Das erste Mal auf der Streif – dieses Erlebnis bleibt jedem Rennläufer in Erinnerung.
Für Vincent Kriechmayr war seine erste Fahrt auf der berühmt-berüchtigten Strecke in Kitzbühel "einer meiner schönsten Momente".
"Den Mythos Streif kennt man. Ich hatte die Hosen voll", erinnert sich der Oberösterreicher zurück und schildert grinsend seine erste Fahrt am Hahnenkamm:
"Ich habe mir gesagt: Angriff ist die beste Verteidigung. Vor der Mausefalle habe ich so abgebremst, dass ich fast nicht drüber gekommen bin. Ich hatte sechs Sekunden Rückstand, habe aber solche Glücksgefühle gehabt, als hätte ich gewonnnen."
Einige seiner ÖSV-Kollegen erlebten ihr erstes Mal auf der Streif am Dienstag im Training. Hört man ihnen so zu, könnte man meinen, der Mythos Streif beginnt leicht zu bröckeln.
"So schlimm war es gar nicht"
"Ich hab' es gar nicht so arg gefunden", sagt etwa Felix Hacker, nachdem er die Streif zum allerersten Mal bezwungen hat, und meint sogar: "Es war richtig lustig zum Fahren."
Der 23-Jährige, der bisher noch kein Weltcup-Rennen bestritten hat, bezeichnet die Streif zwar als eine der "brutalsten Strecken", "aber wenn man einmal runter gefahren ist, ist die Angst ein bisschen weg".
Von Angst keine Spur war bei seiner ersten vollständigen Streif-Befahrung bei Julian Schütter. Der 24-jährige Schladminger war am Hahnenkamm bereits im Europacup im Einsatz, jedoch auf verkürzter Strecke.
"Es ist meistens so, dass es beim Besichtigen schlimmer ausschaut, da kriegt man ein bisschen Respekt. Im Ziel denkt man sich dann: So schlimm war es gar nicht."
"Ich war noch nicht mal wandern auf der Streif"
Mit etwas Anspannung aus dem Starthaus gegangen ist Manuel Traninger, der ebenfalls schon im Europacup erste Bekanntschaft mit der Streif gemacht hat. "Ich habe dann während dem Fahren gemerkt, dass es gar nicht so schlimm ist. Es war wirklich lässig", erzählt der 24-Jährige.
Zum allerersten Mal auf der Streif war am Dienstag Andreas Ploier. "Ich war davor noch nicht mal wandern hier", lacht der 25-jährige Oberösterreicher. "Ich habe mich sehr gefreut, dass ich da fahren darf. Als kleines Kind, wenn man anfängt mit dem Skifahren, ist das das große Ziel."
Große Nervosität oder gar Angst habe er am Start nicht verspürt. "Aber es ist brutal, wie viele Leute da am Start stehen und Fotos machen", schildert Ploier seine Eindrücke. Die Trainingsfahrt selbst sei "sehr cool" gewesen, "alles ist super gegangen".
Die Schauergeschichten werden weniger
Vor seinem Streif-Debüt holte sich Ploier noch Tipps bei Landsmann und Zimmerkollege Daniel Hemetsberger. "Er hat mich sehr gut darauf eingestellt, deshalb war ich nicht so nervös. Ich war gut vorbereitet", verrät der 25-Jährige.
Neben Hemetsberger sind natürlich die Tipps von Teamleader Vincent Kriechmayr bei den weniger erfahreneren Läufern willkommen.
"Wenn Hemi oder Vinc was sagen, vertraue ich darauf", so Ploier. "Das Teamgefüge bei uns ist sehr gut. Die routinierteren Fahrer helfen gerne weiter. Wir schauen schon, dass wir gemeinsam schnell Skifahren, auch wenn es ein Einzelsport ist", sagt Traninger.
Die Schauergeschichten über die Streif, die den Jüngeren von den Älteren seit Jahrzehnten erzählt werden, werden hingegen weniger.
