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Goldberger: "Habe Angst, wenn eine Nation alles dominiert"

Andi Goldberger fürchtet sich vor möglichen Auswirkungen der ÖSV-Dominanz. Außerdem spricht er über das "Kasperltheater" und eine Skisprung-Schanze in Wien.

Goldberger: Foto: © GEPA

"Schanze frei", sagt Andreas Goldberger mit einem Lächeln auf den Lippen zu einem kleinen Kind, das sich wagemutig eine kleine mobile Schanze hinuntertraut.

Die Wiener Stadtadler veranstalten dieser Tage die erste Wiener Schnupper-Vierschanzentournee für Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren und machten dabei am Mittwoch und Donnerstag im Museumsquartier Halt.

Der Oberösterreicher, der mit dem Goldi-Talente-Cup zahlreichen Weltklasse-Athleten wie Tournee-Sieger Daniel Tschofenig oder Jan Hörl zu ihren ersten Sprüngen verholfen hat, ließ sich die Chance nicht entgehen, gab mit dem derzeit verletzten ÖSV-Adler Daniel Huber abwechselnd das Freizeichen und verteilte wertvolle Tipps.

Zwischendurch nahm sich der dreifache Gesamtweltcup-Sieger ausführlich Zeit und sprach mit LAOLA1 über die Dominanz des ÖSV-Teams, welche Auswirkungen diese auf den Skisprung-Sport haben könnte und warum Wien eine Skisprung-Schanze braucht.

LAOLA1: Wie gefällt es dir hier?

Andreas Goldberger: Es ist toll, dass man für die Kinder in Wien sowas anbietet. Die Stadtadler sind ein toller Verein, sie machen extrem gute Arbeit. Meghann Wadsak hat es in den Weltcup geschafft und dort Punkte gemacht, mit Louis Obersteiner haben sie auch einen Junioren-Weltmeister in ihrer Mannschaft. Es ist schade, dass es in Wien noch keine Skisprung-Schanze gibt. Für die Kleinen reicht eine 15- oder 30-Meter-Schanze mit Sommerbetrieb. Das sollte nicht das Problem sein. Es geht in Zukunft in Richtung Sommer- und Mattenspringen, weil die schneereichen Winter weniger werden und sich der Ganzjahresbetrieb bei den Schanzen durchsetzt.

LAOLA1: Eine Schanze in Wien würde außerdem die Möglichkeit bieten, noch mehr Kinder zum Skispringen zu bringen.

Goldberger: Nicht nur noch mehr Kinder, sondern du hast viel mehr Qualität, weil du für ein Training nicht so weit fahren musst, dadurch hast du viel mehr effektive Trainingszeit. Es braucht nur eine kleine Schanze bis die Kinder zehn Jahre alt sind, bis dorthin sind weite Fahrten für die Eltern und die Trainer schwierig. Wenn sie einmal zehn Jahre alt sind, dann kann man schon mal weiter wegfahren, dann schickst du die Kinder auch mal alleine mit. Aber sonst machst du das nicht gerne, es wäre auch nicht vernünftig. Sobald sie auf größeren Schanzen springen, gehen sie ohnehin oft schon in die Leistungszentren.

"Mir ist wichtig, dass man Kinder zum Skispringen bringt, damit die Sportart immer weiterleben kann. Es gibt immer wieder Sportarten, die aussterben - das will ich im Skispringen nicht."

Andreas Goldberger

LAOLA1: Was die Talentförderung angeht, zählst du zu den Pionieren in Österreich. Du betreibst seit mittlerweile 17 Jahren den Goldi-Talente-Cup, bist aktuell wieder viel in Österreich unterwegs. Warum macht es dir so viel Spaß, jungen Kindern das Skispringen näherzubringen?

