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Wie die ÖSV-Riesentorläuferinnen 1,5 Sek. aufholen wollen

Der Riesentorlauf ist Österreichs Krisen-Disziplin. Neo-Trainer Christian Perner hat den ÖSV-Frauen einen neuen Schwung verpasst und will eine WM-Medaille.

Wie die ÖSV-Riesentorläuferinnen 1,5 Sek. aufholen wollen

Am Samstag startet mit dem Riesentorlauf der Frauen in Sölden (ab 10 Uhr im LIVE-Ticker) die neue Ski-Saison.

Der bisher letzte österreichische Sölden-Triumph jährt sich heuer zum zehnten Mal. 2014 gewann Anna Veith ex aequo mit Mikaela Shiffrin.

Bis dato letzte Riesentorlauf-Siegerin des ÖSV im Weltcup war Eva-Maria Brem am 7. März 2016 in Jasna. Seither kamen nur zwei Stockerlplätze hinzu. Stephanie Brunner (Killington/2018) und Katharina Liensberger (Lienz/2019) fuhren jeweils auf Platz drei.

Der Riesentorlauf ist das Sorgenkind im ÖSV-Team.

Nach dem Abgang von Karlheinz Pichler nach der abgelaufenen Saison übernahm Christian Perner als Trainer der Riesentorlauf-Frauen. Seit einem halben Jahr betreut er die Gruppe rund um Julia Scheib, Stephanie Brunner, Ricarda Haaser und die aktuell verletzte Elisabeth Kappaurer.

Perner will die ÖSV-Truppe wieder an die Spitze führen. Er hat sowohl auf- als auch abseits der Piste für einen neuen Schwung gesorgt. 

"Bitte bezeichnet mich nicht als überheblich, aber ich will eine Medaille", sagt der Steirer im Hinblick auf die Heim-WM in Saalbach im Februar.

Im LAOLA1-Interview erklärt Perner, wie die ÖSV-Frauen die 1,5 Sekunden Rückstand auf die Weltspitze aufholen sollen, was ihn an dem Job reizt und warum die ÖSV-Athletinnen zum Lachen nicht mehr in den Keller gehen.

LAOLA1: Es gibt einfachere Jobs als jenen des Riesentorlauf-Trainers im ÖSV. Was hat dich an der Aufgabe gereizt?

Christian Perner: Das ist eine berechtigte Frage. Roli Assinger (ÖSV-Frauen-Cheftrainer; Anm.) hat mich im Februar letzten Jahres schon gefragt, seine Überredungskünste waren sehr gut. Ich habe mir das durch den Kopf gehen lassen und mir unsere Damen auch angeschaut. Ich liebe es, Herausforderungen anzunehmen und Unmögliches möglich zu machen. Das heißt nicht, dass es eine unmögliche Aufgabe ist, die Damen fahren gut. Man muss nur den richtigen Hebel ansetzen, ich hoffe, dass mir das gelingt.

"Wir mussten im technischen Bereich sehr viel verändern bzw. verbessern. Ich habe eine andere Vorstellung davon, wie man einen perfekten Schwung fährt, als es bei unseren Damen der Fall war."

LAOLA1: Wie macht man Österreich wieder zu einer Riesentorlauf-Nation?

Perner: Ich bin jetzt sechs Monate im Amt, das wird nicht so schnell greifen. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir einen Schritt nach vorne machen werden, mit konsequenter Arbeit, Engagement und Teamwork. Ich kann jetzt nicht so ins Detail gehen, aber wir mussten im skitechnischen Bereich massiv etwas ändern. Das haben wir gemacht. Aber wir haben eine Tour vor uns, am Samstag ist die erste Etappe. Ich bin überzeugt, dass wir wieder an die Spitze kommen. Meine Devise ist klar: Der Zweite ist der erste Verlierer, dann ist die Zielsetzung ganz klar.

LAOLA1: Die da genau lautet?

Perner: Ich bringe es auf den Punkt: Podestplätze bei einzelnen Rennen. In der Gesamtwertung wollen wir eine Athletin in den Top sieben haben, eine zweite Athletin in den Top 15, insgesamt drei Athletinnen unter den Top 20 und fünf unter den Top 30.

LAOLA1: Und bei der Heim-WM in Saalbach?

Perner: Bei der WM geht es logischerweise um Medaillen. Bitte bezeichnet mich nicht als überheblich, aber ich will eine Medaille. Vierte zu werden mit einer Hundertstelsekunde Rückstand ist zwar ein super Ergebnis, aber es bringt bei einer WM nichts.

LAOLA1: Ist eine Medaille Stand jetzt realistisch? Roli Assinger hat zuletzt erklärt, es fehlen noch 1,5 Sekunden auf die Spitze.