"Der Schmäh läuft schon, aber nicht mehr so derb", findet Schütter. Nicht selten wurde jungen Fahrern vor ihrem Kitzbühel-Debüt geraten, die Tasche für das Krankenhaus zur Sicherheit schon zu packen.
"Die blöde Rederei gehört dazu, der Schmäh muss auch laufen", weiß Kriechmayr aus eigener Erfahrung, "aber bei ernsten Fragen hat man immer einen Tipp bekommen und genau so machen wir das jetzt auch. Wir haben ein gutes Teamgefüge und natürlich versucht man, ihnen ein paar Sachen zu sagen, so wie es bei mir früher war. Sie sind super drauf und können supergut skifahren. Wenn man die Überzeugung und das Selbstvertrauen hat, ist die Erfahrung da runter gar nicht so entscheidend."
Wer bekommt den letzten ÖSV-Startplatz?
Felix Hacker, Andreas Ploier, Markus Traninger und Stefan Rieser rittern in Kitzbühel um den letzten Startplatz für die Abfahrten.
Sechs Österreicher wird ÖSV-Cheftrainer Marko Pfeifer am Freitag und Samstag auf die Kitzbüheler Streif schicken. Das kleine Kontinent ist nicht allein der aktuellen Leistungsdichte geschuldet, sondern auch verletzungsbedingten Ausfällen und dem FIS-Punktesystem.
Ein Quintett steht fest: Der zweifache Saisonsieger Vincent Kriechmayr, Daniel Hemetsberger, Otmar Striedinger, Stefan Babinsky und Julian Schütter haben fixe Startplätze. Christopher Neumayer muss wegen Knieproblemen passen. Über den letzten offenen Startplatz entscheiden die Trainer nach dem zweiten Training am Donnerstag.
"Insgeheim wissen sie, dass der Schnellere fahren wird. Wer halbwegs gut runterfährt, wird logischerweise aufgestellt", meint Pfeifer, der mit den Auftritten seiner jungen Athleten im ersten Training zufrieden ist.
"Rieser hat zwei Europacupsiege, das ist ein gewisser Bonus. Ein Hacker präsentiert sich nicht schlecht, ein Ploier ist bei den letzten Super-G gut gefahren", zählt Pfeifer auf. Er will sich noch mit den Abfahrtstrainern Sepp Brunner und Werner Franz besprechen, dann wird eine Strategie zurechtgelegt.
"In der Situation jetzt, wo wir Junge aufbauen, möchte ich nicht sagen, es geht um Biegen und Brechen. Aber klar, jeder hat einen Ehrgeiz, und auch wenn wir keine Quali fahren, werden sie versuchen im Training anzudrücken."
FIS-Regelung wird dem ÖSV "zum Verhängnis"
Rieser, der zuletzt zwei Europacup-Abfahrten gewonnen hat, wäre laut Live-Rechnung eigentlich auf der Streif schon startberechtigt, die FIS-Liste kommt aber nur alle drei, vier Wochen raus.
"Es ist bei uns Head-Trainern schon gesprochen worden und ein Wunsch von vielen, dass das geändert wird, dass man wie beim Tennis wöchentlich am Montag ein Update bekommen sollte. Und auch, dass man die Quotenplätze schneller anpasst, man Plätze verlieren oder gewinnen kann. Das wird uns heuer zum Verhängnis, wir verlieren in der Hochphase Startplätze aufgrund dieses Reglements", erklärt Pfeifer.
Somit kommt neben Kriechmayr, Hemetsberger, Striedinger, Babinsky und Schütter nur einer der jüngeren Athleten zu einem Renneinsatz.
Zumindest Stefan Rieser traute sich im Ziel der Streif dann doch zuzugeben: "Es ist schon schwer. Und beim Rennen wird es dann nochmal etwas ganz anderes werden."