Vier läppische Hundertstel haben gefehlt und Marco Schwarz wäre die Überraschung in der WM-Abfahrt gelungen.
Während Österreichs gestandene Speed-Asse wie Vincent Kriechmayr, Daniel Hemetsberger und Otmar Striedinger strauchelten, sorgte Abfahrts-"Neuling" Schwarz beinahe für eine Medaille in der Königsdiszplin.
Der Kärntner schrammte in der erst zweiten Spezial-Abfahrt seiner Karriere auf Topniveau als Vierter hauchdünn an Bronze vorbei. Ergebnis der WM-Abfahrt>>>
"Im Moment ist es eher Ärger als Stolz", sagt Schwarz unmittelbar nach dem Rennen im Zielraum der "L'Eclipse" in Courchevel. "Von den Trainings habe ich gewusst, dass ich vorne mitfahren kann. Natürlich sind die anderen Läufer höher einzustufen, aber ich habe gewusst, wenn alles zusammenpasst, kann ich um eine Medaille mitfahren."
"Klar ist es eine WM, aber für ihn ist das ein Wahnsinn. Dass er gut dabei sein kann, haben wir schon gesehen. Aber dass es so gut geht, war nicht zu erwarten", erklärt Servicemann Kim Erlandsson im ORF.
Und auch ÖSV-Cheftrainer Marko Pfeifer meint angesichts der Tatsache, dass es erst die zweite Abfahrt für Schwarz war: "Sensationelle Leistung. Das wäre die Krönung gewesen mit der Medaille. Das muss man schon sehr positiv erwähnen, auch wenn bei Großereignissen nur die Medaillen zählen. Es war ein Ausrufezeichen."
Schwarz: "Bei einer WM ist es halt bitter"
Schwarz ließ vor allem die Zweit- und Drittplatzierten Aleksander Aamodt Kilde und Cameron Alexander noch einmal kräftig zittern. Der 27-Jährige ging als Schnellster des Abschlusstrainings als brandgefährlicher Außenseiter und mit Nummer 21 ins Rennen. Und lieferte ab. Zwar summierte sich der Rückstand auf Weltmeister Marco Odermatt sukzessive, auf Alexander fehlten im Ziel jedoch nur läppische vier Hundertstel.
"Bei jeder anderen Abfahrt nehme ich den vierten Platz sehr gerne. Bei der WM ist es halt bitter", sagt Schwarz, der sich aber selbst ins Gedächtnis ruft, "dass es erst meine zweite Abfahrt auf Weltklasse-Niveau" war.
Die vier Hundertstel seien schnell gefunden. "Ich habe die Sprünge heute nicht getroffen, da hat es mich brutal gestreckt, das hat viel Zeit gekostet", analysiert der Kombi-Silberne.
Aber auch das sind Erfahrungen, die der 27-Jährige mitnimmt. "Ich glaube, das ist ein Prozess. Wenn es mal mehr zur Sache geht, dass ich da noch cooler bleibe in solchen Passagen wie bei den Sprüngen", meint Schwarz.
Schwarz will die Abfahrt weiter forcieren
Von den Teamkollegen gibt es Schulterklopfer für den Allrounder im ÖSV-Team.
"Dass er das drauf hat, haben wir im Training schon gesehen. Schade um den vierten, aber er kann definitiv stolz auf sich sein", sagt Vincent Kriechmayr. "Der Blacky (Marco Schwarz, Anm.) ist ein herausragender Abfahrer, das sieht man. Er war in jeder Disziplin heuer schon in den Top Ten, er ist einer der besten Skifahrer im Zirkus."
"Es war eine starke Vorstellung von ihm", meint auch Otmar Striedinger anerkennend. "Ich glaube, wir werden ihn in Zukunft noch öfter in der Abfahrt sehen."
Das kann Schwarz nur bestätigen. An die ganz Großen wie Odermatt und Kilde herangeschnuppert zu haben macht Lust auf mehr.
"Ich wil die Abfahrt in Zukunft schon weiter forcieren, aber ich will auch bei den technischen Disziplinen bleiben. Ich will immer wieder mit dem Speed-Team mitreisen, das hat ganz gut funktioniert. Wichtig ist jetzt, Erfahrungswerte zu sammeln und die Strecken kennenzulernen."
Der Speed passt jedenfalls auf den langen Latten, auch das ist eine Erkenntnis aus der ersten WM-Woche, in der Schwarz zum Auftakt in der Kombination Silber gewonnen hat und im Super-G nach aussichtsreicher Zwischenzeit trotz schwerem Fehler noch guter Sechster geworden ist.
"Die Medaille ist natürlich sehr positiv", sagt Schwarz in dem Wissen, dass es mit etwas Glück auch schon drei hätten sein können. "Der Super-G war schon schade, wo ich die Medaille ein bissl vergeigt habe. Die vier Hundertstel in der Abfahrt finde ich auch leicht. Aber im Großen und Ganzen ist es positiv."
Kriechmayr: "Es war einfach nicht gut genug"
Die Österreicher landen erstmals seit 2013 in WM-Abfahrten und -Super-G wieder außerhalb der Medaillenränge. Titelverteidiger Vincent Kriechmayr (11.), Daniel Hemetsberger (14.), Stefan Babinsky (32.) und Otmar Striedinger (Ausfall) unterliefen entscheidende Patzer.
Für Kriechmayr waren die Top-Asse an diesem Tag außer Reichweite. "Der Dritte wäre schon drinnen gewesen, aber da musst du fehlerfrei fahren, das habe ich nicht ganz geschafft. In Summe war es einfach nicht gut genug", sagt der entthronte Titelverteidiger. "Ich habe es probiert, ich habe wirklich versucht, anzugreifen."
Hemetsberger ist mit der eigenen Leistung "prinzipiell" zufrieden. "Es klingt vielleicht ein bisschen blöd, wenn man 14. ist, aber ich bin eigentlich zufrieden. Ich habe alles rausgeholt. Ich habe Fehler gemacht, damit kann man nicht zufrieden sein, aber so ist das Spiel. Man muss alles riskieren. Einmal geht es gut, ein anderes Mal nicht." Der Oberösterreicher verlor im letzten Teilstück 44 Hundertstel und damit wohl Bronze.
"Ich habe einen blöden Schlag erwischt und dann ist er schon gelegen, der Otti", sagt Striedinger. "Ich bin enttäuscht, dass ich es nicht runtergebracht habe. Zwei Tore vor dem Ziel scheidet man nicht gern aus mit so einer Zeit."
"Leider haben wir das nicht auf den Schnee gebracht, was möglich wäre. Wir haben zu viele Fehler gemacht", zieht Cheftrainer Marko Pfeifer eine ernüchternde Bilanz.
Medaillenspiegel der Ski-WM 2023>>>