Ein Mal Gold, zwei Mal Silber, vier Mal Bronze – das ist Österreichs Ausbeute bei der jüngst zu Ende gegangenen Junioren-Ski-Weltmeisterschaft.
Das macht unterm Strich zwar "nur" Platz fünf im Medaillenspiegel, bei der Junioren-WM vor zwei Jahren in St. Anton schnitt Rot-Weiß-Rot mit nur zwei Mal Bronze allerdings wesentlich schlechter ab.
Zudem durfte sich das ÖSV-Team diesmal über den Gewinn der "Marc-Hodler-Trophy", der Nationenwertung bei Junioren-Weltmeisterschaften, freuen.
"Das bringt die mannschaftliche Stärke zum Ausdruck und zeigt schon, dass wir über Athlet:innen mit einem sehr guten Leistungspotenzial verfügen", zieht Harald Kirchmair im Gespräch mit LAOLA1 eine positive WM-Bilanz.
Der ehemalige Skirennläufer leitet seit dem 1. Mai 2024 den gesamten Nachwuchsbereich Ski Alpin des ÖSV.
Kirchmairs Bestellung vor fast einem Jahr wertete ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher als "Zeichen für Veränderung". Eine dringend notwendige Veränderung, will Österreich seine Rolle als eine der führenden Ski-Nationen auch in Zukunft ausfüllen.
Ein (verheerender) Blick auf den Nachwuchs
Denn wagt man einen Blick auf die Nachwuchs-Weltranglisten, werden einem die jahrelangen Versäumnisse im Jugendbereich gnadenlos aufgezeigt, ist Österreich in einigen Jahrgängen und Disziplinen fast nicht existent. Verheerendstes Beispiel: In der U18-Rangliste ist im Riesentorlauf unter den Top 70 keine Österreicherin zu finden.
"In gewissen Jahrgängen haben wir keine Dichte im Spitzenfeld. Da haben wir nur Einzelne, die sehr gut sind, sich auf dem richtigen Weg befinden", weiß ÖSV-Nachwuchschef Kirchmair. "Man kann sich nicht darauf verlassen, dass von unten her so eine enorme Menge wie früher nachdrängt, die haben wir nicht mehr. Das hat keine Nation mehr. Es gibt aber auch mehr Nationen, die wirklich gut ausbilden."
Gut ausbilden ist das Stichwort. Um für den Spitzensport in Zukunft wieder breit aufgestellt zu sein, hat Kirchmair mit seinem Team die Jugendarbeit des ÖSV analysiert und Vergleiche zu anderen Nationen angestellt.
Das Ergebnis: Ein adaptierter österreichischer Ausbildungsweg.
"Nur so kann man eine gewisse Masse produzieren. Sonst sind es nur Einzelerscheinungen und auf die können wir uns nicht mehr verlassen."
Das Ziel: Talente sollen in enger Abstimmung zwischen den regionalen Vereinen, Ski-Schwerpunktschulen, Landes-Skiverbänden, ÖSV und Eltern langfristig gefördert und an die Spitze geführt werden.
"Nur so kann man eine gewisse Masse produzieren, die auch über das entsprechende Qualitätsniveau verfügt. Sonst sind es nur Einzelerscheinungen und auf die können wir uns nicht mehr verlassen", meint Kirchmair, der vor seinem ÖSV-Engagement zwölf Jahre lang sportlicher Leiter der Ski-Mittelschule Neustift war.
Neue Trainingsmethoden, bessere Kommunikation, Motivation
Neben einer besseren Kommunikation zwischen Vereinen, Landes-Skiverbänden und Ski-Schwerpunktschulen steht freilich die Ausbildung der Talente im Mittelpunkt, insbesondere der Wissenstransfer.
Das Nachwuchskonzept - das sogenannte "Projekt 2030" - setzt an der Basis an. Mithilfe eines Technik-Leitbildes, an dem sich alle orientieren, sollen dem Ski-Nachwuchs schon im Kinder- und Schüleralter gewisse Basiselemente beigebracht werden, auf die in der Folge aufgebaut werden kann.
"Man spricht nicht umsonst vom goldenen Lernalter, in dem sich Kinder sehr viel aneignen können. Aber es geht auch darum, dass sie es sich richtig aneignen", sagt Kirchmair.
"Nur weil man mit zwölf, 13 Jahren schnell ist, heißt das nicht, dass man sich bei steigender Anforderung, sei es Gelände, Kurssetzung oder Pistenbeschaffenheit, auch durchsetzen kann."
Neben der richtigen Technik finden sich im adaptierten Trainer-Handbuch nun auch Elemente wie das Fahren in freiem Gelände oder Vielseitigkeitsläufe.
"Weg von der Eintönigkeit, hin zu einer breitgefächerten Ausbildung, in der vor allem der athletische Bereich eine große Rolle spielt", erklärt Kirchmair. "Wir müssen dahinter sein, vielseitige Skifahrer auszubilden, die dann auch in höheren Stufen wie Europacup und Weltcup bestehen können. Nur weil man mit zwölf, 13 Jahren schnell ist, heißt das nicht, dass man sich bei steigender Anforderung, sei es Gelände, Kurssetzung oder Pistenbeschaffenheit, auch durchsetzen kann. Genau da setzen wir den Hebel an."
Ausgrenzungen oder Selektionen im frühen Alter sollen bewusst vermieden werden.
Besonderes Augenmerk wird auch auf die Verletzungsprävention gelegt. "Weil einfach zu viele, die im Schülerbereich sehr gut fahren, aufgrund diverser Verletzungen und Überbelastung auf der Strecke bleiben."
Was Kirchmair genauso wichtig ist: "Dass die Sportler nach dem Kinder- und Schülerbereich noch top motiviert sind, einfach eine Freude am Skifahren haben. Das darf man nicht unterschätzen, es ist dann ja noch ein langer und harter Weg an die Weltspitze."
Nicht nur im Weltcup fahren, sondern auch bestehen
Apropos Weltspitze: Das Wunsch-Szenario wäre, dass die heimischen Talente besser ausgebildet und topmotiviert in den Übergang zwischen FIS-Bereich und Europacup kommen und in weiterer Folge schneller den Sprung in den Weltcup schaffen.
"Man darf aber auch nichts überstürzen", mahnt Kirchmair. "Denn Ziel muss es sein, nicht nur im Weltcup zu fahren, sondern dort auch bestehen zu können."
Das gelte auch für jene Athlet:innen, die jüngst bei der Junioren-WM erfolgreich waren.
"Es darf sich niemand zurücklehnen und sagen, ich bin Junioren-Weltmeister, jetzt habe ich es geschafft. Das ist ein Schritt auf dem Weg, wo wir hin wollen – nämlich Weltklasse zu werden."
Während der Weg an die Weltspitze für einige Teilnehmer der Junioren-WM nicht mehr allzu weit scheint, können die Früchte des "Projekts 2030" frühestens in einigen Jahren geerntet werden.