Vier von sieben ÖSV-Siege des Vorjahres gehen auf seine Kappe.
Wenn der Ski-Weltcup kommende Woche mit dem traditionellen Riesentorlauf in Sölden (29.10.) startet, könnte auch Speed-Spezialist Vincent Kriechmayr dabei sein.
Im Vorfeld spricht der 32-jährige Oberösterreicher über den Skisport in Zeiten des Klimawandels, Kalender-Diskussionen und Kugelambitionen.
Frage: Wie geht es Ihnen nach der Sommer-Vorbereitung?
Vincent Kriechmayr: Ich fühle mich bereit. Der Sommer war sehr ruhig, was ich sehr schätze. Ich bin ohne Wehwehchen durchgekommen. Chile war bescheidener, wir hatten viel zu viel Schnee, der uns hier fehlt. Wunderschöne Tiefschneetage, aber wir hatten nie eisige oder harte Pisten.
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Frage: Viele Menschen fragen sich: Muss man fürs Training zwingend nach Südamerika fliegen?
Kriechmayr: Mittlerweile ist Chile leider alternativlos, vor allem für uns mit Sölden, wenn der Weltcup so früh startet. Früher haben wir in Zermatt und Saas-Fee sehr gut trainiert, aber es ist bemerkenswert, wie das in drei Jahren nachgelassen hat. Es ist dramatisch, was mit den Gletschern passiert. Ich war im Juli noch in Hintertux und einen Monat später hat es nicht mehr berauschend ausgeschaut.
"Natürlich haut die Formel 1 mehr CO2 raus, aber das ist eine feige Ausrede. Die Formel 1 muss ihren Teil beitragen, der Skisport muss genauso seinen Teil beitragen."
Frage: Ex-Rennläufer Felix Neureuther fordert ein Sommertrainingsverbot auf Gletschern.
Kriechmayr: Ich weiß nicht genau, wie er diese Aussage meint, aber Felix war genauso überall. Er weiß, dass das sonst nicht funktioniert. Dann müssten wirklich alle verzichten, aber das ist unwahrscheinlich.
Frage: Empfinden Sie es als Heuchelei, den Skisport als Mitverursacher der Klimakrise in den Raum zu stellen?
Kriechmayr: Natürlich haut die Formel 1 mehr CO2 raus, aber das ist eine feige Ausrede. Die Formel 1 muss ihren Teil beitragen, der Skisport muss genauso seinen Teil beitragen. Schauen wir auf die Legenden unseres Sports oder die herausragenden Athleten der Gegenwart. Das Wichtigste, was sie erreichen können, sind nicht Medaillen, sondern dass sie viele, viele Kinder und andere Leute zum Sport animieren. Der Skisport ist nicht böse - der Sport gibt auch etwas zurück.
Frage: Was würden Sie ändern?
Kriechmayr: Wir müssten hinten raus länger fahren, da haben wir die besten Bedingungen. Aber da geht es um Fernsehzeiten, die Bundesliga spielt und die Formel 1 fährt wieder.
Frage: Müsste man den Kalender adaptieren?
Kriechmayr: Der Kalender ist ein schwieriges Thema. Wir nennen uns Ski-Weltcup und wenn wir vielleicht wieder mal in Asien fahren würden, kann man das auch nicht nur kritisieren. Japan hat auch eine gewisse Skigeschichte. Der Skisport spielt sich nicht nur in Europa ab. Wenn alle im September in Chile sind, können wir auch dort mit Rennen starten, das gab es ja schon. Es wäre sicher ein Punkt, den viele Athleten unterstützen würden. Aber ich weiß nicht, wie das Medieninteresse um diese Zeit ist.
"In Zukunft wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn man doch einmal auf die Athleten hören würde. Aber Geld regiert die Welt."
Frage: Sie haben im Vorjahr vier Abfahrten gewonnen, aber nicht die Abfahrtswertung.
Kriechmayr: Es spielt keine Rolle wie viele Siege, schlussendlich zählt eine Kugel. Die Saison war bis auf den Start eigentlich sehr gut, aber das Ziel im kommenden Winter muss sein: die Nuller auslassen.
Frage: In Kitzbühel finden heuer wieder zwei Abfahrten, aber kein Super-G statt.
Kriechmayr: Jede Nation inklusive Österreich würde gern einen Super-G und eine Abfahrt haben. Wir fahren auch gern zwei Abfahrten, aber in Zukunft wäre es vielleicht nicht schlecht, wenn man doch einmal auf die Athleten hören würde. Aber Geld regiert die Welt.
Frage: Werden Sie in Sölden starten?
Kriechmayr: Stand jetzt, ja. Wir haben in der Sölden-Woche aber die Möglichkeit in Zermatt zu trainieren, wie jede andere Nation auch - damit die Schweizer nicht ganz so viel Vorteil haben. Wenn ich merke, dass ich in der Abfahrt noch Baustellen habe, kann es sein, dass ich länger in Zermatt bleibe und nicht in Sölden bin.
Frage: Ab dieser Saison gilt das vom Internationalen Skiverband FIS ausgesprochene Verbot für Fluor-Wachse.
Kriechmayr: Die Wachsl-Firmen sagen, dass die neuen genauso schnell sind - eine gute Verkaufsmasche. Ich glaube, die letzten zwei Jahre hatten unsere Beläge schon kein Fluor mehr drinnen, in den Gleitpassagen spielt das kaum eine Rolle. Die Toleranzgrenze des Messgeräts muss aber angehoben werden, damit keiner zu Unrecht disqualifiziert wird. Wenn man mit Fluor wachselt, schlägt das Gerät sowieso dermaßen an.
Frage: Fürchten Sie sich vor einer Disqualifikation?
Kriechmayr: Eigentlich nicht, das haben die Serviceleute im Normalfall im Griff. Ich glaube, dass die FIS so schlau ist und sich der Diskussion nicht stellen will. Sie werden eine Lösung finden, dass nur die disqualifiziert werden, die wirklich Fluor wachseln.