"Ich freu' mich, dass wieder was passiert", sagt Anna Veith.
Seit ihrem Karriereende im Jahr 2020 ist es ruhig um den ehemaligen ÖSV-Star geworden. Veith ist mittlerweile zweifache Mutter – Sohn Henry ist dreieinhalb, Tochter Lotte acht Monate - und lebt in Rohrmoos, wo sie mit ihrem Mann Manuel das "Arx Guesthouse" betreibt.
"Wir haben ein sehr privilegiertes Leben, das aber die Herausforderung mit sich bringt, alles unter einen Hut zu bringen. Es ist durch die Kinder, das Unternehmen und meine Projekte extrem intensiv. Es kann manchmal chaotisch sein, aber ich kann es mir nicht schöner vorstellen", sagt Veith.
Veith und ihre Mission
An das Hotel angeschlossen ist ein Sportshop. In eben diesen hat Veith eingeladen, um ihr neuestes Projekt vorzustellen. Die Olympiasiegerin, dreifache Weltmeisterin und zweimalige Gesamtweltcup-Siegerin ist eine Partnerschaft mit der Ski-Firma Kästle eingegangen. Und auch sonst ist Veith umtriebig.
"Ich habe in den letzten Jahren natürlich versucht, mein Familienleben aufzubauen und zu genießen, aber auch das unternehmerische Denken voranzutreiben", erklärt die 35-Jährige.
Neben der Zusammenarbeit mit Kästle arbeitet Veith an einigen Projekten – sie alle eint ein Antrieb: Menschen zum Sport zu bewegen.
Vorbild für alle
"Meine größte Leidenschaft ist nach wie vor der Sport. Ich liebe es, rauszugehen und mich zu bewegen, die Natur zu genießen. Für mich ist es wichtig, das den Kindern vorzuleben."
Veith will sowohl die Jüngsten als auch die Älteren zum Sport animieren. Im Jänner launcht eine Plattform, auf der Inhalte zu den Themen Bewegung, Ernährung und mentale Gesundheit bereitgestellt werden. Besonderes Vorbild will die 35-Jährige für andere Frauen sein.
Im Interview spricht Anna Veith über eine neue Zeitrechnung, den konservativen Skisport und darüber, was sie am Dasein als Rennläuferin (nicht) vermisst.
"Der Ski-Sport ist sehr konservativ. Ich habe selbst erfahren, wie es ist, als Frau im Sport zu agieren und wahrgenommen zu werden. Wir Frauen müssen füreinander einstehen und das auch vorleben."
LAOLA1: Du hast es dir zum Ziel gesetzt, Kinder und Jugendliche zum Sport zu bewegen. Stellst du dich auf ein langes, hartes Rennen ein?
Anna Veith: Ja. Ich habe nach meiner Karriere gelernt, dass viele Dinge Zeit brauchen. Eine Sportler-Karriere ist relativ kurz. Man hat immer Ziele und glaubt, die sind langfristig, aber im Vergleich zu einem normalen Beruf sind die recht kurzfristig. Das musste ich erst annehmen, nachdem ich aufgehört habe, dass die Zeitrechnung jetzt eine andere ist. Es geht nicht darum, was ich in dem Jahr schaffe. Für mich gibt es heuer kein Großereignis, worauf ich hinarbeiten muss. Ich kann Projekte viel langfristiger denken und muss es auch tun. Ich habe zwischenzeitlich zwei Kinder bekommen, das braucht viel Zeit und die möchte ich auch genießen. Ich möchte mir daher nicht zu viel auferlegen. Aber man muss sich schon die Ziele setzen, damit man vorankommt. Ich war immer schon ehrgeizig und möchte die Ziele auch erreichen.
LAOLA1: Was braucht es, um Kinder in Zeiten von Social Media & Co. zu animieren, sich zu bewegen?
