Drei Kreuzbandrisse binnen 17 Monaten - Stephanie Brunners Knie ist ihre Achillesferse.
Im März 2018 riss sich die ÖSV-Technik-Hoffnung nach Saisonende erstmals das Kreuzband sowie den Meniskus im linken Knie. Nach einem erfolgreichen Comeback (u.a. erstes Weltcup-Podest, Team-Silber bei Olympia) wiederholte sich die Verletzung im Jänner 2019. Im August des Vorjahres schlug der Verletzungsteufel bei der Tirolerin ein drittes Mal zu - wieder war das linke Knie demoliert.
Im Dezember folgte schließlich die dritte Kreuzband-OP, für die der 26-Jährigen im Vorfeld sogar ein Stück ihres Beckenknochens herausgeschnitten werden musste. Nun ist Brunner auf dem Weg zurück - wieder einmal. Ende August stand sie erstmals seit der Verletzung wieder auf Skiern, über eineinhalb Jahre nach ihrem bisher letzten Weltcup-Rennen will die Tirolerin im kommenden Winter am Start stehen.
"Natürlich habe ich mich damit beschäftigt, ob das nach drei Kreuzbandrissen binnen kurzer Zeit nochmal so funktioniert, wie ich mir das wünsche", gesteht Brunner. "Der Arzt hat schon gesagt, dass ich Rennfahren kann, aber ich muss jetzt aufpassen, dass es nicht noch einmal passiert. Es gibt dann nämlich keine Möglichkeiten mehr, wo man das Kreuzband ersetzen kann, mir gehen bald die Sehnen aus."
Warum ein Karriereende dennoch nie ein Thema war und wie sie sich den neuerlichen Kreuzbandriss erklärt, erzählt Brunner im LAOLA1-Interview:
LAOLA1: Wie geht’s dir? Was macht das Knie?
Stephanie Brunner: Dem Knie geht es sehr gut, ich habe keine Schmerzen. Ich bin mit dem Fortschritt sehr zufrieden. Ich bin total happy, endlich wieder Skifahren zu dürfen! Zwölf Monate waren eine lange Durststrecke, aber es war die richtige Entscheidung, mir so viel Zeit zu lassen. Die ersten Schneetage liegen bereits hinter mir, mein Knie hat darauf sehr positiv reagiert und die dosierten Einheiten sind komplett schmerzfrei verlaufen.
LAOLA1: Was geht einem durch den Kopf, wenn man zum dritten Mal binnen 17 Monaten die Diagnose Kreuzbandriss bekommt?
Brunner: Sicher war es im ersten Moment ein Schock, weil ich eigentlich von der zweiten Kreuzbandverletzung zurückgekommen bin und es dann gleich wieder passiert ist. Aber ich habe gleich nach vorne geschaut und mit dem Arzt besprochen, wie man es am besten löst. Ich habe nachgefragt, ob es nicht auch ohne Kreuzband geht, aber leider hat es bei der ersten Verletzung auch den Meniskus ein bisschen erwischt und deshalb wäre es nicht die optimale Lösung gewesen, ohne Kreuzband weiterzufahren.
LAOLA1: Der Kreuzbandriss war im August, die Operation aber erst im Dezember. Warum so spät?
Brunner: Ich hatte im August noch eine andere OP, weil die Bohrkanäle in meinem Knie so geweitet waren, dass bei den Schrauben kein neues Kreuzband mehr gehalten hätte. Deshalb wurden mir vom Beckenkamm Knochenstücke herausgeschnitten, mit denen die Bohrkanäle aufgefüllt wurden. Es hat drei Monate gedauert, bis das richtig zusammengewachsen ist, deshalb konnte man erst im Dezember das Kreuzband richten. Aber es ist alles gut verlaufen und ich konnte die Zeit auch zum Training nutzen.
LAOLA1: Hast du eine Erklärung für den neuerlichen Kreuzbandriss?
Brunner: Das war für mich gleich klar: Ich bin nach der zweiten Verletzung zu schnell wieder rennmäßig Ski gefahren. Aber mir hat nie etwas weh getan, deshalb wollte ich mich da selbst auch nicht zurückziehen. Das muss ich einfach noch lernen, dass ich ein bisschen langsamer anfange und mich ans Rennfahren herantaste. Das war beim letzten Mal einfach zu schnell.
"Ich habe deswegen nicht aufgehört, weil ich weiß, dass noch etwas in mir steckt und das will ich auch erreichen. Aufgeben war nie eine Option."
