Marco Odermatt oder Aleksander Aamodt Kilde – auf die Frage nach dem neuen Weltmeister im Super-G konnte es eigentlich nur die eine oder die andere Antwort geben. Doch dann kam James Crawford.
Der 25-jährige Kanadier stahl den beiden Topfavoriten die Show, fing Kilde sensationell um eine Hundertstelsekunde ab und darf sich nun Weltmeister nennen.
Eine Überraschung, die eigentlich keine ist.
"Er ist ja kein Nasenbohrer"
"Crawford ist ja kein Nasenborher, er gehört zu den besten Speed-Fahrern der Welt", sagt Marco Schwarz. "Er hat einen sehr guten Start in die Saison gehabt, solche Leute muss man auf der Rechnung haben. Die WM hat immer eigene Gesetze, es ist schon eine coole Geschichte."
"Es ist keine große Überraschung", meint auch Raphael Haaser. "Er hat den ganzen Winte schon gezeigt, dass er schnell ist. Von dem her hat er es sich sicher verdient."
Crawford war in diesem Winter bereits zwei Mal im Weltcup auf dem Podest, und zwar jeweils in der Abfahrt Zweiter in Bormio und Dritter in Beaver Creek. Mit seinen Leistungen im Super-G hat er bis einen Tag vor dem WM-Rennen noch gehadert.
"Ich habe James gestern beim Abfahrtstraining beim Lift getroffen, wir sind zusammen rauf gefahren und haben uns unterhalten. Er hat gesagt, heuer läuft es im Super-G nicht so gut und dafür in der Abfahrt gut", erzählt Daniel Hemetsberger. "Dann komme ich ins Ziel und sehe, dass James in Führung liegt. Das freut mich voll für ihn, gewaltig."
"Ich konnte nicht glauben, als es Grün aufleuchtete. Es war ein Schock und viel Emotionen", sagt Crawford selbst. "Das habe ich nicht erwartet, es fühlt sich wunderbar an. Ich werde mich noch lange an diesen Tag erinnern."
Wie Connor McDavid dafür sorgte, dass Crawford Skifahrer wurde
Dass er heute überhaupt Skirennläufer ist, hat er auch Eishockey-Superstar Connor McDavid zu verdanken.
Als 15-Jähriger spielte Crawford mit dem nunmehrigen NHL-Superstar Connor McDavid von den Edmonton Oilers in einem Schüler-Eishockeyteam in Toronto.
"Er hat dafür gesorgt, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe", sagte Crawford und lachte. "Ich wäre vermutlich kein schlechter Eishockeyspieler geworden, aber ihn spielen zu sehen ist wie Odermatt beim Skifahren zu sehen. Aus irgendeinem Grund ist er einfach besser als alle anderen."
Crawford und das Risiko
Crawford war bei Olympia 2022 schon Dritter in der Kombination und in der Abfahrt (Platz vier) sowie im Super-G (sechs) nah dran am Podest. Einen Weltcup-Sieg hat er noch nicht vorzuweisen. Im Super-G fuhr er erst einmal aufs Stockerl.
Die Risikobereitschaft des 25-Jährigen ist seinen Konkurrenten aber längst bekannt.
"Er hat schon in einigen Rennen gezeigt, was er drauf hat, hat dann aber aufgrund seiner Risikobereitschaft oft einen Fehler gemacht. Heute ist es ihm aufgegangen, es ist sehr verdient", meint Vincent Kriechmayr anerkennend.
Auch der hauchdünn geschlagene Kilde weiß um die Qualitäten des neuen Weltmeisters. "Er fährt sauber und nimmt viel Risiko. Wenn der Schnee so ist wie heute ist er besonders gut", sagt der Norweger.
Warum James von allen Jack genannt wird
Für Kanada ist es das zweite WM-Gold in dieser Disziplin, 2017 hat Erik Guay in St. Moritz gewonnen. Das war auch der bisher letzte Titelgewinn für die Nordamerikaner.
Bei den Crawfords liegt das Skifahren in der Familie. Sein Vater sei ein herausragender Skifahrer, hat es aber nie an die Weltspitze geschafft. Tante Judy Crawford erreichte sowohl bei der WM 1970 als auch bei Olympia 1972 einen vierten Platz. Schwester Candace Crawford ist ebenfalls Rennläuferin.
Sie ist auch für den Spitznamen ihres Bruders verantwortlich. "Sie hat mich von Anfang an nur Jack gerufen und meine Eltern haben es durchgehen lassen." So wird er bis heute auch im Ski-Zirkus Jack genannt.
"Er ist ein ziemlich lockerer und ruhiger Typ", beschreibt Kriechmayr den 25-Jährigen.
Dem seine Tante einst sagte: "Niemand erinnert sich an Viertplatzierte. Wenn du glaubst, du kannst ein bisschen schneller fahren, dann solltest du es machen", erzählt Crawford.
Gesagt, getan. Nun darf er sich Weltmeister nennen.