Vorhang auf für den alpinen Ski-Weltcup 2021/22!
Hoch über Sölden im Ötztal fällt am kommenden Wochenende auf dem Rettenbachferner mit den Riesentorläufen von Damen (23.10.) und Herren (24.10.) der traditionelle Startschuss in die Ski-Saison.
Schon jetzt ist die gesamte Ski-Welt in Sölden versammelt, praktisch alle Nationen trainieren auf dem Renngelände. Rennleiter Rainer Gstrein vermeldete am vergangenen Wochenende 86 Herren und 57 Frauen, die über die markierten Pisten rasten. "Insgesamt sind 36 Kurse für Riesentorlauf, Slalom, Super-G und Abfahrt ausgeflaggt."
Doch was erwartet die Athletinnen und Athleten sowie die Fans in diesem Winter, der aufgrund der Corona-Pandemie erneut unter besonderen Vorzeichen steht? Erleben wir vielleicht sogar die spannendste Saison aller Zeiten?
Die wichtigsten Fragen und Antworten vor dem Weltcup-Auftakt:
Warum startet der Ski-Weltcup so früh?
Der Auftakt in den Ski-Weltcup in Sölden hat bereits eine lange Tradition, ebenso das frühe Datum rund um den Nationalfeiertag Ende Oktober. Dass der Startschuss in die Skisaison so früh fällt, hat aber weniger sportliche als wirtschaftliche Gründe. Die Ski-Industrie und der Tourismus sind daran interessiert, die Menschen so früh wie möglich in die Skigebiete zu locken. „Muss es denn wirklich sein, dass man so früh in eine Weltcupsaison startet?“, fragen sich viele – so auch Felix Neureuther. Der Ex-Rennläufer übt seit Jahren Kritik am frühen Start in den Weltcupwinter. „Reicht nicht auch einen Monat später?", fragte der 37-jährige Bayer zuletzt im Interview der "Welt am Sonntag". So früh auf einem Gletscher ein Skirennen zu fahren, sei nicht mehr zeitgemäß, da "die Gletscher geschont werden müssen, weil sie davonschmelzen. ... Die Gletscher werden nicht mehr lange existieren, dabei sind sie extrem wichtig“, spricht er den Umweltgedanken an und findet, es sei "an der Zeit, endlich am Rennkalender etwas zu ändern“.
Welche Einschränkungen gibt es aufgrund der Corona-Pandemie?
Corona ist auch in diesem Winter wieder großes Thema. In Sölden müssen diesmal aber nur noch die Skiteams in "Blasen", für die Athletinnen und Athleten gilt: Starten dürfen beim Saisonauftakt dank 3G-Regel auch "Nur-Getestete". Das gilt jedoch nicht für alle Weltcup-Orte. In Kanada etwa wird trotz aller Urgenzen des Internationalen Skiverbandes (FIS) im Gegensatz zu den USA, wo ein spezielles Einladungsschreiben sowie ein PCR-Test genügen, weiterhin eine "komplette Immunisierung", sprich zumindest zwei Stiche, für die Einreise verlangt. Die FIS schreibt ihren Athleten zwar keine Impfpflicht vor - FIS-Passport und PCR-Tests nicht älter als 72 Stunden genügen -, es gehe aber um die Einreise in die jeweiligen Länder, von denen der Weltcup auf seiner Tour rund ein Dutzend besuchen wird. "Irgendwann braucht man die Impfung sowieso", erklärt FIS-Herren-Renndirektor Markus Waldner. "Die Maßnahmen können ja jederzeit strikter werden, weil sich die Protokolle ändern. Und Olympia in China geht sowieso nicht ohne komplette Impfung“, spricht er die Winterspiele im Februar 2022 an.
Sind Fans bei den Rennen erlaubt?