Perner: Wir haben genug Zeit bis Saalbach, um die 1,5 Sekunden zu finden. Ja, es gibt eine Mikaela Shiffrin, Federica Brignone, Sarah Hector und Co., die werden uns den Weg weisen. Aber ich bin so lange in dem Geschäft, die anderen kochen auch nur mit Wasser. Ich weiß genauso, wie man Wasser zum Kochen bringt und das werde ich mit unseren Damen machen.

LAOLA1: Du hast gesagt, dass sich im skitechnischen Bereich massiv etwas ändern musste. Betrifft das das ganze Team?

Perner: Ja, das gilt für alle. Wir mussten im technischen Bereich sehr viel verändern bzw. verbessern. Ich habe eine andere Vorstellung davon, wie man einen perfekten Schwung fährt, als es bei unseren Damen der Fall war. Wir haben wirklich hart und intensiv daran gearbeitet. Die Arbeit ist auch noch nicht fertig, die Stabilität ist noch nicht zu 100 Prozent da. Eingeschliffene Muster muss man mit Zeit, Geduld und harter Arbeit ausbessern. Wir sind aktuell bei 70 Prozent. Wir wollen nicht nur im Riesentorlauf, sondern auch im Super-G und in der Abfahrt zeigen, was möglich ist.

LAOLA1: Wie sieht der perfekte Schwung aus deiner Sicht aus?

Perner: Wir teilen einen Schwung in drei Phasen ein. Bevor Phase eins nicht fertig ist, brauche ich nicht in Phase zwei oder drei gehen. Momentan sind wir beim Abschließen der Phase eins, Phase zwei und drei haben wir noch vor uns. Fakt ist, die Basics sind schlampig durchgeführt worden. Mir hat im Bereich der berühmten Skigelenke, also Sprung- Knie- und Hüftgelenk, zu wenig Bewegung stattgefunden. Das war alles zu statisch, wir gehen jetzt wieder ins Dynamische über. Man wird sehen, dass wir sportliche Skifahrer sind.

LAOLA1: Braucht es körperlich ein anderes Training, um diese neue Technik fahren zu können?

Perner: Der Stil, den sie bis jetzt gefahren sind, ist kraftaufwändiger. Darum haben wir auch in den vergangenen Jahren im letzten Drittel der Rennen immer viel Zeit verloren. Durch die Technikumstellung schaut es jetzt sportlicher aus und man braucht weniger Kraft bzw. wenn man die Kraft richtig einsetzt, wird man schneller. Damit muss man dann natürlich auch mental umgehen. Darum haben wir auch mehr mit Geschwindigkeit gearbeitet. Wenn wir das alles umsetzen, werden wir schneller. Das müssen die Athletinnen aber auch lernen. Wir sind auf einem guten Weg und ich bin überzeugt, dass wir das schaffen.

"Wir haben im Frühjahr den ersten Trainingskurs in Sölden gemacht, nach dem zweiten Tag habe ich die ganze Mannschaft zusammengetrommelt und gesagt, Leute, was ist los, ihr geht ja zum Lachen in den Keller."

LAOLA1: Inwieweit musst du auch auf psychologischer Ebene arbeiten? Gerade eine Heim-WM kann ja einen Belastung sein.

Perner: Das Psychologische ist ein Riesenfaktor. Aber wenn wir wie momentan hart arbeiten, verbunden mit Spaß und Freude, werden wir im psychologischen Bereich gar nicht viel machen müssen. Wir freuen uns aufs Trainieren, wir freuen uns aufs Rennen am Samstag. Wir haben innerhalb kürzester Zeit ein Teamgefüge zusammengebracht, auf das ich wirklich stolz bin und das ist einer der Faktoren, der meines Erachtens in der Vergangenheit gefehlt hat. Ich bin kein Wunderwuzi, aber ich glaube, dass ich durch meine jahrelange Erfahrung sehr wohl weiß, wo wir den Hebel ansetzen müssen. Ich spüre und fühle es, dass das Vertrauen von Athleten zu Trainern und von Trainern zu Athleten da ist.

LAOLA1: Die Athletinnen haben erzählt, dass bei dir der Spaß nicht zu kurz kommt. War es nötig, diese Lockerheit in die Gruppe reinzubringen?

Perner: Ja, das war absolut nötig. Wir haben im Frühjahr den ersten Trainingskurs in Sölden gemacht, nach dem zweiten Tag habe ich die ganze Mannschaft zusammengetrommelt und gesagt, Leute, was ist los, ihr geht ja zum Lachen in den Keller. Das interessiert mich nicht. Meistens bin ich der Team-Clown, das mache ich gerne. Die positive Einstellung und den Spaß an dem, was wir machen dürfen, vermitteln wir den Athletinnen. Wenn man lacht, ist man selbstsicherer und das schlägt sich dann auch im Training oder Rennen nieder.

Die 3er-Gondel gibt ihre Tipps für den Weltcup-Auftakt ab:


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