Für Ex-Ski-Superstar Anna Veith (35) ist der Sport nach wie vor ein großer Teil ihres Lebens.
Nicht nur verfolgt die Salzburgerin mit, was sich im Spitzensport rund um die Performance der Österreicherinnen vor der Heim-WM in Saalbach-Hinterglemm und dem Comeback von Lindsey Vonn tut. Mit ihrem neuen Fitnessprogramm in Zusammenarbeit mit carpe diem (Red Bull Media House) hält sie sich selbst fit und will andere mitziehen.
Die Olympiasiegerin, dreifache Weltmeisterin und zweifache Gesamtweltcupsiegerin im Interview mit der APA - Austria Presse Agentur:
Frage: Sie waren als Weltmeisterin von 2011 zwei Jahre später in Schladming am Start. Ist eine Heim-WM ein Segen oder ein Fluch?
Anna Veith: Im Gesamten würde ich es als Segen sehen. In dem Moment, in dem man sich denkt, ich habe so viel Druck, jeder schaut auf mich, ist es natürlich eine riesengroße Herausforderung. Es ist sicher schwieriger bei einer Heim-WM zu performen, aber das hat man meistens nur einmal in einer Karriere. Es ist deshalb so etwas Großes, weil man weiß, es kommt in den meisten Fällen nicht mehr, es ist einmalig. Das sind spezielle Erfahrungen, an denen man extrem wachsen kann.
Frage: Sie durchlebten in Schladming ein Wechselbad mit der Medaille als versöhnlichen Abschluss. Was sind die prägendsten Erinnerungen?
(Artikel wird unterhalb fortgeführt)
Veith: Das Auf und Ab. Im Nachhinein bin ich an der WM am meisten gewachsen. Ich habe nicht meinen größten Erfolg dort gefeiert, aber ich habe einen Erfolg gefeiert. Das war die Medaille im Riesentorlauf, die ich sehr erkämpfen musste. Ich war im Super-G, in der Abfahrt und der Kombi in Topform. Ich hätte im Super-G die Goldmedaille gewinnen können, ich habe es aber nicht geschafft. Ich will nicht sagen, dass ich an der Herausforderung an dem Tag zerbrochen bin, aber ich habe es einfach nicht hingekriegt. Ich habe es aber geschafft, bei der WM das Ruder für mich herumzureißen und die Medaille zu holen. Das hat mir gezeigt, wie es geht für die Zukunft. Ich habe daraufhin in Sotschi und Beaver Creek meine größten Erfolge feiern können.
Frage: Wieviel Potenzial sehen Sie im aktuellen österreichischen Frauen-Team?
Veith: Viel, das hat man bei Conny Hütter gesehen, bei Julia Scheib, zuletzt bei Stephanie Venier. Ich glaube, dass Roland Assinger den Job sehr gut macht, dass er versucht alle mitzuziehen, das Team zusammenzuführen, dass alle an einem Strang arbeiten. Das habe ich in den Jahren davor so nicht gesehen, letztes Jahr hat es aber schon gut funktioniert. Die Frage ist jetzt, wie schaffen sie es, diese Heim-WM anzunehmen und zu sagen, das ist meine Chance oder da muss ich jetzt performen. Mit welcher Einstellung gehe ich rein und wie kann ich meine Leistung bringen. Sie kennen Saalbach, es liegt ihnen, egal in welcher Disziplin, die Chancen sind sicher da. Ich würde ihnen wünschen, dass sie es nützen.
Frage: Derzeit gibt es viele Themen im Skisport abseits von Leistung. Zum Beispiel die Comebacks. Wie sehen Sie jenes von Lindsey Vonn?
Veith: Mit großem Respekt. Ich hätte ihr das so nicht zugetraut, denn sie ist jetzt die Rennen gefahren, die am technisch schwierigsten waren. Hut ab. Lindsey hat die Stärken eigentlich ganz woanders, diese Rennen kommen jetzt. Ich bin sehr gespannt auf Cortina. Ich traue ihr alles zu. Auch in Saalbach sehe ich mit der Strecke, dass es ihr gelingen kann. Ich finde es einfach cool, es kommt mit den Comebacks wieder Schwung in den Ski-Weltcup. Genau das braucht das Skifahren.
Frage: Wie war rückblickend betrachtet Ihr Verhältnis zu Vonn? 2015 wurden Sie in Vail Super-G-Weltmeisterin, Vonn wurde Dritte. Damals standen Sie das einzige Mal bei einem Großereignis gemeinsam auf dem Podest.
Veith: Das Verhältnis war nicht speziell freundschaftlich, aber auch nicht das Gegenteil. Lindsey ist fünf Jahre älter als ich, ich habe sie immer als Vorreiterin gesehen. Als ich ganz jung war, war sie schon voll etabliert und die Beste. Sie hat den Damenskisport sehr geprägt, so wie sie aufgetreten ist. Sie hat ihn weiblicher gemacht. Sie hat die Medien an sich gerissen und sie hat die Konkurrenz belebt. Lindsey zieht auch heute das Interesse an sich. Was das mit den Konkurrenten macht, ist das andere. Man wird immer darauf angesprochen, es gab auch Zeiten, wo mich das genervt hat. Du musst einen Weg finden, damit umzugehen.
Frage: Reizt es Sie nicht auch noch einmal?
Veith: Ich finde es extrem spannend, dass es die Möglichkeit gibt. Ich glaube, dass viele, die die Anforderungen erfüllen, darüber nachgedacht haben. Es öffnet einem die Tür, wieder einmal ein einzelnes Rennen anzugehen, wenn es einen reizt - nach einer gewissen Vorbereitung natürlich, aber recht unkompliziert. Bei mir mit meinen zwei sehr kleinen Kindern ist es weit weg. Aber ich sage niemals nie, man darf es nicht ausschließen. Ich werde es jetzt nicht machen, aber wer weiß, was später ist. Lindsey ist auch schon 40 und es funktioniert.
Frage: Sie sind zweifache Mama von Lotte und Henry, wissen, was das mit Körper und Seele macht. Jung-Mama Tamara Tippler kämpft um das Comeback. Anders als im Tennis oder der Leichtathletik gibt es keine geschützte Zone für Läuferinnen mit Kindern, keine Betreuung vor Ort. Glauben Sie, dass Tippler im Skisport, weil er eben doch mehr Gefahr mit sich bringt, eher die Ausnahme bleiben wird?
Veith: Das glaube ich schon. Im Skisport ist das eher kompliziert zu organisieren, die Infrastruktur vor Ort für Kinder ist nicht so gegeben. Der Skisport ist kein familienfreundlicher Sport, nicht nur, weil es nicht organisiert ist, sondern alleine schon, was logistisch dahintersteckt, die vielen Orte und vielen Reisen. Das ist ohne Kinder schon extrem. Für mich wäre es kein Thema gewesen, zu sagen, ich kriege eine Familie und ich fahre wieder weg, das hätte ich nicht geschafft. Aber das ist mein persönliches Empfinden. Ich glaube, Tami ist es wichtig zu sehen, was sie noch schaffen kann und was noch möglich ist.