Während die Organisatoren der Olympischen Spiele bereits vermeldet haben, nur chinesische Zuschauer zuzulassen, sind bei den ÖSV-Events in Österreich im Gegensatz zu den Pandemie-bedingten Geisterrennen vom Vorjahr nun wieder Zuschauer erlaubt. In Sölden gilt für Personen ab 13 Jahren am gesamten Gletscher die 3G-Regel sowie an den Renntagen eine Registrierungspflicht im Event-Gelände. Beim Damen-Rennen am Samstag werden 7.000 Besucher erwartet, bei den Herren am Sonntag ist das Konzept auf 9.000 Fans ausgelegt. Dazu kommen die Tagesskigäste am Pistenrand, die Pisten rund um das Veranstaltungsgelände sind während der Weltcuprennen bekanntlich für den Publikumsskilauf geöffnet. Das Covid-19-Vorsorge-Konzept erlaubt es sogar, im Veranstaltungsgelände eine kleine Weltcup-Party zu organisieren. Auch die nicht vom ÖSV vermarkteten Hahnenkammrennen in Kitzbühel mussten im vergangenen Jänner ohne Fans auskommen, planen im Jänner aber ebenfalls wieder mit Zuschauern an der Strecke. Wie viele Fans es diesmal werden könnten, ist noch offen. Kitzbühel (80.000 bis 85.000 an allen Tagen) und der Schladminger Nachtslalom (50.000) sind normalerweise Zuschauer-Magneten. Auch der Schweizer Skiverband teilte kürzlich mit, wieder mit Fans zu planen.
Welche Österreicher starten in Sölden?
Der ÖSV schickt bei den Damen im RTL folgende Läuferinnen an den Start: Stephanie Brunner, Franziska Gritsch, Ricarda Haaser, Katharina Huber, Katharina Liensberger, Elisa Mörzinger, Stephanie Resch, Ramona Siebenhofer und Katharina Truppe. Das Herren-Aufgebot bilden Stefan Brennsteiner, Manuel Feller, Patrick Feurstein, Lukas Feurstein, Raphael Haaser, Maximilian Lahnsteiner, Roland Leitinger, Matthias Mayer, Dominik Raschner und Marco Schwarz. Prominentester Abwesender im Team der Österreicher ist Vincent Kriechmayr, der sich nach einem Training am Rennhang gegen einen Start beim Auftakt entschieden hat.
Wer sind die Favoriten beim Saison-Auftakt?
Zu den absoluten Topfavoriten gehören die ÖSV-Asse sowohl bei den Damen auch bei den Herren nicht. Im Vorjahr setzte es beim Heimrennen mit den Plätzen 15 (Damen) und 17 (Herren) eine herbe Pleite und das jeweils schlechteste ÖSV-Ergebnis bei einem Weltcup-Rennen in Sölden. 2021 darf man im ÖSV-Lager angesichts der Ergebnisse gegen Ende der abgelaufenen Saison mit den WM-Bronzen durch Katharina Liensberger und Marco Schwarz sowie den Podestplätzen von Stefan Brennsteiner auf eine Steigerung hoffen, die Siegkandidaten sind jedoch andere. Bei den Damen allen voran die Italienerinnen rund um Vorjahressiegerin Marta Bassino und Federica Brignone, Weltmeisterin Lara Gut-Behrami und ihre Schweizer Landsfrau Michelle Gisin sowie Petra Vlhova, Tessa Worley und natürlich Mikaela Shiffrin. Bei den Herren will Norwegen-Youngster Lucas Braathen seinen Sieg aus dem Vorjahr wiederholen. Etwas dagegen haben werden sein Landsmann Henrik Kristoffersen, Gesamtweltcup-Sieger Alexis Pinturault oder die starken Schweizer Marco Odermatt, Gino Caviezel und Loic Meillard sowie Weltmeister Mathieu Faivre und Filip Zubcic.
Wie sieht der Weltcup-Kalender aus?
