Conny Hütter kann es selbst fast nicht glauben.
Im allerletzten Saison-Rennen hat die Steirerin Lara-Gut Behrami mit ihrem Sieg in Saalbach-Hinterglemm noch die Abfahrts-Kugel entrissen. Rennbericht >>>
Für Hütter, deren Karriere lange Zeit eher eine Geschichte von Verletzungen als von Erfolgen war, ist es nach WM-Bronze im Super-G einer der größten Tage in ihrem Sportlerleben.
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Warum Hütter überhaupt nicht mehr mit der Abfahrts-Kugel gerechnet hat, wie es ihr beim Warten im Ziel erging und was ihr Erfolgsrezept ist:
Frage: Wie geht es dir? Wie emotional war der heutige Tag?
Conny Hütter: Es ist seltsam, aber so soll es auch sein. Ich glaube, es ist gut, gerade nicht zu viele Gedanken im Kopf zu haben, sondern das alles einfach zu genießen. Ich schaue auf die Kugel, die ist echt und die gehört jetzt mir.
Frage: Hast du vor dem Start gedacht, dass es noch für die Kugel reichen könnte?
Hütter: Wenn ich wirklich ehrlich bin, war für mich die Sache gegessen. Im Super-G habe ich mir schon große Chancen ausgerechnet. Im Vergleich dazu war es heute für mich nur ein Abfahrtsrennen – nicht denken, nicht rechnen, sondern einfach nur das Beste zeigen. Das ist mir gelungen. Dann hat es im Ziel angefangen...
Frage: Wie ist es dir im Ziel beim Warten ergangen?
Hütter: Am Start war ich nicht nervös, aber im Ziel hat es mich fast zerrissen. Jeder hat gerechnet, ich habe mich überhaupt nicht mehr ausgekannt. Wir waren komplett planlos. In dem Moment kann man nicht mal fünf plus fünf zusammenzählen. Es war von "Hilfe, wer steht noch oben" und "Bitte seid’s ein bisschen langsamer als ich", alles dabei. Es war hochdramatisch und ein bisschen filmreif.
Frage: Weißt du schon, wo die Kugel hinkommt?
Hütter: Ja, weiß ich schon. In den Stall. (lacht). Nein, sie wird einen Platz finden, wo ich mir jeden Tag, wenn ich zum Kondi-Training gehe, denke: Reiß dir den Hintern auf.
Frage: Ist das der größte Tag in deiner bisherigen Karriere?
Hütter: Das ist der Tag, an dem man es am meisten genießen kann. Die größten Tage sind auch die Tage, die keiner sieht oder an denen es nicht so gut geht. Da wird man stärker. In Zauchensee zum Beispiel habe ich binnen 48 Stunden von ganz oben bis ganz unten alles erlebt, das war ein komplettes Karussell. Solche Tage haben mich dazu gebracht, dass ich diese Kugel heute in meinen Händen halten darf.
Kristall! Conny Hütter krönt ihre Karriere - die Bilder:
Frage: War eine Kugel von Anfang das Ziel für diese Saison?
Hütter: Mein großes Saisonziel war, in Saalbach noch um was mitzufahren. Das ist mir im Super-G auch gelungen. Für mich war es wichtig, dass ich das über den Winter bringe. Dass es sich in dieser Saison noch ausgegangen ist, ist eine extra Motivation für den Sommer, dass wir uns alle wieder reinhaun.
Frage: Was war dein Erfolgsrezept in dieser Saison?
Hütter: Skifahren ist ein Freiluftsport und man muss sich immer anpassen. Ich habe mir bei so einem Frühlingsschnee zum Beispiel immer schwergetan. Wir haben dann einen neuen Skischuh probiert und gesagt, wir riskieren die Woche und fahren mit einem neuen Setup. Das waren dann wirklich die paar Hundertstel und Punkte, die auf unserer Seite waren.
Frage: Was macht dich als Rennfahrerin mittlerweile aus?
Hütter: Ich glaube, dass ich das Risiko besser kalkulieren gelernt habe. Früher bin ich immer auf Anschlag gefahren und habe mir gedacht: Wenn sich's nicht ausgeht, geht sich's halt nicht aus. Aber jetzt habe ich ein paar Mal gemerkt, wenn sich's nicht ausgeht, tut's richtig weh. Deswegen überlege ich mir das zweimal. Ich kenne meine Qualitäten und ich weiß auch, dass ich nicht mehr auf allen Passagen 110 Prozent riskieren muss. Die Balance zwischen Grundspeed und kalkuliertem Risiko ist mir heuer gut gelungen. Ich bin vielleicht ein bisschen erwachsen geworden.
Frage: Liegt die Messlatte für die WM 2025 in Saalbach jetzt automatisch höher?
Hütter: Ja, das brauchen wir jetzt nicht kleinreden. Aber man braucht sich da jetzt nicht irgendwelche unrealistischen bzw. sehr hochgestochenen Ziele über den Sommer setzen, die einen selber nervös machen. Es ist Tatsache, dass die Mannschaft heuer echt gut war und es ist Tatsache, dass die Konkurrentinnen nächstes Jahr stärker zurückschlagen wollen. Das werden sie auch tun. Deswegen ist es keine g'mahte Wiesn'. Hoffentlich wird es derselbe spannende Fight auf der Piste wie diesen Winter.