Goldberger: Die Faszination Fliegen interessiert die Menschheit schon ewig und hat mir als Kind getaugt. Beim Skispringen kommst du dieser Faszination ohne künstliche Hilfsmittel näher. Ich weiß noch von mir, wenn man Skifahren geht, sucht man sich überall einen Hügel oder eine Schanze, wo man drüber springt. Deswegen weiß ich, dass diese Faszination bei allen Kindern da ist. Mir ist wichtig, dass man Kinder zum Skispringen bringt, damit die Sportart immer weiterleben kann. Es gibt immer wieder Sportarten, die aussterben – das will ich im Skispringen nicht. Wir werden Kinder, die zu uns kommen, auch nie heimschicken, egal ob sie gut oder schlecht sind. Wenn sie nicht so gut sind, dann können sie vielleicht tolle Trainer oder Funktionäre werden, die wir genauso brauchen. Es kann nicht jeder Olympiasieger oder Weltmeister werden. Wir brauchen diejenigen, die das Skispringen anders betreiben, indem sie es unterstützen. Deswegen ist jeder Skisprung-Fan und jeder, der Interesse hat, herzlich willkommen.

LAOLA1: Die Kinder hier sind alle sechs bis neun Jahre alt. Ist es wichtig, sie so früh zum Skispringen zu bringen?

Goldberger: Vielleicht einmal in Verbindung damit zu bringen. Aber ich bin kein Freund davon, wenn den Kindern gesagt wird, du sollst mit sieben Jahren nur mehr Skispringen und nichts anderes tun. Die Kinder sollen so viele andere Sportarten wie möglich ausprobieren, egal ob das Fußball, Handball, Tennis oder Turnen ist. Ich bin ein Gegner von Trainern, die sagen, wenn sie nächste Woche Fußballspielen gehen und nicht Skispringen, dann dürfen sie nicht mehr zum Training kommen. Es reicht auch noch, wenn man sich mit elf, zwölf Jahren spezialisiert. Dann weiß man auch schon eher, was einem am meisten taugt. Mir ist lieber, man fängt später an, hat aber eine absolute Grundausbildung und bleibt dann länger. Aber: Wenn man mit sieben, acht Jahren anfängt, ist Skispringen natürlich am leichtesten zu lernen.

LAOLA1: Wie groß ist der Zuspruch beim Goldi-Talente-Cup heuer?

Goldberger: Wir haben bei jeder Veranstaltung rund 60 Kinder dabei. Es ist super, dass die Kinder mitmachen, aber wichtig ist für mich auch, wie viele nachher zum Training kommen oder sich in naher Zukunft bei einem Verein anmelden. Das sind österreichweit im Jahr um die 40 bis 50 Kinder. Wir waren am Wochenende in Bischofshofen, drei Tage später sind zum ersten Training 17 Kinder wieder gekommen. Das ist natürlich ein Hammer, die wollen das wirklich ernsthaft probieren und längerfristig machen. Dass unsere Skispringer bei der Vierschanzentournee so erfolgreich waren, hilft dabei, dass Skispringen boomt.

LAOLA1: Daniel Tschofenig hat 2009 unter deiner Aufsicht beim Goldi-Talente-Cup seine ersten Sprünge gemacht.

Daniel Tschofenig nahm 2009 am Goldi-Cup teil - heute ist er Tournee-Sieger
Foto: © GEPA

Goldberger: Das ist natürlich schon cool. Vielleicht hätte er auch anders mit Skispringen begonnen, aber natürlich bin ich schon stolz, weil es doch immer mein Hintergedanke ist, so viele Kinder wie möglich zum Skispringen zu bringen. Wenn sie dabei bleiben, erfolgreich werden und sogar die Vierschanzentournee gewinnen oder Weltcup-Führender sind, ist das schon Hammer.

LAOLA1: Jan Hörl oder Lisa Eder waren ebenfalls einmal Teil des Goldi-Talente-Cups.

Goldberger: Wir haben früher das Goldi-Camp veranstaltet, da sind alle Kinder zu den Trainingscamps gekommen. Da war fast jeder Skispringer, der Jahrgang 2000 und jünger ist, dabei. Ich kenne alle Skispringer:innen und auch sehr viele Nordische Kombinierer:innen von klein auf. Das taugt mir wirklich, wenn du die Athleten als Kinder gesehen und gemerkt hast, mit welcher Freude sie das machen, du sie dabei unterstützen und helfen darfst, das zu machen. Wenn du sie dann bei der Vierschanzentournee siehst, kriegst du das einfach zurück. Es ist schon anstrengend, aber wenn du die strahlenden Augen der Kinder siehst, gibt dir das so viel zurück. Das ist echt schön.

