Nach zwei Wochen Action in den Dolomiten ist die Alpine Ski-WM 2021 in Cortina d'Ampezzo schon wieder Geschichte. Trübten in der ersten Woche anfängliche wetterbedingte Absagen das Geschehen, wurde der Rest der WM zum Hit.
Vor allem für Rot-Weiß-Rot erwies sich das Großereignis als äußerst erfolgreich. In absoluten Zahlen holte die Schweiz zwar eine Medaille mehr (neun), aber dank fünf Goldenen sicherte sich der ÖSV Platz eins im Medaillenspiegel (mehr Infos >>). Dementsprechend zufrieden zeigte sich auch Präsident Peter Schröcksnadel (mehr Infos >>).
Aber wo es Gewinner gibt, muss es auch Verlierer geben. Das sind die Tops und Flops der Alpinen Ski-WM 2021:
TOPS:
ÖSTERREICH: Die ÖSV-Mannschaft hat die Erwartungen deutlich übertroffen. Bei der ersten WM ohne Edelmetall-Magnet Marcel Hirscher gewannen die Österreicher fünfmal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze - insgesamt acht Medaillen. Vor allem die Gold-Ausbeute liegt über dem Erwartungswert. Bei den Damen hatte ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel die Latte niedrig angesetzt, dann überraschte ihn Katharina Liensberger mit zweimal Gold und RTL-Bronze. Apropos: Mit den zwei Medaillen im Riesentorlauf, der rot-weiß-roten Achillesferse, haben vorher wohl nur die kühnsten Optimisten gerechnet.
NERVENSTÄRKE: Liensberger, Vincent Kriechmayr, Marco Schwarz, Adrian Pertl - für alle österreichischen Medaillengewinner gilt, dass sich ihr Potenzial schon länger abgezeichnet und sich nun auf der großen Bühne voll entfaltet hat. Im Weltcup hatten Kriechmayr und Schwarz schon Siege feiern dürfen, Liensberger stand in Cortina aber erstmals ganz oben. Auch Pertl übertraf als Slalom-Zweiter sein bestes Weltcup-Ergebnis. Das zeugt von Coolness und mentaler Stärke der ÖSV-Athleten.
MIKAELA SHIFFRIN: Einmal Gold, einmal Silber, zweimal Bronze - der US-Superstar fuhr in allen absolvierten Rennen in Cortina aufs Podest. Auch wenn Shiffrin zum WM-Abschluss Gold im Slalom verpasste, ihre Bilanz von 11 Medaillen in 13 WM-Rennen ist einzigartig. In der ewigen Bestenliste hat nur die Deutsche Christl Cranz (15) mehr Einzelmedaillen gewonnen als die Amerikanerin.
DOPPEL-WELTMEISTER: Kriechmayr, Liensberger, Lara Gut-Behrami, Mathieu Faivre, Sebastian Foss-Solevaag - gleich fünf haben in Cortina zwei Goldmedaillen am Stück gewonnen. Vier Doppel-Champions gab es 2005 in Bormio, als Benjamin Raich (Slalom, Kombination, Team), Bode Miller (Abfahrt, Super-G), Janica Kostelic (Abfahrt, Slalom, Kombination) und Anja Pärson (Super-G, Riesentorlauf) die Szene dominierten.
LARA GUT-BEHRAMI: Die WM in ihrer Wahlheimat Italien verhalf der Schweizerin endlich zu ihrem ersten WM-Titel, den sie im Super-G als Topfavoritin standesgemäß abholte. Danach war die 29-Jährige wie beflügelt und legte mit Bronze in der Abfahrt und überraschend Riesentorlauf-Gold nach. Generell hat die Schweiz ihren Status als Ski-Macht bestätigt, mit neun Medaillen gab es die meisten von allen Ländern und für Swiss-Ski so viele wie seit 1989 in Vail (11) nicht mehr.