Die Saison 2021/22 wartet mit einem Novum auf: Erstmals gibt es bei Damen und Herren gleich viele Technik- und Speed-Rennen. Bei den Damen sind es neun Rennen pro Disziplin sein, bei den Herren sieht die Aufteilung wiefolgt aus: 11 Abfahrten, 7 Super-G, 8 Riesenslaloms und 10 Slaloms. Voraussetzung für eine "ausgeglichene Saison" ist natürlich, dass alle Rennen planmäßig durchgeführt werden können. Nachdem im "Corona-Kalender" 2020/21 kein Platz für die Kombination war, fehlt sie auch im Kalender 2021/22. Der Bewerb bei den Olympischen Spielen könnte der letzte überhaupt in dieser Disziplin werden, steht die Kombination doch vor dem Aus. Parallel-Rennen gibt es bei beiden Geschlechtern in dieser Saison nur eines, wie im Vorjahr in Lech/Zürs. Eine Änderung gibt es bei den Klassikern in Wengen und in Kitzbühel: An beiden Orten sind zwei Abfahrten und ein Slalom geplant. Auf der Streif fällt somit der Super-G weg, in Wengen wie im Vorjahr die Kombination. In Garmisch-Partenkirchen finden stattdessen zwei Herren-Slaloms statt, die Abfahrt auf der Kandahar entfällt. Neben Sölden, Kitzbühel und Lech/Zürs machen die Herren in Österreich außerdem wie gewohnt in Schladming für das Nightrace Halt. Die Damen sind in Lienz, Flachau und Zauchensee zu Gast.
Weltcup-Kalender der Herren 2021/22 >>>
Weltcup-Kalender der Damen 2021/22 >>>
Wer sind die Favoriten auf den Gesamtweltcup?
Durch den ausgeglichenen Kalender könnte sich der Kreis der Favoritinnen und Favoriten auf die große Kristallkugeln vergrößern. Gut möglich, dass wir somit die spannendste Saison aller Zeiten oder zumindest seit Langem erleben. "Mit der Chancengleichheit mit gleich vielen Speed- und Technikrennen wird das noch interessanter werden", ist etwa Marco Schwarz überzeugt. Der Kärntner könnte selbst zum erweiterten Kreis der Gesamtweltcup-Anwärter gehören, vor allem wenn er wie angekündigt auch den einen oder anderen Super-G fährt. ÖSV-Herrencheftrainer Andreas Puelacher sieht neben Schwarz auch für die beiden Speed-Asse Vincent Kriechmayr und Matthias Mayer Chancen im Kampf um die große Kugel. Topfavorit ist jedoch Alexis Pinturault, der den zweiten Gesamtsieg in Folge in Angriff nimmt. Ihm herausfordern wird erneut der Schweizer Marco Odermatt, der sich im Vorjahr als Einziger wirklich mit Pinturault messen konnte, auch dessen Landsmann Loic Meillard sollte man auf der Rechnung haben. Nach seiner Verletzung wird Aleksander Aamodt Kilde, Gesamt-Sieger 2019/20, wieder im Kugelkampf mitmischen, ebenso wie sein norwegischer Landsmann Henrik Kristoffersen. Kommt einer der Athleten in seinen Disziplinen einen Lauf, kann man sicher auch Namen wie Beat Feuz, Dominik Paris, Filip Zubcic oder Clement Noel auf die Favoritenliste schreiben.
Bei den Damen ist Vorjahressiegerin Petra Vlhova die große Gejagte. Eine Kampfansage ist aber bereits von Mikaela Shiffrin gekommen, die in diesem Winter wieder vermehrt in den Speed-Disziplinen unterwegs sein und ein gehöriges Wörtchen um die große Kugel mitreden möchte. Auf der Rechnung haben muss man auch die Schweizerinnen wie Lara Gut-Behrami, Michelle Gisin und Wendy Holdener sowie die Italienerinnen Sofia Goggia, Marta Bassino und Federica Brignone. Aus rot-weiß-roter Sicht hat wohl Katharina Liensberger die besten Chancen, sollte ihr eine ähnlich starke Slalom-Saison wie im Vorjahr gelingen und sie im RTL konstant punktet.
Man darf also gespannt sein. Daher bitte: Vorhang auf für den alpinen Ski-Weltcup 2021/22!