LAOLA1: Du hast die Vierschanzentournee als ORF-Experte hautnah mitverfolgt. Konntest du das Geschehene schon verarbeiten?

Goldberger: Es ist unglaublich, davon träumst du, wenn du als Experte dabei sein kannst. Das sind Kollegen, Freunde, die du gerne hast. Es ist einfach klasse, wenn du eigentlich nur loben darfst.

"Ich habe immer ein wenig Angst, dass das internationale Interesse geringer wird, wenn eine Nation alles dominiert. Das ist im Langlauf mit Norwegen nicht anders, das tut dem Sport nicht gut."

Andreas Goldberger

LAOLA1: Du hast in einem Interview während der Tournee allerdings auch gesagt, dass die österreichische Dominanz für den Skisprung-Sport allgemein nicht gut ist.

Goldberger: Als Österreicher freue ich mich natürlich, wenn wir so gut sind. Aber ich habe immer ein wenig Angst, dass das internationale Interesse geringer wird, wenn eine Nation alles dominiert. Das ist im Langlauf mit Norwegen nicht anders, das tut dem Sport nicht gut. Diese Dominanz ist jetzt eine Momentaufnahme, das war in den letzten Jahren nicht immer so und wird in Zukunft wieder ein wenig anders sein. Je mehr Nationen, je mehr Athleten vorne dabei sind, desto besser ist es für die Sportart. Die Deutschen müssen gut sein, die Polen, Japaner usw. Das ist wichtig. Aber die österreichischen Funktionäre brauchen deshalb kein schlechtes Gewissen haben und werden alles dafür tun, dass sie weiterhin so gut sind.

LAOLA1: Wo Erfolg ist, sind auch die Neider nicht weit weg. Die Anzug-Affäre war letztendlich nicht mehr als ein Psychospielchen, zuletzt hat sich Sven Hannawald kritisch dazu geäußert, dass die Skisprung-Bindungen der ÖSV-Adler abgedeckt wurden und bezeichnete die Aktion als "Kasperltheater". Wie stehst du dazu?

Goldberger: Ich habe das Abdecken der Bindungen als witzige Sache empfunden. Man darf es nicht übertreiben, es nicht ins Lächerliche ziehen und die Gegner verhöhnen. Aber wenn man einmal blöd angefahren wird, darf man sich schon wehren oder kontern. Das haben sie gut gemacht und finde ich ganz okay. Wenn sie das jetzt jedes Mal machen, dann kann man das schon als Kasperltheater empfinden. Sven Hannawald wird sich gedacht haben, jetzt sind wir eh schon gekränkt und dann tun sie sowas auch noch. Aber die Aktion ist ja nicht aus dem Nichts entstanden, sondern war eine Reaktion auf eine andere Reaktion.

LAOLA1: Darf man sich erwarten, dass dieser Höhenflug anhält und die WM-Medaillen nur über Österreich gehen werden?

Goldberger: Dass es so weitergeht, sollte man nicht erwarten. Der Saisonstart war auch gut, aber gewonnen hat fünfmal jemand anderer. Das kann jetzt auch wieder passieren. Wir haben Top-Athleten, fast alle sind schon am Podest gestanden, drei haben bereits gewonnen. Diese Stärke wird den ganzen Winter so weitergehen. Ich befürchte für die anderen Nationen, dass Österreich in den nächsten fünf bis zehn Jahren ziemlich weit vorne mitmischen wird. Das sind lauter junge Burschen, aber eine WM ist wieder etwas anderes. Wir werden sicher um die Medaillen mitspringen, davon bin ich überzeugt. Man darf sich nicht erwarten, dass wir Erster, Zweiter und Dritter werden. Aber wir werden es der Konkurrenz so schwer wie möglich machen.



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