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Trinker: "Habe eine klare Idee, wie man Skifahren sollte"

Nach 20 Jahren im ÖSV Cheftrainer! Trinker über den Reiz der neuen Aufgabe, Stenmark, Hirscher und Löcher im heimischen Ski-Nachwuchs.

Trinker: Foto: © GEPA

Fast auf den Tag genau in einem Monat beginnt beim ÖSV eine neue Ära. 

Mit dem Start in die neue Ski-Saison beim Weltcup-Auftakt in Sölden (22./23.10.) haben auch die neuen Cheftrainer von Österreichs Frauen und Männern ihren ersten offiziellen Auftritt in dieser Rolle. Während Männer-Coach Marko Pfeifer durch seine vorherige Tätigkeit als Technik-Trainer vielen Ski-Fans bereits bekannt war, kam die Ernennung von Thomas Trinker zum Frauen-Cheftrainer im Frühjahr doch etwas überraschend. 

Dabei arbeitet der 47-jährige Steirer, der mittlerweile in Tirol lebt, schon seit über 20 Jahren für den Österreichischen Skiverband, war unter anderem zwei Jahre im Weltcup mit den Damen unterwegs. 

"Ich habe einen Vorteil: Ich kenne viele der Athletinnen sehr gut und sie kennen mich sehr gut", sagt Trinker. Den Cheftrainer-Posten im ÖSV angeboten zu bekommen, sei "nicht alltäglich": "Umso mehr freut es mich, dass ich die Möglichkeit bekomme. Ich hoffe, ich kann sie nutzen."

Im LAOLA1-Interview verrät Trinker, was ihn am meisten am Cheftrainer-Job reizt, wie sein Idealbild vom Skifahren aussieht und was Ingemar Stenmark und Marcel Hirscher damit zu tun haben. 

Außerdem erklärt der Cheftrainer, wie er es vermeiden will, dass Löcher im Ski-Nachwuchs panisch gestopft werden müssen und wie es um eine mögliche nächste Gesamtweltcup-Siegerin aus Österreich steht. 

LAOLA1: Bist du schon voll in deiner neuen Rolle als Cheftrainer angekommen?

Thomas Trinker: Es ist nicht wie immer, es ist schon etwas Besonderes. Das hat wahrscheinlich auch mit der Größe der Gruppe zu tun. Bis jetzt hatte ich immer eine Mannschaft von fünf bis zehn, jetzt sind es doch rund 50 Damen. Da will man natürlich überall die Entwicklung im Blick behalten. Dann kommen noch 30 Trainer dazu, wobei die sehr selbstständig arbeiten. Wir haben versucht, unsere Strukturen auszuarbeiten und es läuft bisher ganz gut.

LAOLA1: Was waren deine ersten Amtshandlungen?

Trinker: Ich habe einen Vorteil: Ich war von 2012 bis 2016 Europacup-Chef und dann zwei Jahre im Weltcup bei den Damen und der Großteil dieser Jahrgänge ist jetzt noch dabei, also kenne ich die Athletinnen sehr gut und sie kennen mich sehr gut. Ich weiß also auch, wie die einzelnen Charaktere ticken. Mehr Arbeit war es, das Trainerteam neu aufzustellen. Es ist sehr vieles beim Alten geblieben, aber von außen betrachtet hat man das Gefühl, es ist gewaltig umgekrempelt worden. Wir haben nur ein paar Bausteine verschoben. Ich hoffe, dass das zum Erfolg führen wird.

LAOLA1: Warum wurden diese Bausteine verschoben, sprich Posten anders besetzt?

Trinker: Weil es für die Leute, die jetzt in Führungspositionen gekommen sind, Zeit geworden ist, dass sie solche Aufgaben haben. Sie haben schon viele Jahre sehr gute Arbeit geleistet, aber man stumpft irgendwann ab, wenn man immer das Gleiche macht. Wir haben versucht, neue Impulse zu setzen.

"Im Alltag bin ich eher der Kumpel-Typ. Was das Skifahrerische betrifft, bin ich schon sehr "straight". Da habe ich eine ganz klare Idee, wie man Skifahren sollte."

