Nach mehr als einem Jahrzehnt Vollgas hat Ski-Superstar Marcel Hirscher seine einzigartige Karriere beendet.
"Ich mache es kurz und schmerzlos. Es ist der Tag, an dem ich meine aktive Karriere beenden werde", erklärte ein gelöst wirkender Doppel-Olympiasieger am Mittwochabend in Salzburg.
Die Entscheidung sei zwei Wochen davor gefallen, betonte Hirscher. Seine berufliche Zukunft ist offen.
Zehn Jahre nach Hermann Maier verliert die Skination Österreich damit wieder einen Sportler, der den alpenländischen Nischensport in die ganze Welt hinausgetragen und dem Land eine Sieger-Identität gegeben hat.
67 Weltcupsiege, vor allem aber seine acht Weltcup-Gesamtsiege in Serie haben neben den vielen WM- und Olympiamedaillen Hirscher zum erfolgreichsten Skirennläufer aller Zeiten gemacht. Nun geht der Jung-Vater neue Wege.
"Bin froh, dass ich es hinter mir habe"
Hirscher war vergangenen Winter in Aare nochmals Weltmeister im Slalom geworden. "Auf der letzten Rille", wie er nun gestand.
"Es hat wahnsinnig viel Kraft gekostet." Nach dem Winter war der Salzburger rasch abgetaucht. Sein obligatorisches Sommergespräch Anfang August hatte Hirscher kurzfristig abgeblasen, was erstmals Rücktritts-Vermutungen befeuert hatte. Am Mittwoch, sechs Wochen vor dem Auftakt der kommenden Weltcup-Saison in Sölden beendete der Technik-Spezialist das Rätselraten und wirkte dabei gefasst und fast schon erleichtert. "Ich bin froh, dass ich es hinter mir habe und dass es jetzt ruhiger wird",
Mit Hirscher tritt nach Lindsey Vonn, Aksel Lund Svindal und Erik Guay ein weiterer Szene-Star zurück, der Skisport taucht damit in eine neue Ära ein. Auch für Österreichs Ski-Herren beginnt ein neues Zeitalter, auch eines der Chancen. "Für den Gesamtweltcup ist es heuer sicherlich noch zu früh", meinte Hirscher bei der für ihn eigens inszenierten TV-Show im Salzburger Eventzentrum Gusswerk. "Aber mannschaftlich, speziell im Technikbereich ist der Generationswechsel vollzogen", traut er seinen ÖSV-Nachfolgern wie Manuel Feller, Michael Matt oder Marco Schwarz viel zu.
Schröcksnadel wollte es Hirscher nicht ausreden
"Rückblick, Einblick, Ausblick", hatte der Titel der Einladung Hirschers gelautet. Die Auflösung folgte dann zur Fernseh-Primetime, war doch bis zum Schluss auch spekuliert worden, Hirscher würde nur eine Art "Auszeit" bekanntgeben. "Es tut weh, wenn so ein Athlet aufhört. Aber irgendwann kommt bei Jedem irgendwann dieser Zeitpunkt", sagte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, der sein absolutes Aushängeschild verliert und natürlich vorab informiert worden war.
Er habe aber keine Sekunde versucht, ihm das auszureden, betonte Schröcksnadel, der den erfolgreichsten Sportverband Österreichs seit vielen Jahren anführt. Selbst Bundespräsident Alexander van der Bellen meldete sich noch am Abend zu Wort. "Wenn ein Jahrhundert-Skifahrer wie Sie seinen Rücktritt erklärt, dann ist das zuerst ein kleiner Schock."
Im Gegensatz zu damals Maier gab Hirscher im Gespräch mit seinem moderierenden Ex-Rennkollegen Marco Büchel sein Karriere-Ende vor zahlreichen und internationalen Medien gefasst bekannt. "Es ist ja keine große Überraschung mehr und jetzt bin ich erleichtert, dass ich endlich mal selbst was dazu sagen kann", meinte der Rekordsieger und fügte an: "Jetzt ist es draußen und auch leichter. Es ist gut, dass es zu einem Ende kommt."
Der Salzburger gab zu, dass ihm am Ende etwas die Zeit ausgegangen sei. Er habe schon mehrmals an Rücktritt gedacht, so richtig ernst genommen habe das aber niemand. "Der Sommer wird fast zu kurz, um die Zeit zu haben, um zu regenerieren", verglich er sich nun mit einer gebrauchten Batterie, die zum Aufladen immer länger brauche.
Zwölf Jahre diesen Sport ohne Verletzung und ohne Pause auf diesem Niveau zu betreiben, sei in die Entscheidung miteingeflossen. "Ich habe wahnsinniges Glück gehabt. Dass ich hier sitze mit gesunden Beinen und ohne große Wehwehchen, ist enorm", gestand Hirscher. "Ich möchte mit meinem Kleinen Fußball spielen, auf den Berg gehen, Motocross fahren. Ich kann es machen ohne Beschwerden."
Hirscher wollte "als Sieger gehen"
Er habe aber auch als Sieger zurücktreten wollen, deshalb sei der Zeitpunkt nun ideal. "Ich wollte es nicht übersehen. Ich bin am Zenit. Es war wichtig, am Höhepunkt aufzuhören und als Sieger zu gehen", sagte Hirscher. Aber, ja, jetzt ist es dann doch sehr rasch gegangen. Es fühlt sich aber immer noch gut an", gestand Hirscher während der live übertragenen Sendung lachend. Es sei eine schlaue Entscheidung, seine Karriere zu diesem Zeitpunkt zu beenden. Auf seine Karriere blicke er gerne zurück. "Ich bin stolz auf das, was ich zusammengebracht habe. Ich würde es genauso noch einmal machen."
Der Slalom-WM-Titel 2013 bei der Heim-WM in Schladming war Hirschers erster ganz großer Triumph gewesen. Danach war er über ein Jahrzehnt der Weltbeste in seinem Sport. Für das, was ihm das möglich gemacht habe, könne er nichts, betonte Hirscher. "Das hast du mitbekommen oder nicht. Ich hatte dieses Glück", gestand Hirscher, der auch punkto Materialperfektion eine neue Zeitrechnung begonnen hat.
Für Hirscher selbst beginnt nun ebenfalls eine neue Zeitrechnung. Mit "spannenden Projekten", wie er betonte, ohne Details zu verraten. Seine Erfahrung weiterzugeben, sei aber ein Thema gestand er. Was er am wenigsten vermissen werde, sei das Kofferpacken.
Den Wettkampfkitzel möchte sich der begeisterte Motorradfahrer aber weiterhin holen, "aber nicht wo es ums Gewinnen geht." Der erste Tag als offizieller Ski-Pensionist habe aber andere Inhalte, sagte der 30-Jährige, der sich bei seiner Familie, den Weggefährten und dem Team ausführlich bedankte.
"Ausschlafen und mit dem Frühstücken werde ich mir so viel Zeit lassen, wie ich möchte. Insgesamt freue ich mich, dass ich mehr von jenen Sachen machen kann, die ich bisher dem Profisport untergeordnet habe. Aber es war schon genial, dass Österreich so ski-fanatisch ist."