LAOLA1: Nach der dritten Verletzung meinte der eine oder andere Ski-Fan, du solltest deine Karriere beenden. Nimmst du dir sowas zu Herzen?
Brunner: Nein, ich werde es denen schon noch zeigen! (lacht) Ich habe deswegen nicht aufgehört, weil ich weiß, dass noch etwas in mir steckt und das will ich auch erreichen. Ich habe zwar schon gute Ergebnisse erzielt, aber ich weiß, dass ich noch mehr kann. Aufgeben war nie eine Option.
LAOLA1: Hast du Angst, dass es körperlich nicht mehr möglich ist, den Sport auf hohem Niveau auszuüben?
Brunner: Natürlich habe ich mich damit beschäftigt, ob das nach drei Kreuzbandrissen binnen kurzer Zeit nochmal so funktioniert, wie ich mir das wünsche. Aber ich bin eigentlich sehr überrascht, dass es mir körperlich so gut geht, dass ich keine Schmerzen habe. Von dem her mache ich mir da überhaupt keine Gedanken.
LAOLA1: Gab es Bedenken von Seiten der Ärzte?
Brunner: Der Arzt hat schon gesagt, dass ich Rennfahren kann, aber ich muss jetzt aufpassen, dass es nicht noch einmal passiert. Es gibt dann nämlich keine Möglichkeiten mehr, wo man das Kreuzband ersetzen kann, mir gehen bald die Sehnen aus. Aber ich muss froh sein, dass mein Knorpel noch in einem sehr guten Zustand ist, denn das wäre das größere Problem.
LAOLA1: Könnte dich das am Start hemmen, wenn die Ärzte zur Vorsicht mahnen?
Brunner: Das glaube ich nicht. Ich möchte schon 100 Prozent geben und meine Leistung abrufen können. Wenn das Kreuzband nochmal reißt, dann wollte es einfach nicht sein. Das muss ich dann auch akzeptieren. Aber damit beschäftige ich mich gar nicht.
(Interview wird unter dem Video fortgesetzt)
LAOLA1: Wie schwer ist so eine Verletzung mental zu verarbeiten?
Brunner: Ich kann Gott sei Dank sehr gut mit Verletzungen umgehen. Ich bin eigentlich immer stärker wieder zurückgekommen, hatte nie Probleme. Ich mache mir da keine Sorgen, dass es nicht funktionieren könnte. Meine Persönlichkeit ist einfach so, dass mich Verletzungen stärker machen. Ich habe in der Zeit sehr viel gelernt, bin viel ruhiger geworden. Ich war früher schnell auf 180, wenn etwas nicht funktioniert hat, jetzt sehe ich das etwas relaxter. Auch wenn es zwei, drei Wochen länger dauert komme ich trotzdem an mein Ziel.
LAOLA1: Wie lautet das Ziel für das Comeback?
Brunner: Ich war nie jemand, der in Platzierungen denkt. Ich will einfach bei jedem Rennen mein Bestes geben und das auch zeigen. Mein Ziel ist es, so stark zurückzukommen, wie ich vor der Verletzung war. Aber ich bin jetzt über eineinhalb Jahre kein Rennen gefahren, also muss ich mich da erst wieder herantasten.
LAOLA1: Stand jetzt soll der Saison-Auftakt in Sölden im Oktober planmäßig über die Bühne gehen. Ist ein Start dort ein Thema für dich?
Brunner: Ich kann mir schon vorstellen, dass der Start in Sölden stattfinden wird. Ob es sich bis dahin ausgeht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Das wird kurzfristig entschieden, je nachdem wie gut ich mich fühle und ob ich bereit bin, Rennen zu fahren. Bei meinem ersten Kreuzbandriss habe ich erst Mitte September wieder mit dem Skifahren begonnen und bin in Sölden Fünfte geworden.
LAOLA1: Du hast vor kurzem die Skimarke gewechselt und fährst jetzt Atomic. Ist auch das ein Zeichen für einen Neustart?
Brunner: Ja, genau. Nach den drei Kreuzbandrissen habe ich mir gedacht, es ist genau der richtige Zeitpunkt. Die letzten zwei Jahre war ich so viel in der Reha und es war für mich immer das gleiche, deshalb wollte ich einfach was Neues. Ich bin sehr happy, dass ich zu Atomic gekommen bin, ich fühle mich sehr gut aufgehoben.