news

Knauß: "Der ÖSV hat das Selbstvertrauen verloren“

Hans Knauß über die ÖSV-Misere, Lösung gegen Verletzungen und seinen schönen Rücktritt:

Knauß: Foto: © GEPA

Keine einzige Kristallkugel, erstmals nach 30 Jahren den Nationencup nicht gewonnen. Für den ÖSV war der erste Ski-Winter nach dem Rücktritt von Marcel Hirscher mit Ausnahme weniger Erfolge mehr als durchwachsen.

"Das tut schon weh. Da müssen schon Dinge falsch gelaufen sein, sonst bringt man das nicht zusammen", sagt Hans Knauß. Der Ex-Rennläufer ist als ORF-Experte seit Jahren hautnah am Ski-Zirkus dran und beobachtet die Entwicklung im ÖSV kritisch. 

Im LAOLA1-Interview spricht Knauß darüber, was beim ÖSV falsch gelaufen sein könnte und warum sich Österreich auch in Zukunft keine Sorgen um den Skisport machen muss. Außerdem verrät der 49-Jährige seinen Lösungsansatz für die vielen Kreuzbandrisse und erklärt, warum der Rücktritt als Kamerafahrer beim ORF eine Erleichterung war. 

LAOLA1: Die Ski-Saison ist früher als geplant zu Ende gegangen – und ohne Kristallkugel für den ÖSV.

Knauß: Als Skination Nummer eins, wie wir uns selbst oft nennen, keine Kugel zu gewinnen, ist fast nicht machbar. Das musst du einmal zusammenbringen. Das tut schon weh. Da müssen schon Dinge falsch gelaufen sein, sonst bringt man das nicht zusammen.

LAOLA1: Was könnte deiner Meinung nach falsch gelaufen sein?

Knauß: Da gibt es pauschal nicht den EINEN Fehler, den man nennen könnte. Es sind bei allen Gruppen – Damen und Herren, Speed und Technik – unterschiedliche Zugänge und viele Kleinigkeiten, die sich da negativ zusammengebraut haben. Dann kommt so ein Ergebnis raus. Das Schöne ist, dass sie kapieren, dass sie danebenstehen. Das ist, glaube ich, das Wichtigste. Dass sie merken, dass es so, wie sie es probiert haben, nicht geht.

LAOLA1: Was muss im ÖSV anders oder besser gemacht werden?

"Man muss aus unserem Team das Beste rausholen und nicht zu viel darauf schauen, was die anderen machen. Wir haben irgendwo das Selbstvertrauen verloren – aber nicht die Athleten, sondern die ganz oben."

Knauß: Wir haben angefangen, auf andere Nationen zu schauen, obwohl wir jahrzehntelang das Maß aller Dinge waren. Wir sind so ein großes Nationalteam, dass wir anders agieren müssen, als zum Beispiel ein kleineres norwegisches Team. Man hat sich da meiner Meinung nach leiten lassen. Man muss aus unserem Team das Beste rausholen und nicht zu viel darauf schauen, was die anderen machen. Wir haben irgendwo das Selbstvertrauen verloren – aber nicht die Athleten, sondern die ganz oben (im ÖSV, Anm.). 

LAOLA1: Hat man sich beim ÖSV von Marcel Hirschers Erfolgen zu sehr blenden lassen?

Knauß: Wenn man in den vergangenen vier, fünf Jahren Marcel Hirscher aus den Ergebnislisten rausgenommen hat, hat man schon gesehen, dass sich dahinter nichts formiert. In den technischen Disziplinen gibt es bei Weitem nicht mehr die Dichte, die wir mal hatten und das hat mich erschüttert. Es ist ganz schwierig, eine einzige sinnvolle Antwort zu finden, warum das so ist. Aber wir haben schon seit Jahren gesehen, dass das so kommen wird.

LAOLA1: Wie steht es um die Zukunft des österreichischen Ski-Sports?

"Den Skisport bringst du nicht um in Österreich. Da werden immer wieder wo welche aufstehen."

Knauß: Wir werden immer wieder Läufer haben, die gut sind. Es ist eine Art Wellenbewegung, die für uns definitiv auch wieder nach oben gehen wird. Der oder die eine wird wieder nach vorne stoßen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass wir innerhalb von zwei, drei Wintern wieder Mehrfachsiege feiern. Zum Glück haben wir einen Matthias Mayer und Vincent Kriechmayr, die eine super Saison hingelegt haben. Die erste Garnitur im Speed-Team ist gut, die zweite rückt hoffentlich nach. Bei den Technikern kann es oft schnell gehen, ich bin positiv gestimmt. Den Skisport bringst du nicht um in Österreich. Da werden immer wieder wo welche aufstehen.

