden 3er-Gondel-Hosts Maximilian Girschele und René Mersol, die sich den vier Thesen widmen, in denen es auch um notwendige technische Neuerungen und die immer wieder heiß diskutierten Wintersport-Übertragungen im ORF geht. 

1.) Wenn der Ski-Sport aus dem Free-TV verschwindet, ist er in Kürze tot.

Maximilian Girschele:

Ich würde mich nicht trauen, das zu behaupten - und zwar aus zwei Gründen.

Einerseits wird der Ski-Sport - eigentlich der Wintersport in seiner Gesamtheit - zumindest in Österreich NIE aus dem Free-TV verschwinden. Für den ORF käme es gar nicht in Frage, die Rechte an einen Pay-TV-Sender abzutreten - vorher würde auf jegliche restlichen Sport-Rechte verzichtet werden, um die Kohle für den Wintersport zu haben.

Dazu hat sich ServusTV mit seiner Streaming-Plattform "ServusTV On" inzwischen so positioniert, dass man den Retter in der Not spielen könnte, sollte der Öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich einmal derart knapp bei Kasse sein. Das Interesse, den einen oder anderen Bewerb zu zeigen, ist bestimmt jetzt schon gegeben.

Auf der anderen Seite erfreut sich der Wintersport auch vor Ort großer Zuschauer-Präsenz, was wiederum zu einem regelrechten Ansturm auf die Weltcup-Stationen führen könnte, wenn diese nicht mehr "kostenlos" - ist es ja eh nicht - zu sehen wären.

Unzählige Pay-TV-Sender würden außerdem in den Startlöchern scharren, wenn es Rechte zu ergattern gebe. Und mindestens für den Alpenraum lässt sich sagen: Ein Großteil der Wintersport-Fans würde sich ein Abo bei der jeweiligen Plattform nehmen, um auch in Zukunft mit den Ski-, Biathlon- oder Kombinations-Assen mitfiebern zu können.

René Mersol:

Ich bin da tendenziell durchaus bei Max, allerdings mit der Einschränkung, dass der Wintersport im Allgemeinen bei der Jugend nicht mehr die Faszination von früher auslöst.

Die Gründe dafür sind mannigfaltig und würden hier den Rahmen sprengen. Fakt ist aber, dass der Durchschnitts-Fan heute einige Jahre älter ist als früher. 

Es fehlt dem Skisport (so wie dem Wintersport generell) an Nachwuchs, nicht nur auf der Piste, sondern auch abseits davon. Das wird sich, wenn der Trend so weitergeht, irgendwann auswirken. Nur: Mit der Präsenz im Free-TV hat das nur eingeschränkt zu tun.

Vielmehr denke ich, dass die Klimaerwärmung dem Skisport früher oder später den Garaus machen könnte, wie die jüngste (und bisher umfassendste) Studie dazu zeigt. Hier nachlesen>>> 


2.) Der Skisport braucht eine Netflix-Serie, um auch für jüngeres Publikum relevant zu werden.

René Mersol:

Ich kann der Idee durchaus etwas abgewinnen, dass man die Fans hinter die Kulissen blicken lässt. Andererseits kennt man dieses Format seit Jahren aus anderen Sportarten und ich habe den Eindruck, dass es mittlerweile an Glanz verloren hat. Ich bezweifle, ob mehr vom Gleichen der Weisheit letzter Schluss ist. 

Zudem ist die Zeit der echten "Pisten-Cowboys" wie Bode Miller, Hermann Maier oder Julia Mancuso vorbei, wo hinter den Kulissen wirklich Dinge passiert sind, welche ihren Reiz hatten und wo es vielleicht auch g'scheiter ist, dass sie dort geblieben sind.

Um jüngeres Publikum zu begeistern, halte ich es durchaus für sinnvoll, mehr Nähe zuzulassen. Das würde mir in Form von Social-Media-Formaten sinnvoller erscheinen, auch wenn mir persönlich Tic Tac lieber ist, als TikTok. 

Maximilian Girschele:

Der perfekten Analyse des werten Kollegen ist eigentlich wenig bis nichts hinzuzufügen. Einige Worte erlaube ich mir natürlich trotzdem, immerhin soll ja darüber diskutiert werden.

Die FIS hat das Potenzial in Sachen Social Media bisher sicher nicht ausgenutzt. Highlights hier, ein paar Grafiken da und paar Stimmen dort werden das jüngere Publikum eher nicht zum Skisport bringen. Da braucht es coole, peppige Formate - von denen gibt es derart viele, da wird auch der Weltverband bestimmt fündig.

Außerdem muss der Skisport den Jugendlichen und Kindern auch in Form von Präsenz näher gebracht werden. Das heißt über Events in größeren Städten, bei denen man mit den großen Stars auf Tuchfühlung kommt. Nicht nur so, aber auch so entwickeln sich Idole, denen die Kids nachahmen wollen.

Da braucht es in meinen Augen keine Netflix-Serie. Ja, der Formel 1 hat sie zu neuen Höhen verholfen - sonst fiele mir ad hoc, trotz teils faszinierender Produktionen, jedoch keine Sportart ein, in welcher das der Fall gewesen wäre.


3.) Die FIS muss sich technische Neuerungen überlegen, um die Weite der Sprünge und den Speed der Rennen besser auf den Bildschirm zu transportieren.

Maximilian Girschele:

Muss sie das? Ich mein', technische Evolution ist immer gut und in der heutigen Zeit wird doch eh an jeder noch so kleinen Facette geschraubt. Aber ich finde, dass in dieser Hinsicht in den letzten Jahren schon etwas vorangegangen ist - und es irgendwo auch Grenzen gibt.

