In Beaver Creek darf das Schweizer Skiteam über ein perfektes Wochenende jubeln. Die Eidgenossen stellen alle drei Sieger.
Schon der Abfahrtssieg von Justin Murisier war sehr besonders. (alle Infos >>>) Am Samstag gewann dann Marco Odermatt fast schon erwartungsgemäß den Super G. Der erste Weltcupsieg des 35-jährigen Thomas Tumler setzt diesem Wochenende die Krone auf!
Der Schweizer Routinier setzt sich am Sonntag dank eines überragenden 1. Durchgangs und großer Nervenstärke im 2. Durchgang vor Lucas Braathen und Zan Kranjec durch (zum Rennbericht >>>).
Nach Odermatt-Ausfall "noch einmal kalt über den Rücken gelaufen"
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Das Fundament für seinen ersten Sieg im Ski-Weltcup legt Tumler schon im 1. Durchgang, wo er fast in einer eigenen Liga unterwegs ist. Nur der zweitplatzierte Kranjec bleibt innerhalb von 1 Sekunde Rückstand auf den Schweizer.
Doch dass der 1. Durchgang nicht einmal die halbe Miete ist, dessen ist sich auch Tumler bewusst gewesen - schließlich war er noch nie nach dem 1. Durchgang vorne: "Ich war schon sehr nervös, da geht schon noch viel durch den Kopf", sagt Tumler im Interview mit dem "ORF".
Vor allem der Ausfall von Marco Odermatt einige Läufer zuvor beschäftigte Tumler: "Weil wir zusammen besichtigt haben, da ist es mir schon noch einmal kalt über den Rücken gelaufen – da habe ich mir gedacht, hoffentlich mache ich das besser."
Schlussendlich schafft es der 35-Jährige aber, den Vorsprung über die Zeit zu bringen und kann dadurch seinen ersten Sieg bejubeln: "Unglaublich, es ist ein wahnsinnig schönes Gefühl. Beim ersten Lauf hätte ich nicht gedacht, dass ich so schnell bin. Und jetzt im zweiten, dass ich es runterkrieg, ist richtig cool. Ich hab lange gebraucht, bis ich die grüne Zeit gesehen habe, aber die Reaktionen meiner Teamkollegen ist sensationell – das fühlt sich richtig gut an.
Deshalb wollte er 2021 schon aufhören
Doch beinahe wäre es nie zu diesem Erfolgserlebnis gekommen, wie Tumler auf ORF-Nachfrage zugibt: "Ja, ich wollte 2021 schon einmal aufhören - nach einem Bandscheibenvorfall. Das war eine schwierige Zeit. Es hat viel Energie gekostet, noch einmal zurückzukommen."
Speziell nach der Verletzungs-Rückkehr hatte sich der Schweizer Probleme: "Als ich dann zurückgekommen bin, hat mir extrem viel das Vertrauen gefehlt. Da habe ich mich zweimal pro Saison knapp qualifiziert und das ist nicht das, was man als Skifahrer will. Aber ich bin jetzt richtig froh und stolz, dass ich nie aufgegeben habe und jetzt da stehe."
Dass sich das Aufstemmen gegen Widerstände auszahlt, zeigte in Beaver Creek ja nicht nur Tumler, wie er selbst hervorhebt: "Speziell am Freitag mit Justin Murisier, er hat ja auch eine unendliche Leidensgeschichte. Es ist jetzt für uns so schön, dass sich das nie aufgeben auszahlt."
Braathen: "Ich bin stärker als vor dem Comeback"
Knapp scheitert dafür Lucas Pinheiro Braathen am ersten Sieg nach seinem Comeback. Es sind nur 12 Hundertstel, die den Brasilianer vom obersten Platz auf dem Stockerl fernhalten.
Dass Braathen den Leitspruch "come back stronger" verwirklicht, stellt er nach dem vierten Platz in Sölden nun auch mit Rang zwei unter Beweis.
Der 24-Jährige betont: "Ja, ich bin stärker als vor dem Comeback, weil ich meinen eigenen Weg gehen kann. Ich habe meine Mannschaft, kann in meinem Spirit sein. Ich bin okay, bin akzeptiert. Das ist mein Erfolgsfaktor, weil ich glücklich bin – das ist das Erfolgsrezept."
Besonders stolz machen ihn auch die positiven Reaktionen aus Brasilien: "Wahnsinn, da sind Brasilianer in Sölden und da sind auf einmal brasilianische Flaggen in den Bergen in Österreich. Meine Oma und mein Opa können mich jetzt im Fernsehen sehen in Brasilien – das ist für mich super, super speziell. Jetzt ist das erste Mal, dass meine Familie in Brasilien versteht, was Skifahren ist."
Braathens Mutter wird ihn beim Rennen in Val-d'Isère zum ersten Mal live vor Ort verfolgen.
Brennsteiner: "Das mache ich nicht mehr in meinem Leben"
Ärgern muss sich hingegen der beste ÖSV-Riesentorläufer des Sonntags. Stefan Brennsteiner kann sich im Vergleich zum ersten Durchgang aufgrund zweier Fehler nicht verbessern und bleibt auf Rang zehn.
Ob die zwei Fehler doch zu viel des Guten waren? "Ja, definitiv", weiß der Österreicher: "Die darf ich nicht machen. Aber ich habe vor allem im zweiten Durchgang alles rausgelassen, alles gegeben. Leider bin ich gleich mit einem Fehler reingestartet. Aber danach bin ich nicht verrückt geworden und trotzdem gut weitergefahren."
Verrückt machen will sich Brennsteiner also dennoch nicht: "Ich weiß nicht, was drin gewesen wäre. Hätte, wäre - das hab ich oft genug gemacht. Das mache ich nicht mehr in meinem Leben. Im Großen und Ganzen passt das Skifahren gut, aber ich muss es zusammenhängen in den nächsten Wochen. Und das wird jetzt meine Aufgabe die nächsten zwei Wochen."
Drei Ausfälle nach zwölf Siegen hätte Odermatt "trotzdem vorher unterschrieben"
Der Riesentorlauf-Dominator der letzten Jahre muss saisonübergreifend den dritten RTL-Ausfall am Stück wegstecken. Diesmal ist im 2. Durchgang nach dem vierten Tor Schluss.
Eine wirkliche Erklärung hat Marco Odermatt dafür aber eigentlich nicht: "Im Training funktioniert es super. Ich habe das Setup gewechselt, war irgendwie überrascht. Es ist schnell gegangen, keine Ahnung. Aber von 15 Riesentorlaufs zwölf Siege - das hätte ich unterschrieben", schmunzelt der Schweizer im Interview mit dem ORF.
Zudem ist der Ärger über den eigenen Fehler nach diesem Wochenende nicht allzu groß für den amtierenden Gesamtweltcup-Sieger: "Ein spezielles Wochenende mit drei Schweizer Siegern und zwei ganz speziellen mit Justien (Anm. Murisier) und Tommy (Anm. Tumler). Bei mir war es heute so schlecht, da muss man sich nicht einmal ärgern, deshalb freut es mich sehr für sie."