LAOLA1: Auch du bist schon seit über 20 Jahren für den ÖSV tätig, ehe du nun zum Cheftrainer befördert wurdest. Kam das überraschend für dich?

Trinker: Überraschend kann man nicht sagen, aber es war natürlich eine große Freude, dass ich die Chance bekomme. Das ist nicht alltäglich. Der Cheftrainer-Posten ist im ÖSV ja grundsätzlich ein stabiler Posten, wenn man sich die vergangenen 25 Jahre so anschaut. Umso mehr freut es mich, dass ich die Möglichkeit bekomme. Ich hoffe, ich kann sie nutzen.

LAOLA1: Was reizt dich am meisten an dieser Aufgabe?

Trinker: Die einzelnen Athletinnen zu entwickeln. Dass man sie dort abholt, wo sie aktuell stehen und dann eine gemeinsame Strategie entwickelt – zusammen mit Trainern, Serviceleuten, dem individuellen Umfeld der Sportlerin, das gehört alles dazu. Es ist sehr komplex und man muss die richtigen Entscheidungen treffen. Es ist ja nicht nur das Skifahren, das passen muss, damit eine Athletin ihre Bestleistung abrufen kann. Dass alles gut zusammenspielt ist die größte Herausforderung.

LAOLA1: Was für ein Trainer-Typ bist du?

Trinker: Grundsätzlich bin ich ein introvertierter Mensch. Im Alltag, wenn es nicht ums Skifahren geht, bin ich eher der Kumpel-Typ. Was das Skifahrerische betrifft, bin ich schon sehr "straight". Da habe ich eine ganz klare Idee, wie man Skifahren sollte. Die Philosophie, von der ich überzeugt bin, versuche ich gemeinsam mit den Trainern in die Gruppe zu implementieren.

LAOLA1: Wie lautet deine Philosophie?

Trinker: Man muss eine klare Idee davon haben, wo man steht. Dann kann man einzelne Punkte herausarbeiten, in denen man sich weiterentwickeln kann, z.B. die Psyche, Physis, Skitechnik, Persönlichkeit oder das Umfeld. Da spielen ganz viele Faktoren mit rein. Der Weg ist das Ziel. Und das Ziel ist erreicht, wenn ich die Karriere beendet habe. Egal wie viel man erreicht hat im Sport, man muss sich immer weiterentwickeln. Im jungen Alter geht das sehr schnell, aber nach oben hin wird dann die Luft immer dünner.

LAOLA1: Du hast gesagt, du hast eine klare Idee vom Skifahren. Wie schaut dein Idealbild vom Skifahren aus?

Trinker: Es geht einerseits um die Technik, andererseits um den Stil. Den individuellen Stil soll jede Athletin beibehalten, bei der Technik ist das was anderes. Es ist immer auch ein bisschen davon abhängig, wer im Moment am schnellsten ist. Ich traue mich aber zu sagen, dass Ingemar Stenmark eine ähnliche Technik gefahren ist, wie sie dann Marcel Hirscher gefahren ist. Da hat sich in den letzten 25 bis 30 Jahren - bis auf das Balancieren am Ski - relativ wenig verändert.

LAOLA1: Das klingt einfacher, als es in der Umsetzung wahrscheinlich ist.

Trinker: Die Umsetzung ist dann die Methodik. Ich habe am Beginn meiner Trainerkarriere extrem viel Video geschaut, mittlerweile bin ich nicht mehr so ein Fan davon, weil die Sprache relativ wenig bewirkt. Es ist immer die Anforderung, die etwas verändert. Ich muss mir als Trainer Gedanken machen, was das Ziel ist und was mich zu diesem Ziel führt. Das ist viel relevanter und wichtiger als ein Video-Studium.

"Manche gewinnen ein Rennen und brauchen ein Jahr, bis sie das nächste gewinnen, weil sie sich zwölf Monate lange freuen."

LAOLA1: Was sind deine Ziele und Visionen als Cheftrainer?

