"Ich bin Fünfte, oder? Ich weiß es gar nicht…", lacht Stephanie Brunner nach dem Riesentorlauf im Zielraum des Rettenbachferner in Sölden.
Ihre Platzierung ist der Tirolerin an diesem Tag egal. Allein die Tatsache, dass sie überhaupt am Start stehen konnte, zaubert der 24-Jährigen ein Lächeln ins Gesicht.
Erst im März, nach Ende der Weltcup-Saison, zog sich Brunner bei den Österreichischen Meisterschaften beim Einfahren für die Abfahrt einen Kreuzband- und Meniskusriss im linken Knie zu. Nur rund sechs Monate später folgte Mitte September in ihrer Heimat Hintertux bereits das Comeback auf Schnee. Platz fünf im ersten Rennen nach dem Kreuzbandriss macht das „Comeback“ perfekt.
„Es ist eine Sensation“, jubelt ÖSV-Sportdirektor Hans Pum überschwänglich. Brunner selbst sagt: „Das habe ich mir nie erträumt, besser hätte das Comeback nicht laufen können. Ich bin megahappy.“
Vor dem Saisonauftakt hatte sich die Tuxerin vorgenommen, „das Rennen zu genießen und Gas zu geben“. Dieses Vorhaben hat sie vor rund 10.000 Zuschauern am Rettenbachferner eindrucksvoll umgesetzt.
"Ich habe zu mir gesagt: Stephi, das ist genau deins"
Während sich andere Läuferinnen bei den schwierigen Bedingungen mit Schneefall und schlechter Sicht förmlich den Berg hinuntergequält haben, hat Brunner keinen Grund zur Beschwerde. „Ich mag solche Bedingungen. Ich mag, wenn es schneit und unruhig wird. Natürlich wünscht man sich im ersten Rennen nach einer Verletzung nicht gerade so ein Wetter, aber ich habe mir einfach gedacht: Stephi, das ist genau deins. Das kannst du.“
Und wie sie es kann. Nach dem ersten Durchgang noch Sechste legte Brunner im Finale noch einmal zu und verbesserte sich auf Rang fünf. „Ich wollte mir im zweiten Durchgang ja nicht die Schneid abkaufen lassen. Ich habe gewusst, dass ich sehr gut Skifahren kann und das Vertrauen habe ich ins Rennen mitgenommen. Ich hätte mir aber nie gedacht, dass im Ziel wirklich der Einser aufleuchtet.“
"Habe mir nicht einmal die Top 10 zugetraut"
Zu diesem Zeitpunkt war fast zu "befürchten", dass es am wieder ein vierter Platz wird. Bereits in den vergangenen zwei Jahren fuhr Brunner in Sölden mit jeweils Rang vier knapp am Podest vorbei.
Daran verschwendete die 24-Jährige keinen Gedanken. Platz fünf übersteigt die Erwartungen bei Weitem. „Ich habe mir nicht einmal die Top Ten zugetraut, muss ich sagen. Ich habe schon gut trainiert, aber ich habe mir keine Platzierung vorgenommen. Ich bin mehr als zufrieden.“
Zufrieden ist naturgemäß auch ihr Trainer Jürgen Kriechbaum. „Stephi hat das wirklich toll hingekriegt. Sie war sehr fokussiert, auch in der letzten Zeit schon, und hat sich nicht rausbringen lassen. Es hat fast ausgeschaut, als ob nichts gewesen wäre.“
Brunner habe während ihrer Verletzung „wirklich super gearbeitet“ und sei körperlich in Topform, lobt der ÖSV-Damen-Chefcoach.
"Das gibt auf alle Fälle Selbstvertrauen"
Das bestätigt auch Brunner. Das Knie mache überhaupt keine Probleme mehr. „Das hat man glaube ich gesehen“, lacht Brunner. „Ich habe überhaupt keine Schmerzen.“
Es sei die richtige Entscheidung gewesen, auf ihr Gefühl zu vertrauen und in Sölden an den Start zu gehen. Mit diesem Erfolgserlebnis im Gepäck können die nächsten Aufgaben kommen.
„So in die Saison zu starten gibt auf alle Fälle Selbstvertrauen für die nächsten Rennen. Darauf kann ich aufbauen“, sagt Brunner. „Ich kann jetzt weiter gelassen und in Ruhe trainieren. Es fehlen noch ein paar Kleinigkeiten, die es zu verbessern gilt, aber ich bin positiv gestimmt.“
Bis zum nächsten Rennen bleibt nun genug Zeit, weiter an der Form zu feilen. Brunner wird erst wieder im RTL in Killington Ende November am Start stehen.
Brunner untermauert mit ihrem achten Top-fünf-Resultat im Weltcup ihren Status als Nummer eins im ÖSV-Riesentorlauf-Team. Sie schöpfe nach erfolgreicher Standortbestimmung "Gelassenheit für die Zukunft".
Es sei ein Tag zum Genießen: "Obwohl das Wetter zum Feiern vielleicht nicht so mitspielt."