Es geht wieder los!
In Sölden fällt traditionell der Startschuss für die neue Saison, die erste Standortbestimmung für die kommenden Monate - wenn auch aufgrund von Corona unter anderen Bedingungen.
Christian Mitter blickt auf eine durchwachsene erste Saison als Rennsportleiter der ÖSV-Damen zurück. Zwei magere Saisonsiege, viele Verletzte und Erkrankte, keine Weltcup-Kugel und am Ende auch noch Vorhaltungen von ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel nach verlorenem Nationencup ergaben eine zwiespältige Saison, die noch dazu wegen Corona schon Ende Februar nach nur 30 statt 41 Rennen abgebrochen wurde. Doch Mitter ist zuversichtlich und möchte mit den Damen den nächsten Schritt machen.
Dafür hat der ehemalige Erfolgscoach der norwegischen Herren an einigen Schrauben gedreht. Nicht geändert hat er seine Meinung über die Zielstrebigkeit der ÖSV-Damen. "Die Professionalität, der Ehrgeiz und die Bestimmtheit der Mädchen sind herausragend", lobt der Steirer.
Keine "Zwischen-den-Stühlen-Situation" mehr
Nachgebessert hat Mitter vor allem bei internen Abläufen. Hatte die Ablöse von Abfahrtschef Roland Assinger durch Florian Scheiber andere Gründe, legte Mitter noch mehr Augenmerk auf passende Gruppengrößen und Ablaufstrukturen. So wurde eine WC3-Gruppe gegründet, die nicht zufällig an das ehemalige Drei-Disziplinen-Erfolgsmodell bei den ÖSV-Herren erinnert, aus der Assen wie Hermann Maier, Stephan Eberharter oder Hans Knauß riesige Erfolge gelangen.
"Über den Riesentorlauf zum Speed", heißt nun auch wieder bei den ÖSV-Damen das Motto in dieser Trainingsgruppe. Dieser gehören neben Europacup-Gesamtsiegerin Nadine Fest noch Ricarda Haaser, Rosina Schneeberger und die routinierte Ramona Siebenhofer an. Chef ist Wolfgang Grabner. "Es war mir eine Herzensangelegenheit sowas zu machen und dass die Gruppe auch aufgefüllt wird", so Mitter. Aufhören soll damit auch die "Zwischen-den-Stühlen-Situation" etwa für Haaser. "Jetzt", so Mitter, "reist man als Gruppe."
"Wie wenn Ferrari und McLaren in der Formel 1 nicht mitfahren dürfen"
Auch bei den ÖSV-Damen war und ist Corona allgegenwärtig. Mitter versucht das Thema zumindest organisatorisch von den Damen fernzuhalten. "Damit sie nur noch die Tests machen müssen." Er hoffe, dass es diesmal trotz schwieriger Umstände eine ganze Saison gebe und andere Länder dem alpinen Skirennsport ähnliche "nationale" Bedeutung geben würden wie Österreich. "Damit es wirkliche Weltcuprennen sind und nicht Bewerbe für die Nationen, die gerade niedrige Corona-Zahlen haben." Wenn Österreich wegen Reiseverboten nicht antreten könne, sei das "wie wenn Ferrari und McLaren in der Formel 1 nicht mitfahren dürfen."
Mitter ist bewusst, dass er selbst in der Pandemie eine Schlüsselposition innehat. Ist er doch der Coach, der mit jeder Trainingsgruppe interagiert. "Also bin ich ein großer Risikofaktor, weil ich Kontakt habe mit der ganzen Mannschaft und jeder einzelnen Zelle." Er begegne dem mit besonders rigorosem Verhalten, halte sich fern von jedem Risiko und größeren Ansammlungen, hat sogar seine Familie nach Schweden "auf Urlaub" geschickt. An die 20 PCR-Tests hat er seit Mai gemacht. "Ich bin sicher der Meistgetestete", ist Mitter überzeugt.
Gesundheitsvorsorge, so Mitter, gehe aber über Corona hinaus. Auch gegen die klassische Grippe hat er sich wie immer impfen lassen und sein Appell gehe an alle Beteiligten und Coaches im Skisport mit der Bitte um Disziplin auch im privaten Bereich. "Betreuer müssen ihre Verantwortung gegenüber dem Spitzensport und dem Job bewusst wahrnehmen. Es ist das größte Risiko für den Skisport, wenn hier die Disziplin nachlässt. Ich möchte nicht der sein, der zwei Tage vor einer Olympia-Abfahrt eine Sportlerin aus dem Spiel nimmt."
"Neue" Veiths sind Mitters Ziel
Mitter geht in seine zweite ÖSV-Saison ohne die zurückgetretenen Anna Veith. "Solche wie sie gibt's nicht viele", ist ihm bewusst. Bald "neue Veiths" zu haben, ist irgendwie auch das Ziel seiner Arbeit. Die Richtung stimme. "Wir haben die Quantität im Training raufgeschoben, um den Level zu heben."
Der Riesentorlauf sei zwar immer noch die Disziplin mit dem größten Rückstand und daher überschaubaren Erwartungen am kommenden Samstag. Immerhin stelle man in Sölden aber gleich 11 Starterinnen, auch die Verletzten Bernadette Schild und Stephanie Brunner sind wieder dabei. "Wir haben schon ein ordentliches Riesen-Team. Aber eben derzeit eher zwischen den Nummern 20 und 40 und nicht zwischen 1 und 20."
Zufrieden war Mitter mit den Slalom-Damen und im Speedbereich sei etwas übersehen worden, dass die zweite Garde den Anschluss geschafft habe. Das gelte vor allem für Nina Ortlieb, aber auch eine Elisa Mörzinger oder Franziska Gritsch. "Läuferinnen, die man vor kurzem noch nicht so kannte." Insgesamt hoffe er auf eine kompakte und starke Mannschaft mit pro Disziplin vier oder fünf Läuferinnen, "die eine Gefahr sind". Und zwar unabhängig von Gelände oder Pistenbedingungen.
Dass Präsident Schröcksnadel speziell den Speed-Damen Schuld am historischen Verlust des Nationencups gab, lässt Mitter nicht unreflektiert stehen. "Sicher hat man mehr erwartet, vielleicht sogar eine Art Kompensation für die Herren. Aber es stimmt alleine schon mathematisch nicht", rechnet er vor. "Wir waren immer noch vor der Schweiz und vom Punkteschnitt her lagen wir im Bereich der vergangenen Jahre."
Allerdings hätten Nationen wie Italien eine gewaltige Saison mit Vierfachsiegen oder vielen Läuferinnen in den Top Ten gehabt. "Dort", so Mitter optimistisch, "wollen wir auch hin". Die Zeichen dafür sind da. "Wir haben einige Genesene und der interne Konkurrenzkampf ist stärker geworden."