"God Save the Queen" – Nach dem Slalom in Kitzbühel ertönte erstmals in der 55-jährigen Geschichte des alpinen Ski-Weltcups die britische Hymne zu Ehren des Siegers.
Dave Ryding sorgte mit seinem Triumph am Ganslernhang für die Überraschung schlechthin und erfüllte sich mit seinem ersten Weltcupsieg einen lang gehegten Traum.
"Der Sieg bedeutet die Welt für mich", erklärt der aus Lancashire stammende Ryding nach seinem Premieren-Erfolg in seinem 97. Weltcuprennen.
Vor fünf Jahren stand "Rocket Ryding", wie der Fahrer von der Insel gerufen wird, schon einmal in Kitz auf dem Podest, damals musste er sich als Zweiter lediglich einem gewissen Marcel Hirscher geschlagen geben. Es war Rydings erster Stockerlplatz im Weltcup, zwei weitere (2. beim City-Event in Oslo/2019 und 3. im Adelboden-Slalom/2021) folgten.
"Ich bin jetzt 35 Jahre alt, aber ich habe nie aufgehört zu glauben und zu kämpfen", ist Ryding nach seinem Sieg überwältigt.
Rydings Anfänge als Skifahrer: "Es war ein Schock"
"Mit 13 bin ich in die Welt hinaus gezogen, um Ski zu fahren", erinnert sich Ryding zurück. "Am Anfang war es ein Schock, es war ein langer Weg."
Der Weg begann in Lancashire, der Grafschaft nördlich von Liverpool und Manchester. Seine ersten Schwünge zog Ryding unter Anleitung des Vaters auf Plastikmatten, erst vier Jahre später fuhr er das erste Mal auf Schnee Ski. Bis zu seinem 21. Lebensjahr trainierte er immer wieder auf Gras- oder Plastik-Pisten.
In Österreich trainiert Ryding bevorzugt in Hinterstoder oder auf der Reiteralm. Dass nun ausgerechnet im Ski-Mekka Kitzbühel der erste Weltcupsieg gelingt, ist eine Draufgabe.
"Ich habe immer daran geglaubt, dass ich es schaffen kann, aber meine (verbleibenden) Rennen wurden weniger und weniger und Zweifel sind immer da", erklärt Ryding.
In solchen Momenten habe ihn sein Unterstützer-Team - viele Trainer, Betreuer und Sponsoren haben Österreich-Bezug - "gepusht", sagt Ryding, "manchmal mehr als mir lieb war".
Auch seine Familie und Verlobte Mandy, mit der er im Sommer 2019 ein Cafehaus in Tarleton, nahe Blackburn eröffnete, unterstützt ihn zu jeder Zeit. "Obwohl ich nicht immer der Einfachste im Umgang bin."
Ryding: "In diesem alten Hund steckt noch Leben"
Gerührt und stolz stellt sich Ryding am Samstag selbst ein Zeugnis aus: "Ich schätze, in diesem alten Hund steckt noch Leben."
Der "alte Hund" ist ein beliebtes Mitglied des Weltcup-Zirkus. "Der Dave ist ein richtig netter Mensch", sagt Michael Matt. "Ich kann mich erinnern: Vor einigen Jahren hat er geführt, da haben ihm die Knie gezittert am Start. Er war dann Zweiter bei sehr, sehr schwieriger Kurssetzung. Das liegt ihm."
ÖSV-Cheftrainer Andres Puelacher ergänzt: "Er kann Skifahren, das wissen wir alle miteinander, sonst wäre er nicht in der ersten Startgruppe. Er hat das heute am besten gemacht. Voll schön für ihn natürlich und Großbritannien."
Von der britischen Insel hat neben Ryding nur ein anderer Mann je ein Weltcup-Podest bestiegen: Vor gut 40 Jahren wurde Konrad Bartelski in einer Gröden-Abfahrt Zweiter.
"Ich habe kein Heimrennen, aber da sind immer ein paar Briten in den Alpen", bedankt sich Ryding in Kitzbühel bei seinen unter den 1.000 zugelassenen Fans lautstark jubeln Landsleuten, "weil sie das Skifahren lieben – und die Party lieben sie auch."
Nicht ausgeschlossen, dass in der Gamsstadt am Samstag die eine oder andere – hoffentlich Corona-konforme – britische Party steigt. Erste Anlaufstelle könnte der berühmte Club "Londoner" sein.
Die Verantwortlichen der Hahnenkamm-Rennen spielen indes schon mit dem nicht ganz ernsten Gedanken, die Queen zur Gondelübergabe an Ryding einzuladen…