Es wird keine Gespräche zwischen Nicola Werdenigg und ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel über die von der ehemaligen Ski-Rennläuferin gemachten Missbrauchsvorwürfe geben.
Dies erklärte der Tiroler am Montagabend in der ORF-Sendung "ZIB2". "Das kommt leider nicht zustande. Vielleicht hätten wir einiges ausräumen können", so Schröcksnadel, der auch nicht mit dem Umfeld von Werdenigg sprechen darf.
Verständnis für diese von ihren Anwälten angeratene Entscheidung hat der ÖSV-Präsident nicht.
"Wenn sie die Behauptung aufstellt, 2005 war was und alle haben es gewusst, dann weiß ich jetzt nicht, warum sie nicht dazu steht. Wenn man nicht dazu steht, darf man es öffentlich nicht äußern", schilderte Schröcksnadel seine Sicht.
Schröcksnadel: "Wir wollen aufklären"
"Schritte können wir nur setzen, wenn wir wissen, was da war", betonte Schröcksnadel. Man mauere nicht. "Wir wollen ja aufklären, aber dazu hilft man uns nicht", ärgerte sich der Verbands-Chef. Der ÖSV wartet nun ab, was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergeben. "Wenn der Staatsanwalt sagt, es war nichts, würde uns eine Entschuldigung auch schon reichen", sagte Schröcksnadel.
Sollte dabei nichts herauskommen, würde es ihn nicht überraschen.
"Wenn im Skizirkus jemand mit jemandem was anfängt, dann weiß man das nach ein paar Tagen. Dass man sexuelle Übergriffe gar nicht erfährt, ist für mich unwahrscheinlich", so Schröcksnadel.
Pum sieht es ähnlich
Hans Pum sah das in der Puls-4-Sendung "Pro und Contra", in Vertretung des ehemaligen Cheftrainers Herbert Mandl, der verletzungsbedingt seine Teilnahme absagen hatte müssen, ähnlich: "Wir sind 200 Tage im Jahr unterwegs. So etwas würde sich in so einem Team sofort herumsprechen, das wäre sicher ans Tageslicht gekommen."
Pum war auch zum angegebenen Zeitpunkt 2005 als Sportchef verantwortlich. "Ich bin seit 40 Jahren beim ÖSV und habe kein einziges Mal über sexuellen Missbrauch gehört. Ich habe jetzt auch mit sehr vielen ehemaligen Trainern oder Sportlern gesprochen, es hat nie jemand was von sexuellem Missbrauch gehört", sagte Pum. Mit dem "Generalverdacht" kann er deshalb nur schwer leben.
"Es steht im Raum, dass es auch im Jahr 2005 noch Vorfälle gegeben hat und die Verantwortlichen davon gewusst haben. Da geht es um uns, die da erwähnt worden sind. Das können wir nicht sitzen lassen auf all unseren Trainern und Betreuern", meinte Pum.
Laut ihm genüge es, wenn Werdenigg der Staatsanwaltschaft die nötige Auskunft erteilt. "Wenn etwas passiert ist, wird man die Person dann zur Rechenschaft ziehen, das wollen wir auch."
Internate als Gefahrenherd für Übergriffe
Probleme orteten beide in anderen Institutionen. "Wir haben erwachsene Leute bei uns, keine kleinen Kinder. Zu uns kommen die Athleten frühestens mit 16, darunter sind Institutionen, die man sich sicher genauer anschauen muss", sagte Schröcksnadel. Er sei selber fünf Jahre in einem Internat gewesen. "Ich weiß, wie es da zugeht", so der ÖSV-Boss.
Immer wieder wird von Betroffenen von Ritualen wie dem "Pastern" berichtet. "Es ist ein Ritual gewesen, ich war selbst nie dabei, bin nie drangekommen. Jetzt habe ich aber schon lange von solchen Vorkommnissen in Schulen und Internaten nichts mehr gehört", sagte Pum.
Die zweifache Olympia-Siegerin Michaela Dorfmeister erwähnte, dass sie natürlich davon gehört habe. "Ich war acht Jahre im Internat, bei den Mädels war das Pastern nicht so das Thema, da ist gewassert worden, das Bett nass gemacht worden. Aber ja, es war gang und gebe."
Als sie von Werdeniggs Outing erfahren hatte, war sie erschüttert. "In meiner Laufbahn bin ich mit dem Gott sei Dank überhaupt nie in Berührung gekommen. Es war nie so das Thema bei uns", erklärte Dorfmeister. Wenn es in ihrer Gruppe passiert wäre, wäre es wohl durch die Runde gegangen. "Da wäre sicher was rausgekommen", vermutete auch das Ex-Alpin-Ass.
Werdenigg gibt der Staatsanwaltschaft Auskunft
Werdenigg wird der Staatsanwaltschaft Auskunft geben und möchte mittlerweile nach eigenen Angaben das Thema "vom ÖSV weggeben" und in die Sportverbandsstruktur bringen.
"Mir ist es wichtig, dass Strukturen geschaffen werden, damit Betroffene auf Hilfe zählen können", sagte die frühere Top-Athletin. Von der Bundessportorganisation wünscht sie sich Unterstützung für ein eigenständiges Netzwerk in Europa, das über dem Ganzen steht. "Das darf nicht in den Sportverbänden verankert sein und muss ganz eigenständig sein", so Werdenigg.
Bis jetzt seien die Probleme nämlich vielerorts ähnlich. "Viele Verbände funktionieren so, man will den Sport und Verband nicht beschmutzen, sie verfolgen es daher nicht strafrechtlich, Trainer werden nur suspendiert und gehen dann zum nächsten Verein und von dort zur nächsten Nation. Es wird nicht gemeldet, weil man den Sport nicht anpatzen will", erläuterte Werdenigg.
Sie hatte vor Tagen erklärt, dass sie in den 70er-Jahren u.a. vergewaltigt worden sei. Zudem hatte sie auch von einem ihr bekannten Missbrauchsfall aus dem Jahr 2005 berichtet, der an die Mannschaftsführung herangetragen worden sei. Um letzteres kümmert sich nun die Staatsanwaltschaft hauptsächlich.