Der Countdown für die Olympischen Winterspiele 2022 läuft. Ab 4. Februar geht es in Peking um Gold, Silber und Bronze.
Im Lager der ÖSV-Alpinen zerbrichen sich die Funktionäre bereits den Kopf darüber, welche Athletinnen und Athleten die Reise nach China antreten werden. Zwar ist die Deadline für die XXIV. Winterspiele noch einige Wochen entfernt, dennoch wirft die Zusammenstellung des rot-weiß-roten Olympia-Aufgebots bereits ihre Schatten voraus.
Denn in diesem Jahr dürfen Top-Nationen wie Österreich insgesamt 22 Sportler nominieren, davon zwingend je 11 Frauen und 11 Männer. Vor vier Jahren bei den Spielen in Pyeongchang waren es noch insgesamt 24 und höchstens 14 pro Geschlecht, womit die Nationen eine gewisse Flexibilität hatten, die mit der Quoten-Regelung nun verloren geht.
In der Schweiz, die wie Österreich als "große" Nation mehr betroffen ist, sorgt diese Änderung der Selektionskriterien für mächtig Ärger. "Das Reglement ist eine Frechheit, das Ganze hat mit Sport nicht mehr viel zu tun", schimpfte Swiss-Ski-Cheftrainer Tom Stauffer im "Tagesanzeiger". Stauffer spricht von einem politischen Entscheid. "Die FIS hat ihn in ihrem Geschlechterwahn gefällt."
Beim ÖSV ist die Entrüstung zwar nicht ganz so groß, die fixe Quote von elf Männern bei einem gleichzeitigen Überfluss an Podestkandidaten macht die Aufgabe für Herren-Cheftrainer Andreas Puelacher aber knifflig. "Klar macht es das schwieriger", sagte der Tiroler. "Die Aufstellung wird noch ein großes Thema werden."
Strategische Überlegungen: Wer darf mit zu Olympia?
Puelacher macht die neue Regelung mehr zu schaffen als seinem Pendant Christian Mitter bei den Frauen. Denn während es bisher acht Podest-Fahrer im Weltcup-Winter gab, kamen bei den Frauen mit Katharina Liensberger und Mirjam Puchner nur zwei unter die Top drei.
Härtefälle - arrivierte Athleten mit Medaillen-Potenzial wegen strategischer Überlegungen nicht mitzunehmen - wird es bei den Männern daher eher geben als bei den Frauen.
In Peking stehen bei Damen und Herren jeweils fünf Disziplinen (Abfahrt, Super-G, Kombination, Riesentorlauf, Slalom) sowie zum Abschluss ein Mixed-Teambewerb auf dem Programm.
"Wir können sehr zufrieden sein mit unseren Athleten. Bei 15 Rennen haben wir 14 Podest-Plätze eingefahren. Mannschaftlich sind wir, glaube ich, auch breiter aufgestellt. Wir haben acht verschiedene Podestfahrer - breiter geht es eigentlich nicht", erklärt Puelacher zum bisherigen Weltcup-Verlauf.
Auf dem Podium landeten bisher Matthias Mayer, Vincent Kriechmayr, Christian Hirschbühl, Dominik Raschner, Manuel Feller, Otmar Striedinger, Raphael Haaser und der nach einem Kreuzbandriss rekonvaleszente Roland Leitinger.
"Ich hoffe, das geht im Jänner so weiter, und dass wir im Slalom auch dort nach vorne hinkommen, wovon ich eigentlich überzeugt bin." Den wegen einer Knöchelverletzung im November nicht in Bestform befindlichen Marco Schwarz hat Puelacher etwa noch auf Rechnung - fünf Slaloms in Zagreb, Adelboden, Wengen, Kitzbühel und Schladming stehen noch an.
Im Speed-Bereich brauchen andere wie Max Franz, Christian Walder oder Daniel Danklmaier noch Resultate, Daniel Hemetsberger überraschte in Bormio mit Rang vier. Im RTL sorgte Patrick Feurstein ebenfalls mit einem vierten Platz in Alta Badia für ein Ausrufezeichen. "Zehn Podestfahrer können wir zusammenbringen, dann wird die Aufstellung für mich schwierig."
Allrounder im Vorteil gegenüber Spezialisten
Auch wenn ein Stockerplatz ein gutes Argument für ein Olympia-Ticket ist, haben Allrounder nämlich aufgrund der begrenzten Anzahl von elf Tickets einen Vorteil gegenüber Spezialisten. "Im Endeffekt brauche ich Leute, die mindestens zwei Disziplinen fahren", bekräftigt Puelacher.
Drei Disziplinen wären aber noch besser, weshalb Kombi-Weltmeister Schwarz auch ohne Top-Resultat einen Quasi-Fixplatz hat. Zusätzlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in China dabei sind Mayer, Kriechmayr, Feller, Striedinger und Haaser. Den Luxus, jemand nur für den Teambewerb mitzunehmen, wird es dagegen wohl nicht geben können. Daher müssen auch Parallel-Sieger Hirschbühl und der Lech-Zweite Raschner noch in ihren Kerndisziplinen abliefern.
Konkret darüber sprechen will Puelacher derzeit aber noch nicht. "Die fix Nominierten gibt es in meinem Kopf und in unseren Köpfen, aber die können wir natürlich jetzt nicht nach außen tragen, weil noch sehr, sehr viel passieren kann", betont der Chefveranwortliche für die ÖSV-Männer.
Noch einige Fragezeichen bei den alpinen Damen des ÖSV
Bei den Damen gibt es neben den Podest-Fahrerinnen Liensberger und Puchner vor allem im kompakten Speed-Team einige Anwärterinnen auf die übrigen neun Olympia-Tickets.
Ebenfalls gesetzt sein dürfte Ramona Siebenhofer. Die Steirerin konnte mit Rang vier in der Abfahrt in Lake Louise aufzeigen und ist auch im Super-G und im Riesentorlauf eine Top-10-Fahrerin mit Podest-Potenzial.
Tamara Tippler und Cornelia Hütter haben ebenso gute Karten, beide gehören in Abfahrt und Super-G zu den Besten der ÖSV-Damen und haben als bisher bestes Saison-Ergebnis jeweils einen vierten Platz stehen. Christine Scheyer machte mit einem fünften Platz in der Abfahrt in Lake Louise auf sich aufmerksam, Ariane Rädler mit einem fünften Rang im Super-G von St. Moritz.
Eine Option kann auch Ricarda Haaser sein, die sowohl in den Speed-Bewerben als auch im Riesentorlauf startet. In den technischen Disziplinen dürfte neben Liensberger noch Katharina Truppe - zuletzt im Slalom in Lienz Vierte - gesetzt sein. Die Lienz-Sechste Katharina Gallhuber, die nur im Slalom startet, muss diese Leistung wohl noch bestätigen, um auf den Olympia-Zug aufzuspringen.
Im Riesentorlauf ist neben Liensberger, Siebenhofer und Truppe die Tirolerin Stephanie Brunner eine Kandidatin, ebenso wie Katharina Huber, die sich im Slalom mit drei Top-15-Plätzen aber stärker präsentierte. Auch Chiara Mair und Marie-Therese Sporer dürfen sich Hoffnungen machen.