Trinker: Wir wollen die Besten sein. Mannschaftlich haben wir das letztes Jahr wieder geschafft, aber das Ziel ist natürlich, dass wir in allen Disziplinen gut dastehen und das nicht nur mit einer oder zwei Läuferinnen, sondern mit mehreren. Bei den Damen kommt das Karriereende im Schnitt mit 30 Jahren, also haben wir eine relativ kurze Zeitspanne. Wir müssen daher auch schauen, dass der Nachschub gegeben ist. Ich werde viel Wert darauf legen, dass wir die Jungen gleich im Weltcup einsetzen, wenn es Plätze gibt. Damit wir eine gute Mischung aus Arrivierten und Jungen haben und damit dann, wenn die Älteren aufhören, die Löcher nicht panisch gestopft werden müssen sondern mit einer gewissen Strategie.

LAOLA1: Du hast bei deiner Ernennung zum Cheftrainer gesagt, dass du von den Athletinnen unbedingten Siegeswillen und mentale Stärke sehen willst. Hat dir das in der Vergangenheit gefehlt?

Trinker: Ich kann jetzt nicht pauschal sagen, dass das, was die Mädels in den letzten Jahren geleistet haben, nicht gut genug war. Aber es wäre uns natürlich lieber, wenn es besser wäre. Der Skisport ist ein recht harter Sport, ich weiß nicht, ob es etwas Vergleichbares gibt. Ein Fehler tut weh, vor allem in den Speed-Disziplinen. Die Herausforderung ist eine sehr große, da muss ich als Athletin bereit sein. Ich muss mich wohl fühlen bei dem, was ich mache und einfach die Zähne zusammenbeißen und das Maximum rausholen. Das über einen längeren Zeitraum abzurufen ist das, was die absoluten Top-Athletinnen und -Athleten vom Durchschnitt trennt. Marcel Hirscher hat so konstant auf hohem Niveau performt, das war unglaublich. Andere gewinnen ein Rennen und brauchen ein Jahr, bis sie das nächste gewinnen, weil sie sich zwölf Monate lange freuen. Der Weg an die Spitze ist machbar, aber oben zu bleiben ist sehr herausfordernd. Da spielt der Kopf auch eine große Rolle. Das muss man genau so trainieren, das kann man auch erlernen.

LAOLA1: Wie siehst du die einzelnen Gruppen generell aufgestellt, auch was den Nachwuchs betrifft?

Trinker: In der Speed-Abteilung sind wir sehr stark aufgestellt, da ist auch die zweite Garde schon bereit, in den Weltcup zu gehen. Da werden wir heuer noch keinen Platz haben, aber mittelfristig wird das sicher gehen. Wo wir ein Problem haben ist der Slalom. Da haben wir zwar ein paar Top-Läuferinnen – mit der Verletzung von Katharina Gallhuber jetzt wieder eine weniger - , aber das ist nur eine Handvoll. Da müssen wir schauen, dass wir den Anschluss nicht verlieren. Wir müssen jedes Pflänzchen, das wir haben, versuchen an die Weltspitze zu bringen.

LAOLA1: Hat der ÖSV mittelfristig gesehen auch eine Gesamtweltcup-Siegerin in seinen Reihen? Die letzte war Anna Veith 2014/15.

Trinker: Ja, das haben wir. Ich nenne jetzt aber keine Namen, das wäre anderen Läuferinnen gegenüber nicht fair. Es gibt aber viele Athletinnen, die sich selbst hoffentlich auch dort sehen und die das Potenzial dazu haben.

LAOLA1: Eine davon ist mit Sicherheit Katharina Liensberger. Gibt es bei ihr Ambitionen, den Super-G dazu zu nehmen?

Trinker: Im Moment liegt der Fokus bei ihr auf Slalom und Riesentorlauf. Speziell im Riesentorlauf sind noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Wenn das geschafft ist, wird man sicher versuchen, sich in Richtung Super-G zu entwickeln. Kathi ist vom Mindset und vom Willen her sicher geeignet für die große Kugel.

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