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Hans Knauß über den ÖSV: "Das ist Steinzeit, was wir haben"

Der Ex-Ski-Star und jetzige ORF-Experte sorgt sich um das Speed-Team und sieht ein großes Problem beim ÖSV. Interview:

Hans Knauß über den ÖSV: Foto: © GEPA

Österreichs Ski-Männern stehen die wichtigsten Wochen des Winters bevor.

Zuerst die Spektakel in Kitzbühel und Schladming vor heimischem Publikum, dann die Weltmeisterschaft in Courchevel/Meribel (6.-19.2.).

Die Erfolgsquote des ÖSV-Teams war vor den Saison-Highlights jedoch schon einmal größer.

Zwei Siege durch Vincent Kriechmayr in den Abfahrten in Gröden und Bormio sowie sieben weitere Podestplätze (5x Zweiter, 2x Dritter/beide Matthias Mayer) lautet die bisherige Ausbeute des Winter.

Gerade im Speed-Team ist nach dem Rücktritt von Matthias Mayer und einigen verletzungsbedingten Ausfällen die Zahl der Sieganwärter mehr als überschaubar.

"Ich mache mir Sorgen ums Speed-Team", sagt Hans Knauß, einst einer von Österreichs besten Skifahrern und nun ORF-Experte.

Warum nicht mehr Talente in den Weltcup nachkommen und welches große Problem der ÖSV hat, erklärt Knauß im LAOLA1-Interview:

LAOLA1: Die Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel stehen an und im ÖSV-Abfahrts-Team wird Matthias Mayer schmerzlich vermisst. Wie beurteilst du seinen spontanen Rücktritt?

Hans Knauß: Es war für mich klar, dass er es genau so machen wird. Die ersten fünf Minuten habe ich auch gedacht: 'Spinnt der jetzt?', aber dann habe ich mir gedacht: Typisch Mayer! Ich habe ihm in Bormio im Hotel dann noch zugeschaut, als er gemütlich seine Tasche gepackt hat und einfach heimgefahren ist. Genau das ist der Mothl. Er war nie der Mann der großen Show, aber trotzdem ein geiler Typ, der mich immer fasziniert hat.

LAOLA1: Jetzt ist Vincent Kriechmayr der Teamleader in der Speed-Mannschaft. Liegt ihm diese Rolle?

Knauß: Vinc ist jetzt der Fels in der Brandung bei den Speed-Fahrern. Er bekommt eh schon ein paar graue Haare, deshalb habe ich zu ihm gesagt: Jetzt passt es genau. Er ist nun der Vater des Teams und er hat die Rolle voll drauf. Vinc ist ein guter Teamleader. Wenn du als junger Bursch' dazu kommst, dann wird er dir weiterhelfen. Das ist wichtig.

LAOLA1: Trotzdem ist das Speed-Team durch Mayers Rücktritt und Verletzungen merklich geschrumpft. In Bormio waren nur fünf Österreicher in der Abfahrt am Start. Machst du dir Sorgen?

Knauß: Ja, sicher mache ich mir Sorgen. Gerade wenn du nicht so viele Sieganwärter hast, sind diese Ausfälle brutal schmerzlich. Der Sport ist extrem gefährlich und wenn es wieder einen zerlegt, dann stehst du blass da.

"Der ÖSV hat in den letzten Jahren immer gesagt, wir sind die beste Ski-Nation der Welt. Nein! Wir haben Bereiche, da sind wir nicht mehr die Besten."

Hans Knauß

LAOLA1: Mit Ausnahme von Daniel Hemetsberger, der sich nach seinen Verletzungen nun im Weltcup etabliert hat, drängt aus der sogenannten zweiten Garde jedoch niemand nach vorne.

Knauß: Hemetsberger hat es geschafft, dass er sich vom Mitfahrer zum Mitfavoriten gewandelt hat. Sein Werdegang mit den Verletzungen – das ist unfassbar, was er geleistet hat. Ich hätte schon 100 Mal aufgehört vorher. Von dem her Respekt. Aber der ÖSV schafft es nicht, die zweite Garnitur näher heranzubringen. Vereinzelt funktioniert es, aber eigentlich müssten die noch härter andrücken. Es wäre in Zukunft wichtig, die Läufer der zweiten und dritten Gruppe gemeinsam mit der Topgruppe nach oben zu bringen. Sich gegenseitig nach oben zu pushen, hat uns damals stark gemacht. Das fängt im Training an. Ich hoffe, dass das beim ÖSV in Zukunft wieder mehr stattfindet.

LAOLA1: Mit Julian Schütter und Andreas Ploier sind – auch ein wenig aus der Not heraus – zumindest zwei jüngere Läufer ins Weltcup-Team aufgerückt. Warum kommt nicht mehr nach?

Knauß: Der ÖSV hat ein Problem: Man hat nicht genug Leute, die unter 80 FIS-Punkte (Wert darunter Voraussetzung für Weltcup-Start; Anm.) haben. Weil die Zuschlagspunkte-Regelung bei FIS- und Europacup-Rennen geändert wurde, haben wir zu viele Leute aus den 80 Punkten verloren. So ist es auch dazu gekommen, dass z.B. in Bormio nur fünf Österreicher am Start waren – da habe ich fast zum Weinen angefangen. Darüber haben wir früher gar nicht nachgedacht, ob wir genug Leute unter den Top 80 haben. Die Jungen müssen aber viel mehr im Weltcup mitgenommen werden, die brauchen wir auf den Pisten. Vergiss den Europacup, ich kann das nicht mehr hören. Da haben wir 25-Jährige, die schon ewig dort fahren – wozu?

LAOLA1: Wie schafft man es, den Übergang junger Läufer in den Weltcup besser zu gestalten?

Knauß: Der ÖSV hat in den letzten Jahren immer gesagt, wir sind die beste Ski-Nation der Welt. Nein! Wir haben Bereiche, da sind wir nicht mehr die Besten. Alleine wenn ich mir die Struktur im konditionellen Bereich hinten nach anschaue, dann weiß ich, dass das nicht das Beste ist. Da ist Luft nach oben im Heranführen der jungen Leute von den FIS-Rennen und dem Europacup in den Weltcup. Das gehört geändert. Das ist Steinzeit, was wir da haben. Das ist genau gleich wie damals, als ich jung war. Aber die Zeiten haben sich geändert. Ich habe jetzt auch nicht die Patentlösung, aber man muss die Programme verändern und das neu aufstellen. Das Niveau bei uns ist immer eher gesunken bzw. nicht mitgewachsen. Ich sage nicht, dass die alle einen schlechten Job machen, aber wir müssen es ändern.


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