LAOLA1: Ein Thema, dass uns auch in Zukunft beschäftigen wird, sind die Verletzungen. Hast du einen Lösungsansatz?

Knauß: Ich habe der FIS vor sechs, sieben Jahren schon einmal einen Lösungsansatz vorgelegt, aber das war damals zu kompliziert. Jetzt habe ich eine Variante davon im Kopf, von der ich sage: Damit könnte man gewisse Verletzungen - alle wirst du nie verhindern - minimieren. Mein Zugang wäre der, dass man die Aggressivität rausnimmt. Die Präparierung der Ski ist in den letzten Jahren unheimlich aggressiv geworden, das hat sich so aufgeschaukelt. Aber nicht alle Athleten können damit abliefern - hart gesagt. Man müsste beim Belag ansetzen und es so machen wie früher. Man muss die Ski nicht umbauen, sondern nur vom Endfinish her anders präparieren, sodass jeder wieder mehr Rutschphasen hat. Das wäre machbar und würde wenig kosten. Wenn während dem Fahren die Kreuzbänder reißen, ist das ein absolutes Indiz dafür, dass das alles viel zu aggressiv ist. Im Weltcup waren es 40 Kreuzbandrisse, aber in den unteren Ebenen läuft es genauso ab. Meine Tochter erzählt mir im Wochentakt von Verletzungen, und zwar in allen Disziplinen. Was dort abgeht, ist irre. Wenn man dort nur ein paar Verletzungen weniger hätte, wäre schon viel erreicht. Von der FIS kommt da nach wie vor zu wenig, was sie diesbezüglich in Hinblick auf die kommende Saison tun wollen. Wenn für das nächste Jahr schon etwas geändert werden soll, dann müsste das ja schon längst bei den Firmen angekommen sein – ist es aber nicht.

LAOLA1: Du hast viele Ski-Fans mit deinem Rücktritt als Kamerafahrer beim letzten Saisonrennen in Kvitfjelll überrascht. Bereust du deine Entscheidung schon?

Foto: © GEPA

Knauß: Nein, überhaupt nicht. Die Entscheidung ist nicht über Nacht gekommen, sondern gereift. In den letzten zwei, drei Jahren haben mich gewissen Abfahrten schon gewaltig gefordert. In diesem Winter hat mir der Rücken oft schon wahnsinnig geschmerzt und ich habe viele Behandlungen gebraucht, damit ich sauber fahren konnte. Daher habe ich mich entschieden, dass es mit Ende der Saison vorbei ist. Ich bin direkt erleichtert und froh darüber, aber es ist echt komisch. Der Zugang wird sich schon ein bisschen verändern.

LAOLA1: Trotzdem war dieser Rücktritt "schöner" als dein letzter, oder?

Knauß: Damals ist mir die Entscheidung genommen worden. Jetzt habe ich sagen können: Es ist genug. Das ist das Schöne. Ich habe es 15 Jahre lange gemacht und ich hoffe, auf ganz gutem Niveau. Dann ist es einfach eine nette Sache, wenn man sagen kann: Danke, das war‘s.

LAOLA1: Wie viel Arbeit steckt eigentlich hinter dem Job als Kamerafahrer?

Knauß: Ich glaube, dass viele Leute unterschätzt haben, wie viel ich für den Job gearbeitet habe. Ich habe die letzten drei, vier Jahre schon gemerkt, dass ich noch einmal Kraft zugelegt habe. Das ist im Alter von 49 Jahren gar nicht einfach. Ich habe 2, 3 Kilo Muskelmasse zugelegt. Ich habe echt brutal viel trainiert, vom Umfang her zirka die Hälfte eines aktiven Sportlers. Das ist bei Gott nicht wenig. Ich habe geschaut, dass ich fünf Mal in der Woche trainiere, denn das war meine Lebensversicherung. Skifahren verlernt man nicht, aber man muss körperlich auf einem guten Niveau bleiben. Aber mir macht das Spaß und ich werde auch weiterhin viel trainieren. Skifahren wird immer mein Leben bleiben und ich hoffe, dass ich so fit bleibe, dass ich noch lange einen guten und sauberen Schwung fahren kann.

Kommentare