Lange hat man ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel belächelt wegen seiner Manie, im Ski-Weltcup unbedingt den Nationencup für Österreich gewinnen zu wollen.
40 Mal ist das schon gelungen, zuletzt war man 30 Mal in Folge beste Skination der Welt. Ob die beeindruckende Pokalwand in der Innsbrucker ÖSV-Zentrale Zuwachs erhält, ist erstmals seit Ewigkeiten fraglich. Aber der "Chef" beruhigt.
"Es ist spannend, was es noch nie war, seit ich Präsident bin", sagt der seit 1990 amtierende Schröcksnadel angesichts des aktuellen Rückstandes auf den Erzrivalen Schweiz, der seine Mini-Führung am zweiten Jänner-Wochenende bei den vier Rennen in Adelboden und Zauchensee von 13 auf 88 Zähler ausbaute.
Es ist also ohnehin keine Welt, wohl aber auch eine Folge des Rücktritts von Marcel Hirscher, der diesen Winter als jahrelang größter ÖSV-Punktesammler fehlt.
"Hirscher-Schock" stärker als befürchtet
Das alleine lässt Schröcksnadel aber nicht gelten. Während die weiterhin starken ÖSV-Damen vor Italien und der Schweiz in Führung liegen, fuhren die ÖSV-Herren bisher so sehr unter Normalniveau, dass sie in ihrer Mannschaftswertung hinter der Schweiz, Norwegen und Frankreich nur auf Platz vier liegen.
Das ungewohnte Kopf-an-Kopf-Rennen im Nationencup kommt für Schröcksnadel aber nicht wirklich überraschend. "Wir wussten, dass wir vergangenes Jahr bei den Herren ohne Marcel nicht mehr gewonnen hätten." Und der Hirscher-Schock wirkt nun offenbar doch stärker als befürchtet.
"Marcel fehlt natürlich. Er war das Schutzschild gegen alle. Dahinter konntest du tun, was du willst. Wenn du rausgeflogen bist, war es keine Problem", analysiert Schröcksnadel. Jetzt plötzlich in der ersten Reihe zu stehen, sei etwas ganz anderes. "Da sieht man, wie schwer es Marcel hatte und wie gut er war. Denn unter dem Druck jedes Mal gewinnen zu müssen und es auch zu tun, ist eine unglaubliche Leistung, die man erst jetzt richtig einschätzen kann."
Schröcksnadel gibt Probleme in Nachwuchsarbeit zu
Schröcksnadel geht es aber vorrangig um die Gesamtwertung aus Damen und Herren. Diese habe man unter ihm noch nie verloren. "Nachdem der Nationencup 30 Jahre lang keinen Wert gehabt hat, sieht man jetzt, wie schwierig es ist. Die Schweizer zahlen viel Geld, um ihn zu gewinnen. Schade deshalb, dass es unsere Damen nicht geschafft haben, die Schweiz zu überholen", bedauert Schröcksnadel die unerwartete Abfahrts-Schlappe seiner Speed-Ladys in Altenmarkt-Zauchensee.
Es liegt aber nach wie vor an den ÖSV-Herren, Boden gut zu machen. "Sie sind aber ohnehin am aufsteigenden Ast", freut sich Schröcksnadel nach dem ersten Slalom-Podestplatz dank Marco Schwarz in der Schweiz. "Wenn er und Manuel Feller komplett verletzungsfrei sind und Michael Matt die Leistung ins Ziel bringt, können sie starke Leistungen bringen."
Bis ein Läufer ähnlichen Kalibers wie Hirscher auftauche, werde es aber wohl noch dauern, so der Präsident. "Es fehlen uns nach Problemen in der Nachwuchsarbeit drei, vier Jahrgänge", erklärt Schröcksnadel, warum er vor drei Jahren im Verband einiges umgestellt hatte, um dem entgegenzusteuern. "Im Europacup und bei den Junioren greift es schon."
Dass er seinen absehbaren Abschied als ÖSV-Präsident hinausschieben müsse, sollte man den Nationencup tatsächlich nicht gewinnen, ist für Schröcksnadel kein Thema. "Vorrangig ist die WM-Bewerbung von Saalbach. Vor dieser Entscheidung gibt es keinen Kommentar", winkt der 77-Jährige ab. Außerdem: "Ich denke, am Ende werden wir den Nationencup eh wieder gewinnen."