"Ich gehe zu Hause jedes Mal an den zwei Goldenen Gämsen vom Papa vorbei. Da denkt man, es wäre ein Traum, auch einmal eine zu gewinnen."
Jetzt ist der Traum für Josef Ferstl Wirklichkeit. 40 Jahre nach dem zweiten Abfahrts-Triumph seines Vaters Josef „Sepp“ Ferstl auf der Streif gewinnt der 30-Jährige den Super-G in Kitzbühel.
Mit Startnummer eins fuhr er zum historischen Erfolg: Es ist der erste Super-G-Sieg eines Deutschen in Kitzbühel.
"Heilige Scheiße, war ich aufgeregt", sagt Ferstl über die lange Zeit des Wartens bis zum Rennende, in der er immer wieder zittern musste und von seinem Platz am Leaderboard nervös aufgesprungen ist. Letztlich setzte er sich um gerade einmal acht Hundertstel vor Johan Clarey und zehn Hundertstel vor Abfahrts-Sieger Dominik Paris durch.
„Ich denke, dass heute keiner einen perfekten Lauf gehabt hat, weil es echt ruppig und eisig war. Dadurch, dass wir erst um 13.30 Uhr gestartet sind, war das Licht bei mir auf alle Fälle ein bisschen besser. Ausnutzen muss man es - das habe ich gemacht. Heute habe ich etwas Glück gehabt. Im Leben kommt es auch immer wieder zurück. Ich bin Zehnter der Weltrangliste, habe die Nummer eins nehmen müssen. Ich habe mir gedacht, ich fahre es aus dem Bauch heraus, aus dem Gefühl“, erklärt Ferstl.
Kitzbühel, das Wohnzimmer
"Wenn einer gesagt hätte, ich gewinne mit Startnummer eins, hätte ich ihn ausgelacht“, ergänzt er im ORF. „Für mich ist Kitzbühel das Wohnzimmer.“
Schon als Kind sei er mit seinem Vater jedes Jahr in die Gamsstadt gefahren, der als Hahnenkamm-Sieger immer eingeladen wurde. Ferstls Vater hatte die legendäre Abfahrt in Kitzbühel 1978 und 1979 gewonnen.
„Als ich mit sechs Jahren zum ersten Mal hier war, hat er mich gezwungen runterzufahren. Das war nicht so lustig“, erzählt Ferstl mit einem Augenzwinkern von seiner ersten Bekanntschaft mit der Streif.
Druck, genauso wie sein Vater in Kitzbühel gewinnen zu müssen, wurde ihm jedoch nie auferlegt, stellt Ferstl klar.
„Papa unterstützt mich überall, er hat so viel für mich gemacht. Ein Schmarrn, dass er gesagt hätte, du musst Kitzbühel gewinnen. Er wollte immer nur das Beste, das war überhaupt kein Thema. Ich bin immer gern Ski gefahren, weil es Spaß gemacht hat. Er hat mich nie zu irgendetwas gezwungen und mir wirklich gar keinen Druck gemacht. Durch Druck geht gar nichts. Wie man sieht, es muss passieren.“
Ferstl: "Das sind für mich die wahren Helden"
Für Ferstl ist der Triumph in Kitzbühel sein zweiter Weltcup-Sieg nach jenem von vor zwei Jahren beim Super-G in Gröden.
Schon 2015 hatte man ihn als kommenden Spitzenfahrer gesehen, ehe er sich bei der Abfahrt in Santa Caterina einen Kreuzbandriss zuzog. Ferstl kämpfte sich zurück, seit seinem Sieg in Gröden im Dezember 2017 schaffte er es aber nicht mehr aufs Podest.
In der aktuellen Saison zeigte der 30-Jährige in Abwesenheit der verletzten Thomas Dreßen und Andreas Sander zuletzt aufsteigende Form, ein Top-Resultat gelang ihm bis Kitzbühel nicht.
"Ich bin stolz auf das ganze Team, auf alle, die mich immer unterstützt haben und an mich geglaubt haben. Ich habe wirklich Tage gehabt, wo ich alles infrage gestellt habe. Das sind für mich die wahren Helden, die an mich geglaubt haben, und nicht die, die jetzt kommen und gratulieren. Danke an das Trainerteam und den DSV, an meine Eltern, meine Frau und meine Kinder“, sagt Ferstl.
Keine Ausbesserungen an der Ferstl-Gondel
Mit seinem Sieg setzt sich das deutsche Märchen in Kitzbühel fort, nachdem im Vorjahr Thomas Dreßen überraschend die Abfahrt gewonnen hat.
Nun bekommt auch Ferstl seine Gondel am Hahnenkamm. "Ich habe gleich gesagt, wenn ich das gewinne, möchte ich meine eigene haben. Ich möchte dann nicht irgendwelche Ausbesserungen haben oder nur was dazu gepickt“, spielt er lachend auf die Gondel seines Vaters an.
„Es ist wirklich unglaublich. Es war ein Traum von Kindheit an, da einmal zu gewinnen, jetzt ist das wirklich passiert."