Die Schweiz ist der große Abräumer dieses Ski-Winters.
Lara Gut-Behrami und Marco Odermatt stehen bereits als Gesamtweltcup-Sieger fest. Das Duo wird voraussichtlich acht von zehn möglichen Kristallkugeln abräumen. Nur im Slalom gehen die Kugeln mit Mikaela Shiffrin und Manuel Feller nicht an die Eidgenossen.
Hauptverantwortlich für die Schweizer Skistars rund um Odermatt und Gut-Behrami ist ein Salzburger: Hans Flatscher.
Der 54-Jährige, der mit der ehemaligen Weltklasse-Läuferin Sonja Nef verheiratet ist, arbeitet bereits seit 20 Jahren im Schweizer Verband. Unter anderem war er Cheftrainer der Frauen, Abfahrts-Coach der Männer und zuständig für den Nachwuchs bei Swiss Ski. Vor einem Jahr wurde er zum Alpin-Direktor befördert.
Im LAOLA1-Interview erklärt Flatscher, was hinter den Erfolgen der Schweizer steckt und warum die Rivalität zu Österreich so wichtig ist.
LAOLA1: Wie macht ihr das in der Schweiz, dass ihr so erfolgreich seid?
Hans Flatscher: Als ich den Job übernommen habe, haben sie zu mir gesagt: Jetzt kannst du nur verlieren, besser wird‘s ja nicht mehr werden. Und jetzt ist es noch einmal besser geworden. Also verloren haben wir zumindest schon mal nicht in meinem ersten Jahr. (lacht) Aber es ist eine brutale Herausforderung und kein Selbstläufer. Wir haben keinen Tag Zeit, uns auszuruhen und zu denken, es passt schon. Wir haben zwei Athleten, die vorneweg richtig Dampf machen und wir können die anderen Athleten im Windschatten dahinter aufbauen. Das hilft sicher. Wir haben eine Breite an Spitzenathleten, nicht in jeder Disziplin, aber wir sind gut aufgestellt. Im Nachwuchs- und Junioren-Bereich sind wir auch ziemlich gut aufgestellt, bei der Junioren-WM haben wir neun Medaillen geholt. Es laufen viele Sachen gut, aber uns ist völlig bewusst, wie knapp alles beisammen liegt. So eine Saison wie heuer, da muss einfach alles super funktionieren und das Quäntchen Glück braucht es auch. Das ist oft auf unserer Seite, aber wir müssen das Glück nicht ausnützen sondern schauen, dass wir ohne Glück gut bleiben.
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LAOLA1: In Österreich hat Marcel Hirscher durch seine Dominanz jahrelang die eine oder andere Baustelle im ÖSV verdeckt. Siehst du eine ähnliche Gefahr in der Schweiz durch die Erfolge von Marco Odermatt und Lara Gut-Behrami?
Flatscher: Eines ist klar: Wenn so jemand wegfällt, hinterlässt das immer Spuren. Das wird auch bei uns Spuren hinterlassen. Aber ich glaube, wir sind jetzt schon seit Jahren dran, die Mannschaft dahinter zu stärken, damit die übernehmen können. Wir arbeiten da wirklich sehr bedacht und versuchen weit unten die Hebel anzusetzen, um es tunlichst zu vermeiden, dass da eine Lücke entsteht. In der Abfahrt zum Beispiel haben wir den Übergang nach den Rücktritten von Feuz und Caviezel gut geschafft, da sind wir trotzdem nicht abgestürzt. Aber ersetzen können wir einen Odermatt zum Beispiel auch nicht.
LAOLA1: Wie schafft ihr es, immer wieder junge Athleten in den Weltcup zu bringen? An dem Schritt vom Europacup in den Weltcup scheitern viele.
Flatscher: Das ist für uns gleich schwierig wie in Österreich. Der Schritt von der FIS-Stufe oder der Junioren-WM in den Weltcup ist ein riesiger. Da steckt eine riesige Aufgabe dahinter, um ganz oben Fuß zu fassen. Damit das gelingt, braucht es gute Strukturen. Gutes Personal ist wichtig, es ist heutzutage aber nicht mehr ganz so einfach, gute Trainer zu finden. Wir pflegen in unseren Teams eine hohe Wertschätzung, Kontinuität und möglichst viel Dynamik – viel Druck im Kessel.