DEUTSCHLAND: Es war die beste deutsche Ski-WM seit acht Jahren. Gleich dreimal durfte die Speed-Mannschaft in der ersten WM-Woche über Silber jubeln. Dem sensationellen zweiten Platz von Exil-"Österreicher" Romed Baumann im Super-G folgten weitere von Kira Weidle und Andreas Sander jeweils in der Abfahrt. Und auch in der zweiten Woche schaffte es der DSV zu einer Siegerehrung, gab es doch Bronze im Teamwettbewerb hinter Sieger Norwegen und Schweden.
ORGANISATION: Egal, ob die Pisten, die Covid-Tests, die Pressebetreuung, das Transportkonzept - die WM-Macher haben eine von allen Seiten gelobte Leistung abgeliefert. Sogar das Wetter war, wenn man von den ersten drei Tagen absieht, fast unwirklich schön. Mit Publikum wäre die Aufgabe freilich eine schwierigere gewesen, ohne die Last der Coronavirus-Regeln wiederum eine leichtere.
FLOPS:
ITALIEN: FISI-Präsident Flavio Roda wollte jedenfalls mehr als drei Medaillen, am Ende wurden es "Trost"-Gold von Marta Bassino im Parallel-Einzel und Silber im Riesentorlauf durch Überraschungsmann Luca de Aliprandini. Dominik Paris, Elena Curtoni und Alex Vinatzer holten sich vierte Plätze ab. Das Sinnbild für die italienische Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie ist Federica Brignone, die dreimal hinausflog. Abfahrts-Topfavoritin Sofia Goggia konnte wegen einer Knieverletzung gar nicht erst teilnehmen.
PARALLEL-FIASKO: Die WM-Premiere mit einem deutlich langsameren Kurs und einer verzögerten Gold-Entscheidung bei den Damen, weil den FIS-Verantwortlichen ihre eigenen Regeln nicht geläufig waren, geriet zum Reinfall. Indiskutabel freilich, dass FIS-Renndirektor Markus Waldner im Anschluss per E-Mail mit dem Umbringen gedroht wurde.
MARCO ODERMATT: Als möglicher Topstar zur WM gekommen, erlebte der Schweizer eine Enttäuschung nach der anderen. In der Abfahrt schrammte er als Vierter knapp an der Medaille vorbei, im Super-G und Parallelbewerb belegte er den 11. Platz. Nach seinem Ausfall im Riesentorlauf als Mitfavorit sprach der 23-Jährige vom "schwärzesten Tag" in seiner Karriere.
STIMMUNG: Im Zielstadion inmitten der majestätischen Dolomiten ging die Stimmung klarerweise ab, sie konnte aufgrund der Corona-Restriktionen auch nicht aufkommen. Die erlaubten nur VIP-Gäste auf der Tribüne. Auch ohne Fans war Cortina zwar bestens besucht (siehe unten), die Italiener blieben aber während der Rennen brav im Ort und frönten in den geöffneten Lokalen dem Dolce Vita.
TERMINHATZ: Jeden Tag mindestens ein Rennen in der zweiten WM-Woche, keine Erholung für Rennläufer und OK-Mitarbeiter. Liensberger etwa bestritt vier Bewerbe in fünf Tagen und legte dabei eine bewundernswerte Energie an den Tag. Einige andere kamen dadurch aber an ihre Grenzen. Kombination, Parallel-Einzel und Teambewerb war für Traditionalisten eine ärgerliche Häufung von wenig prickelnden Disziplinen. Der FIS-Kongress wird entscheiden, ob das Programm mit 13 Rennen 2023 in Courchevel/Meribel aufrecht bleibt.
BLINDFLUG IM BLASEN-KONZEPT: Wenn am Wochenende Heerscharen von Zweitwohnsitz-Besitzerin in Cortina eintrudelten, war die berühmte Fußgängerzone gefüllt wie die Wiener Kärntnerstraße in der Vorweihnachts-Hektik. Sportler, OK-Mitarbeiter und Medienschaffende, die ja tunlichst angehalten waren, auf dem Berg in ihren eigenen Blasen zu bleiben, konnten sich im Tal ungehindert vermischen. Der befürchtete WM-Cluster blieb trotzdem aus, wenngleich dank der permanenten Tests mehrere Coronafälle - darunter auch welche mit der englischen Virus-Variante - herausgefischt wurden.