Die Erleichterung ist Katharina Liensberger anzusehen.
Nach einer völlig verkorksten vergangenen Saison und einem bescheidenen Auftakt im Riesentorlauf in Sölden (Platz 23) überrascht die Weltmeisterin von 2021 gleich im ersten Slalom in Levi mit Platz drei. Rennergebnis >>>
Auf dem selektiven Kurs im Hohen Norden lässt Liensberger wieder ihre Stärke aufblitzen. Mit der zweitbesten Laufzeit im Finale schiebt sich die Vorarlbergerin noch an der fehlerhaften Mikaela Shiffrin vorbei aufs Podest. Dort stand Liensberger zuletzt im März 2022 bei ihrem Slalom-Sieg in Aare.
"Ich freue mich riesig, dass mir der Start so gelungen ist. Ich konnte das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben. Dass es im ersten Saison-Slalom so gut läuft, ist wunderschön", strahlt die 26-Jährige im ORF-Interview.
Liensberger: "Ich habe immer gespürt, dass es geht"
Nach dem durchwachsenen Winter 2022/23 mit nur drei Top-Ten-Platzierungen und der Trennung von Star-Coach Livio Magoni kurz vor der WM hat Liensberger den Rest-Knopf gedrückt.
Die Doppel-Weltmeisterin von 2021 wurde auf Wunsch von Neo-Cheftrainer Roland Assinger wieder vollständig ins ÖSV-Technik-Team integriert. Dort hat seit dieser Saison Klaus Mayrhofer das Sagen. Ihm zur Seite steht Alexander Berthold, der Liensberger bereits in deren Jugendjahren im Vorarlberger Landeskader betreute. Sonderbehandlungen gibt es keine mehr. Mutter Herlinde, die als persönliche Organisationschefin fungierte, ist auf Drängen des Verbands nicht mehr bei den Rennen dabei.
"Es hat sich seit Saisonbeginn vieles zum positiven verändert. Wirklich genial, auch die anderen Mädels im Team haben eine super Leistung gebracht", merkt Liensberger an. "Für mich war es wichtig, in mein Skifahren zu kommen, bei mir zu bleiben. Das ist mir heute definitiv gut gelungen."
So will Katharina Liensberger zurück an die Spitze >>>
ÖSV-Technik-Trainer Mayrhofer bescheinigte Liensberger schon im Training starke Leistungen. "Sie musste nur locker bleiben und an sich glauben. Nach der letzten Saison hatte sie nicht das größte Selbstbewusstsein, das ist nicht spurlos an ihr vorüber gegangen", sagt Mayrhofer im ORF.
Das bestätigt die Vorarlbergerin. Der Neustart sei "sehr schwer" gewesen. "Weil es immer wieder aufs Neue Kraft kostet und es für einen Neuanfang Überwindung und Mut braucht. Doch ich habe immer irgendwo gespürt, dass es geht", erklärt Liensberger. "Das Wichtigste ist, Geduld zu haben und wenn es mal nicht so läuft, dran zu bleiben und weiterzumachen. Irgendwann kommt dann alles so, wie es kommen soll."
Liensberger zurück am Podest! Bilder vom 1. Levi-Slalom
4 Katharinas zeigen auf - "Aber wir müssen am Boden bleiben"
Dass sich das Dranbleiben auszahlen kann, haben auch andere ÖSV-Läuferinnen bewiesen. Die rot-weiß-roten Slalom-Frauen präsentieren sich im Vergleich zum Vorjahr teilweise wie ausgewechselt.
Es ist der Tag der Katharinas: Neben Katharina Liensberger zeigt Katharina Huber als Achte auf, Katharina Gallhuber wird bei ihrem Comeback nach langer Verletzungspause 13., und Katharina Truppe landet auf Rang 16.
Nach dem ersten Durchgang, ein von ÖSV-Trainer Mayrhofer gesteckter Highspeed-Kurs, hat es noch besser ausgeschaut. Mit vier unter den ersten elf hatten die Österreicherinnen völlig überrascht. Shiffrin-Coach Karin Harjo legte die Kurssetzung für das Finale deutlich drehender an, was ihr technisch perfekter Schützling nach einem Trainingssturz im Vorfeld aber nicht zu nutzen wusste. Den Österreicherinnen erging es mit Ausnahme von Liensberger ähnlich.
Unter dem Strich steht aber ein überraschend positiver Slalom-Start im hohen Norden. "Wir sind riesig stolz auf die ganzen Mädels. Dass sie es gleich so rüberbringen, macht mich stolz. Es ist ein Traum für uns, ein super Start", sagt Mayrhofer, der zugleich mahnt: "Aber wir müssen am Boden bleiben, demütig bleiben und weiterarbeiten, damit wir alle so weit wie möglich nach vorne bringen."
Mayrhofer: "Wenn die Seele in Ordnung ist, geht schon sehr viel"
In der Saisonvorbereitung musste das ÖSV-Trainerteam auch ein Stück weit Überzeugungsarbeit leisten.
"Das Wichtigste war, dass man ein gutes Mannschaftsklima schafft. Wir haben ihnen beim Training schon gesagt, dass sie an sich glauben sollen, keine Zweifel haben sollen. Wir haben dann versucht, kleine Mosaiksteine zusammenzusetzen und wieder Stabilität rein zu bringen", erklärt Mayrhofer, der jedoch hervorstreicht: "Wenn die Seele in Ordnung ist, geht schon sehr viel."
Nach der ersten, über weite Strecken positiven, Standortbestimmung gelte es jetzt, "den nächsten Schritt nach vorne zu machen. Es wäre super, wenn mehr unserer Läuferinnen in den Top 30 wären, vor allem von den Jungen", sagt Mayrhofer.
Die nächste Möglichkeit gibt es bereits am Sonntag (10:00/13:00 Uhr im LIVE-Ticker), dann steht in Levi ein weiterer Slalom auf dem Programm.