"Ich bin ziemlich entspannt", sagt Henrik Kristoffersen vor seinem ersten Auftritt bei der WM in Saalbach-Hinterglemm.
Auch für den Norweger ist es eine Heim-WM. Kristoffersen wohnt seit langer Zeit in Salzburg, hat dort mit seiner Verlobten eine Familie gegründet.
"Österreich ist seit neun Jahren meine Heimat", erklärt der 30-Jährige und lächelt. "Ich bin ja ein bisschen Österreicher, ich brauche nur mehr einen Reisepass."
Über einen Nationenwechsel wurde schon öfter spekuliert, noch (und das wird wohl auch so bleiben) fährt Kristoffersen aber für Norwegen. Und kommt als Titelverteidiger nach Saalbach, 2023 holte er in Courchevel Gold im Slalom. Bereits 2019 in Are gewann er Gold im Riesentorlauf.
"Ich habe meine Goldenen, also ich habe keinen Stress. Vor Courchevel war es stressiger, jetzt habe ich mehr Ruhe im Kopf und Körper", sagt Kristoffersen.
"Ich werde mich in keinem Rennen zurückhalten"
Ob seine goldene Gelassenheit der entscheidende Vorteil im Rennen um neuerliches Edelmetall sein könnte?
"Auf jeden Fall", sagt Kristoffersen und kündigt volle Attacke an: "Ich werde mich in keinem der Rennen zurückhalten, weil ich nach dieser WM immer noch in beiden Disziplinen in den Top sieben sein werde. Ich werde nach dieser WM immer noch die Slalom-Wertung anführen. Aber hier zählen nur die ersten drei Plätze."
Auf dem Podest ist Kristoffersen in diesem Winter Stammgast. Sechs von 15 Rennen beendete in den Top drei. Im Riesentorlauf carvte der Norweger zu Saisonbeginn in Sölden sowie zuletzt in Schladming auf Platz zwei, im Slalom kletterte er vier Mal aufs Treppchen. Seinen einzigen Saisonsieg feierte Kristoffersen Mitte Dezember im Slalom in Val d’Isere.
Im Gesamtweltcup liegt der Gewinner von 31 Weltcup-Rennen auf Rang zwei hinter Dominator Marco Odermatt. Hält er diese Platzierung, wäre es seine beste Saison seit 2017/18. Damals wurde Kristoffersen ebenfalls Gesamt-Zweiter - hinter Marcel Hirscher, mit dessen Van-Deer-Ski er jetzt fährt.
"Allen zu beweisen, dass sie falsch liegen, ist ehrlich gesagt eines der besten Gefühle der Welt."
"Was mich in meiner Karriere am meisten freut, ist ehrlich gesagt, dass ich über so viele Jahre auf einem so hohen Niveau bin. Es ist eine Sache, ein, zwei oder drei Jahre gut zu sein, aber über zehn Jahre hinweg gut zu sein, das ist eine ganz andere Geschichte. Es ist mental sehr anstrengend, jedes Jahr auf diesem Niveau zu bleiben, sich Saison für Saison so sehr reinzuhängen. Das ist das, worauf ich am meisten stolz bin" sagt der 30-Jährige.
Kristoffersen ist tatsächlich seit zehn Jahren eine Konstante an der Weltspitze. Seit der Saison 2015/16 war er im Gesamtweltcup nie schlechter als Sechster.
Im vergangenen Winter lief es für den Technik-Spezialisten weniger gut, am Ende standen nur drei Podestplätze und kein einziger Sieg zu Buche.
"Letzte Saison haben mich alle ein bisschen abgeschrieben", erinnert sich Kristoffersen zurück und grinst. "Ich kann jetzt nicht genau das sagen, was ich gerne sagen will, aber: Allen zu beweisen, dass sie falsch liegen, ist ehrlich gesagt eines der besten Gefühle der Welt."
Der WM-Hang liegt Kristoffersen
Dieses Gefühl soll sich nach Möglichkeit auch in Saalbach einstellen, wo Kristoffersen seine WM-Medaillen Nummer vier und fünf jagt. Sowohl im Riesentorlauf am Freitag als auch im Slalom am Sonntag gehört er zu den Mitfavoriten.
"Ich finde, es ist ein super schöner Hang zum Skifahren. Es ist nicht die interessanteste Strecke, weil sie nicht so viel Gelände hat wie Kitzbühel, Wengen oder Adelboden. Also hoffe ich, dass sie eine interessante Kurssetzung für beide Disziplinen wählen. Im Slalom liegt mir der Hang ziemlich gut. Im Riesenslalom gibt es nur das flache Stück nach dem ersten Abschnitt, das mir nicht so sehr liegt. Aber von dort an bis ins Ziel passt die Strecke eigentlich ganz gut zu mir", sieht Kristoffersen die Voraussetzungen für Edelmetall gegeben.
Einen besonderen Fokus auf die Titelverteidigung im Slalom hat er nicht. Ihm seien beiden Disziplinen gleich wichtig, betont Kristoffersen.
Der Norweger könnte mit neuerlichem Gold im Slalom in einen erlauchten Kreis aufsteigen: Erst drei Läufern ist es gelungen, bei zwei Weltmeisterschaften in Folge Gold im Torlauf zu gewinnen: Dem Schweizer Rudolf Rominger, Ingemar Stenmark und Marcel Hirscher.