Mit dem Einsatz von Drohnen hat die FIS vor einigen Jahren bereits ein Mittel gefunden, um Flüge auf 250 Meter oder Abfahrten mit Geschwindigkeiten von 160 Km/h entsprechend festzuhalten. Was wäre der nächste, allen voran adäquate Schritt?

Helmkameras wie im Motorsport? Da kann sich der Weltverband gleich einmal auf einen großen Aufschrei seitens der Athleten gefasst machen. Jegliche andere Art von Aufnahme aus der POV-Perspektive eines Athleten wäre ohnehin sicherheitsgefährdend. Dass Sportler von Kamerafahrern oder -springern "verfolgt" werden, ist ebenso völlig unrealistisch.

Man sollte sich viel mehr darüber Gedanken machen, den Sport noch transparenter zu gestalten, bevor es technische Neuerungen gibt, die den meisten Zusehern entweder eh nicht auffallen oder von ihnen sogar als störend empfunden werden.

Wie werden zum Beispiel die Windpunkte im Skispringen berechnet? Diese sind sogar für Experten oft nicht zu entschlüsseln, wie soll das dann einem Laien gelingen? Da ist die Gefahr, das Interesse schnell wieder zu verlieren, doch viel größer, als wenn mir der Speed eines Abfahrers nicht 1-zu-1 rübergebracht wird. Oder?

René Mersol:

Hier muss ich an meine Aussage in der ersten These anschließen. Der Wintersport hat andere Probleme. Was die technische Evolution angeht, ist man bereits weit genug. Ich glaube nicht, dass das Motto "mehr vom Gleichen" die Lösung sein kann. 

Das bedeutet natürlich nicht, dass man deswegen damit aufhören soll, aber wie Seneca sagt: "Nie ist zu wenig, was genügt". Das Problem liegt bestimmt nicht darin, dass der Wintersport zu wenig spektakulär ist oder das nicht entsprechend eingefangen wird, sondern dass er die wichtigsten Zielgruppen für die Zukunft nicht erreicht. 

Die FIS sollte sich nämlich viel eher Gedanken machen, was man dazu beitragen kann, um die Kids wieder zum Wintersport (aktiv wie passiv) zu bringen. Wer von Kleinkauf mit dem "Wintersport-Virus" infiziert wird, entwickelt eine viel stärker verankerte Faszination dafür.

Warum gibt es beispielsweise seit Jahren kein Wintersport-Äquivalent zu "EA Sports FC" (ehemals "FIFA")? Ich sehe dort ein riesiges Potenzial.  


4.) Die Leistung des ORF bei den Ski-Übertragungen wird unterschätzt!

René Mersol:

Klar ist: Außer den Schweizern hat wohl kaum ein Land so viel langjährige Expertise in der Übertragung von Ski-Rennen wie der ORF.

Mag sein, dass sich diese aktuell vor allem hinter der Kamera bemerkbar macht, denn die Bilder, die uns der ORF bei den Rennen in Österreich liefert, sind aller Ehren wert. Ich bin der Meinung, dass das viel zu wenig wertgeschätzt wird. 

Was die Darbietungen vor der Kamera betrifft: Vielleicht hänge ich da zu sehr alten Zeiten nach, aber an Kaliber wie Robert Seeger ist einfach schwer ranzukommen. Nicht fachlich, da ist Oliver Polzer & Co. kein Vorwurf zu machen.

Ich denke da viel mehr an ihre authentische Art, wie sie die Rennen "mitgelebt" haben. Das ist für mich einer der wichtigsten Qualitäten. Du kannst fachlich noch so gut sein, aber du musst den Seher mit deiner Leidenschaft anstecken können und das fehlt mir bei der heutigen Generation, wo zwar auch mitgelebt wird, aber vieles gekünstelt oder gescriptet wirkt.

Das gilt auch für Moderationen und Interviews. Die Analysen hingegen sind inhaltlich gut aufbereitet, auch hier würde ich mir mehr Wertschätzung wünschen. 

Maximilian Girschele:

Wenn die Sport-Redaktion des ORF etwas kann, dann über Wintersport zu berichten. Wir könnten an dieser Stelle eine unendliche Diskussion über die Qualität der mittlerweile eh raren Übertragungen im Fußball oder anderen Sportarten - die Formel 1 mit ausgenommen - lostreten. Aber dafür sind wir (jetzt) nicht da.

Stattdessen ist auch mal ein Lob angebracht, wo es verdient ist. Mir gefallen die Übertragungen im ORF. Natürlich lässt sich darüber streiten, ob Rainer Pariasek wirklich noch bei (fast) jedem Rennen im Zielraum stehen und die Athleten mit seinen Englisch-Kenntnissen quälen muss. Gleichzeitig ist das für mich immer wieder ein Highlight.

Aber der ORF versteht es, die Materie an die Frau und den Mann zu bringen. Von den Experten bis zu den Kommentatoren ist alles stimmig, ob man diesen und jenen nun mag oder nicht - jeder hat seine persönliche Präferenz.

Mehr Emotionen sind im Sport immer gut, um beim Zuschauer für Gänsehaut oder vielleicht sogar der einen oder anderen Träne zu sorgen. Ich verweise an dieser Stelle - als Eishockey-Experte bei uns - gerne auf den Kommentar von Daniel Warmuth bei der letzten WM in Prag. Da stehen mir noch heute die Haare zu Berge.

Und ich hoffe, dass wir solche Momente in wenigen Monaten auch in Saalbach erleben werden.


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