"Wir sind wie Österreich auch irgendwo zum Erfolg verpflichtet. Man erwartet den Konkurrenzkampf zwischen Österreich und der Schweiz. Das ist eine Tradition und auch gut so. Das ist ja fast ein Kulturgut. Das müssen wir hochhalten und leben."
LAOLA1: Wie erklärst du das Phänomen Marco Odermatt?
Flatscher: Odi ist eine Ausnahmeerscheinung. So wie es in Österreich einen Hermann Maier oder Marcel Hirscher gegeben hat. Marco ist es wichtig, dass er ein gutes Umfeld um sich hat. So kann er seine Leistung bringen. Das versuchen wir ihm logischerweise zu ermöglichen, da legen wir sehr viel Wert darauf. Aber was noch viel wichtiger ist, der Mensch Odermatt ist eine Ausnahmeerscheinung.
LAOLA1: Wie sehr profitiert der Schweizer Verband von der Persönlichkeit Odermatt?
Flatscher: Das ist enorm wichtig, nicht nur für die Mannschaft, sondern auch für den Nachwuchs, die Begeisterung ist groß. Aber einer alleine reicht da auch nicht. Wenn du nur einen Guten hast, entsteht noch keine Ski-Euphorie.
LAOLA1: Marco Odermatt ist der Nationalheld, Lara Gut-Behrami hat in der Schweiz dagegen einen schwierigen Stand bei den Ski-Fans.
Flatscher: Lara ordnet dem Erfolg alles konsequent unter. Was ihr nicht gut tut, macht sie nicht. Sie hat zum Teil einen eigenen Umgang mit gewissen Sachen. Lara ist ein einzigartiger Mensch, eine einzigartige Sportlerin. Den Raum muss man ihr einfach geben. Sie darf so sein, wie sie ist. Das unterstützen wir auch so. Es gibt gewisse Regeln, gewisse Grenzen, aber darin bewegt sie sich gut. So respektieren wir das auch. Allen kann man es nie Recht machen. Ihr Erfolg spricht für sich.
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LAOLA1: Apropos Erfolg: Im Nationencup habt ihr den Sieg in der Gesamtwertung und bei den Männern bereits in der Tasche. Bei den Frauen hat Österreich vor den verbleibenden zwei Rennen die Nase vorne. Wie wichtig ist der Nationencup in der Schweiz?
Flatscher: Das ist bei uns sehr wichtig. Unser Anspruch ist, dass wir eine breite Spitze und einen breiten Nachwuchs haben. Den Nationencup gewinnt nicht ein Odermatt alleine, das kannst du nur mit einer Breite an guten Athleten erreichen. Und das leben wir auch so. Ich würde sagen, das ist in der Schweiz gleich wichtig wie in Österreich. Den Nationencup verschenken wir auch nicht. Wir sind wie Österreich auch irgendwo zum Erfolg verpflichtet. Man erwartet den Konkurrenzkampf zwischen Österreich und der Schweiz. Das ist eine Tradition und auch gut so. Das ist ja fast ein Kulturgut. Das müssen wir hochhalten und leben.
LAOLA1: Wenn du eine Bilanz ziehst, wie war dein erster Winter in der Position als Alpindirektor?
Flatscher: Es ist brutal umfangreich. Es fängt bei der U16 an und geht bis zur Nationalmannschaft. Da sind über 100 Leute, die wir da dabei haben. Wo viele Leute sind, gibt es auch viele Aufgaben. Es ist wirklich sehr abwechslungsreich, spannend, intensiv. Ich war in den letzten 20 Jahren in vieles involviert, es sind nicht so viele Sachen, die mir jetzt komplett fremd sind. Die Kunst ist, alles zu verbinden und da, wo es mal ein bisschen holprig ist, zu schauen, dass es wieder rund läuft. Vom Nachwuchs bis zur Nationalmannschaft, das hält sich ziemlich die Waage. Es ist nicht so, dass ich die halbe Zeit im Weltcup bin, dafür ist alles zu umfangreich. Ich versuche im Hintergrund die Fäden zu ziehen und das Ganze zusammenzuhalten, damit alles funktioniert.