Auf seinem Helm prangt der Schriftzug "St. Anton am Arlberg", gleich darunter die Flagge Dänemarks.
Es zeigt, dass in Christian Borgnaes' Brust zwei Herzen schlagen.
Bis zum vergangenen Winter ging der Tiroler noch unter der österreichischen Flagge an den Start, im Sommer wechselte er die Nation. Bei der WM in Frankreich vertritt er Dänemark, das Heimatland seines Vaters. Gleichzeitig ist es seine allererste WM als Aktiver.
"2001 habe ich als kleiner Bub zuhause in St. Anton bei der WM zugeschaut. Dass ich jetzt selber bei einer mitfahren kann, ist natürlich cool", sagt der 26-Jährige im Gespräch mit LAOLA1 in Courchevel.
Dass er bei der WM dabei sein kann, hat Borgnaes auch seinem Nationenwechsel zu "verdanken", als ÖSV-Athlet wäre ihm dieses Ereignis wohl verwehrt geblieben.
Warum er den ÖSV verließ
Im Jahr 2020 holte Borgnaes bei den Österreichischen Meisterschaften die Titel im RTL und im Super-G. 2021 gab er im Riesentorlauf in Adelboden sein Weltcupdebüt, tags darauf holte er mit Rang 18 im zweiten Riesentorlauf am Chuenisbärgli seine ersten Weltcup-Punkte. In Kranjska Gora schaffte es der Tiroler als 29. abermals in die Punkteränge.
In der vergangenen Saison schaute im Weltcup in sieben Riesentorläufen kein einziger Punkt heraus, auch im Europacup stellten sich nicht die gewünschten Erfolge ein. Borgnaes wurde für die Saison 2022/23 nicht mehr im Kader des ÖSV berücksichtigt.
Das war einer der Gründe, der den Tiroler zum Nationen-Wechsel bewogen hat.
"Es hat im ÖSV einige Umstrukturierungen in der Mannschaft gegeben, die Trainingsgruppen wurden leicht verändert. Nachdem meine letzte Saison nicht ganz gut war, hätte ich meinen Kaderstatus verloren und im Europacup mittrainieren müssen", erklärt Borgnaes. "Da habe ich für mich mit meinen 26 Jahren die besseren Möglichkeiten gesehen, wenn ich für Dänemark starte. Dann kann ich die Rennen fahren, die ich mag."
Der Verbands-Wechsel ging im Frühjahr relativ problemlos und schnell über die Bühne.
"Der ÖSV war wirklich sehr fair. Sie haben mir geholfen, damit alles schnell abgewickelt wird. Wir sind im Guten auseinander gegangen. Ich habe auch weiterhin ein super Verhältnis zu meinen ehemaligen Teamkollegen und auch zu den Trainern und höheren Leuten im Verband", sagt Borgnaes. Das sei ihm wichtig gewesen. "Der ÖSV hat mir viel gegeben, das schätze ich nach wie vor."
Servicemann? "Der steht vor dir"
Der Wechsel von einem großen Verband wie dem ÖSV hin zum dänischen bringt für Borgnaes auch Herausforderungen mit sich. Die finanziellen Mittel in Dänemark sind beschränkt.
"Ich muss mir die Saison heuer größtenteils selbst finanzieren, vom dänischen Verband kommt noch recht wenig Unterstützung. St. Anton und ein paar andere Sponsoren helfen mir da. Aber es ist schon um einiges mehr Aufwand", erzählt Borgnaes.
Im Training schließt er sich dem "Team Global Racing" an, einer Gemeinschaft an kaderlosen Athleten oder solchen aus kleinen Nationen.
"Das ist ein super Setup, sicherlich um nichts schlechter als eine ÖSV-Mannschaft", sagt Borgnaes.
Bei der WM ist der Tiroler allerdings weitestgehend auf sich alleine gestellt. Nur ein Trainer aus Dänemark und seine Freundin sind in Frankreich mit dabei.
Und der Servicemann? "Der steht vor dir", sagt Borgnaes in Johannes-Strolz-Manier. "Vor der Kombination war ich fünf Stunden im Skiraum, das braucht einiges an Zeit. Aber dann weiß ich auch, dass nur einer schuld ist, wenn die Ski nicht passen", grinst er.
Ein Schlepplift mit 40 Metern und kein Schnee
Borgnaes' Leistungen bei der WM werden in in seiner neuen sportlichen Heimat jedenfalls mit Spannung beäugt, schließlich hat es eher Seltenheitswert, dass ein Däne auf diesem Level Ski fährt. In der Kombination belegte Borgnaes Platz 12, im Super-G wurde er 39. Seine stärkste Disziplin, der Riesentorlauf, kommt erst noch. Sogar im Teambewerb trat er mit drei KollegInnen an, scheiterte aber gleich in der ersten Runde ausgerechnet an Österreich.
"Das Interesse am Skisport generell ist auf jeden Fall da, sehr viele Dänen fahren Ski. Das Interesse am Rennsport ist sicher noch ausbaufähig. Ich hoffe, ich kann einen Beitrag dazu leisten, den Rennsport ein bisschen aus dem Alpenraum rauszubringen", sagt Borgnaes.
In Dänemark selbst sind die Möglichkeiten zum Skifahren eher begrenzt. "Es gibt einen Schlepplift mit 40 Metern, aber da ist fast nie Schnee", erzählt Borgnaes. Dennoch würden 10 bis 20 Prozent der Dänen jedes Jahr eine Woche Skiurlaub machen, hauptsächlich in Norwegen, Schweden oder Österreich.
Borgnaes wiederum hat seit seiner Kindheit einen starken Bezug zu Dänemark, dem Heimatland seines Vaters. "Die Hälfte meiner Familie und viele Freunde leben dort, ich spreche die Sprache fließend. Wenn Fußball läuft, halte ich oft mehr zu Dänemark als zu Österreich", gibt er zu.
In der Brust von Christian Borgnaes schlagen eben zwei Herzen.