Dicke Flocken fallen vom Himmel, über Kitzbühel hängt eine wuchtige Nebeldecke. Die Szenerie wirkt fast etwas mystisch.
Ich lasse meinen Blick nicht lange in die Ferne schweifen, wende ihn zur Sicherheit wieder Richtung Boden. Nur kein falscher Schritt, nur nicht ausrutschen, denke ich mir.
Ich stehe an der Kante des Starthauses in Kitzbühel. Direkt am "Abgrund". Dort, wo sich am Samstag Marco Odermatt und Co. hinausstürzen. 50 Prozent Gefälle, binnen weniger Sekunden beschleunigen die Läufer auf knapp 100 km/h, bevor sie über die Mausefalle – die steilste Stelle der Streif – fliegen, ins gefühlte Nichts.
Die Hahnenkamm-Abfahrt am Samstag, 11:30 Uhr im LIVE-Ticker >>>
Was auf den TV-Bildern schon beeindruckend aussieht, ist in Wirklichkeit noch viel faszinierender. Dabei kann man den eisigen Untergrund der Streif unter einer Schicht Neuschnee an diesem Tag nur erahnen.
Der Anblick ist einschüchternd. Der Puls steigt, das Herz klopft spürbar schneller.
Für einen kurzen Moment stelle ich mir vor, wie es wäre, hier mit Skiern an meinen Füßen zu stehen. Das Herz klopft gleich noch schneller. No way!
Es gibt kein Zurück
"Zurückziehen gibt's nicht", sagt mir Ernst. Er ist seit 2016 der Startrichter auf der Streif. Ohne sein Go verlässt kein Rennläufer das Starthaus.
Ernst hat es noch nie erlebt, dass ein Athlet am Start einen Rückzieher gemacht hat. "Die wollen alle unbedingt da raus", sagt er. Die müssen alle nicht sehr an ihrem Leben hängen, denke ich mir.
Im unmittelbaren Startbereich des über 400 Quadratmeter großen, zweistöckigen Komplexes auf 1.665 Meter Seehöhe halten sich maximal drei Läufer samt Betreuer gleichzeitig auf. Erst auf den letzten Metern werden die Skier angeschnallt.
Damit diese nicht verschmutzen, wird auch im Startbereich auf Sauberkeit geachtet. Nicht nur deshalb ist das Starthaus für "Touristen" wie mich eigentlich Tabu. Es ist aus vielerlei Sicht ein einmaliges Erlebnis.
An Renntagen ist es hier mucksmäuschenstill. An einer Wand hängen die Bilder der Vorjahressieger, an der anderen steht eine Goldene Gams. Ein letzter Ansporn, bevor sich die Rennläufer aus dem Starthaus wuchten? Vielleicht.
"Hier beginnt der Mythos Kitzbühel", sagt Ernst. Ab hier gibt es kein Zurück mehr. Der 'point of no return'. Der einzige Ausgang aus dem Starthaus geht auf die Piste.
Für mich gilt das an diesem Tag zum Glück nicht...