Veith: Es ist wichtig für ein gesundes Leben, Sport zu treiben. Es geht darum, Angebote zu schaffen. Man muss gewisse Hürden wie zum Beispiel Kosten verringern. Gemeinsam mit Kästle werden zum Beispiel 100 Paar Ski verlost. Der Einstieg für Kinder- und Jugendliche zum Ski-Sport sollte so leicht wie möglich gemacht werden.
LAOLA1: Du hast gemeinsam mit Kästle auch einen Ski speziell für Frauen entwickelt. Ist der Ski-Sport nach wie vor noch zu männlich?
Veith: Der Ski-Sport ist sehr konservativ. Ich habe selbst erfahren, wie es ist, als Frau im Sport zu agieren und wahrgenommen zu werden. Wir Frauen müssen füreinander einstehen und das auch vorleben. Ich stehe als Frau in der Öffentlichkeit und möchte auch was zurückgeben. Auch hier geht es um Angebote, die man schafft. Gerade für junge Mädels und Kinder ist es wichtig, ihren Körper zu spüren. Ich glaube, dass ganz viele Frauen gerne Skifahren. Ich glaube auch, dass die Frauen im Skirennsport schon einen großen Stellenwert haben. Aber es gibt sicher Sportarten, die fortschrittlicher sind, was das Frauenbild betrifft.
LAOLA1: Tamara Tippler hat auf ihr angekündigtes Ski-Comeback nach der Geburt ihres Kindes nicht nur positive Reaktionen bekommen. Auch du bist Mutter und berufstätig. Kann der Sport einen Beitrag dazu leisten, dass arbeitende Mütter in der Gesellschaft mehr Anerkennung finden?
Veith: Im Sport ist es als Mutter schwieriger als in einem klassischen Unternehmen, weil die körperliche Komponente dazu gehört, die beeinflusst ja die Leistung. Dazu kommt die zeitliche Komponente. Die, die kein Kind haben, haben viel mehr Ressourcen. Man muss schon einen Aufwand betreiben, um vorne mitfahren zu können. Ich habe großen Respekt vor Tamis (Tippler; Anm.) Entscheidung, dass sie es nochmal probiert und sich so organisiert, dass ihre Familie versorgt ist. Ich selber hätte es mir nicht vorstellen können. Es braucht 100-prozentigen Fokus. Skifahren ist Actionsport, da darf man nicht abgelenkt sein. So ein Kind ist halt schon nochmal eine ganz andere Verantwortung. Ich wünsche Tami, dass sie den Fokus aufs Skifahren legen kann. Es braucht immer Vorreiter, damit man sieht, dass etwas funktionieren kann.
"Das Rennfahren vermisse ich nicht."
LAOLA1: Du hast vor vier Jahren deine Karriere beendet. Was hast du vom Spitzensportler-Dasein in dein jetziges Leben mitgenommen?
Veith: Alles, was ich in meiner aktiven Zeit über mich selber gelernt habe, hilft mir heute in meinem Alltag weiter. Zum Beispiel das akribische Arbeiten, um Ziele zu erreichen, das Analysieren und Reflektieren oder eine gewisse Nervenstärke, die man manchmal auch bei den Kindern braucht. Das habe ich in meinem aktiven Rennleben gelernt und das nehme ich mit.
LAOLA1: Vermisst du etwas am Leben als Skirennläuferin?
Veith: Ich durfte eine lange Zeit meinen Traum leben. Ich habe in meiner Karriere viel erlebt und konnte viel daraus mitnehmen. Ich habe erfahren, wie ich an die Spitze komme und dort bleiben kann, wie ich Rückschläge überwinden kann. All die Erfahrungen sind heute extrem wertvoll. Das zeigt mir, dass ich nie auslernen kann. Dass ich mich weiterentwickle, war mir immer schon wichtig, das ist heute auch noch so. Die Menschen, dir mir in meiner Karriere dabei geholfen und mich auf meinem Weg begleitet haben, vermisse ich. Das Rennfahren an sich vermisse ich nicht.