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Hat Österreich zu viele gute Skispringer?

Florian Liegl, Neo-Sportdirektor der Nordischen im ÖSV, spricht über Österreichs vielleicht bestes Skisprung-Team seit langem und seine neue Rolle. Interview:

Hat Österreich zu viele gute Skispringer? Foto: © GEPA

Nach Weihnachten ist vor der Vierschanzen-Tournee

Seit mittlerweile zehn Jahren warten die ÖSV-Adler auf einen Triumph beim Schanzenspektakel rund um den Jahreswechsel - die Chancen bei der 73. Auflage stehen für Rot-Weiß-Rot gut wie lange nicht.

Von bisher zehn Einzel-Bewerben in dieser Saison gingen vier auf das Konto der Österreicher, insgesamt standen in diesem Winter fünf unterschiedliche ÖSV-Springer auf dem Podest. 

Florian Liegl, selbst ehemaliger Skispringer und seit dem Frühjahr ÖSV-Sportdirektor der Nordischen, spricht im LAOLA1-Interview über das vielleicht beste ÖSV-Skisprung-Team seit langem, die hohen Erwartungen und seine neue Rolle. 

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LAOLA1: Du bist seit 16 Jahren im ÖSV tätig, seit ein paar Monaten als Sportdirektor der Nordischen. Ist der Job so, wie du ihn dir vorgestellt hast?

Florian Liegl: Auf jeden Fall. Es ist eine unglaublich spannende und tolle Aufgabe, sehr facettenreich. Natürlich gibt es einige Bereiche, die unter Anführungszeichen auch neu für mich waren. Ich bin mir dieser verantwortungsvollen Position bewusst. Aber mir taugt es extrem und ich habe meiner Ansicht nach gut in die Rolle hineingefunden.

LAOLA1: Du warst jahrelang Trainer, wie schwer fällt es dir, dich nicht in die Arbeit der Cheftrainer einzumischen - oder mischst du dich ein?

Liegl: Nein, ich mische mich nicht ein und es fällt mir auch nicht schwer. Meine Rolle ist klar definiert. Natürlich bespreche ich Dinge mit den Coaches, wenn mir etwas auffällt. Die Kommunikation mit den Athleten läuft aber immer über die Trainer und nicht über mich.

LAOLA1: Dein Vorgänger Mario Stecher hat große Fußstapfen hinterlassen. Wo setzt du seinen Weg fort und wo schlägst du eine eigene Richtung ein?

Liegl: Grundsätzlich haben wir im ÖSV ein sehr gutes, funktionierendes System. Aber man muss natürlich schauen, dass man dieses System am Laufen hält, nicht nur in einer Saison, sondern auch mittel- und langfristig. Sprich: Wie können wir junge Athleten an die Weltspitze heranführen und in den Nationalteams etablieren. Hier sehe ich es als meine Aufgabe, ein Umfeld bereitzustellen, damit das möglich ist.

"Stefan Kraft hat in der Vergangenheit oft die komplette Last auf seinen Schultern getragen und sehr lange die Fahnen sehr hoch gehalten hat. Da ist es umso erfreulicher, dass wir heuer schon mehrere Athleten am Podium hatten."

LAOLA1: Die Ansprüche des ÖSV sind hoch: Können die SkispringerInnen und KombiniererInnen den Ansprüchen in dieser Saison gerecht werden?

Liegl: Wie man bei den Springern sieht, funktioniert vieles sehr, sehr gut. Wenn wir diesen Weg weiterhin bestreiten – auch in der Nordischen Kombination – kann das ein guter Winter werden. Falls du jetzt auf Platzierungen bei den Saison-Highlights anspielst, werde ich dir aber keine genauen Ziele nennen (lacht).

LAOLA1: Schade. Von den Skispringern kann man aber zweifelsfrei viel erwarten, der Saison-Start war mehr als vielversprechend. Fünf unterschiedliche Springer haben es bereits aufs Podest geschafft. Sehen wir aktuell das beste ÖSV-Team seit langem?

Liegl: Es wäre verfrüht, das zu sagen, die Saison dauert noch lange. Auf jeden Fall ist es eine sehr starke Mannschaft. Stefan Kraft hat in der Vergangenheit oft die komplette Last auf seinen Schultern getragen und sehr lange die Fahnen sehr hoch gehalten hat. Da ist es umso erfreulicher, dass wir heuer schon mehrere Athleten am Podium hatten. Das wünscht man sich natürlich und dafür arbeiten wir alle. Wir versuchen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit solche Erfolge möglich sind.

LAOLA1: Wie hoch die Leistungsdichte im ÖSV-Team ist, beweist die Tatsache, dass es Manuel Fettner in Engelberg trotz Platz 13 im Gesamtweltcup nicht dabei war und es auch nicht ins Aufgebot für die Vierschanzen-Tournee geschafft hat. Hat Österreich zu viele gute Springer?

Liegl: Wir haben sehr viele starke Skispringer. Es ist immer schwierig, wenn man solche Entscheidungen wie bei Manuel treffen muss. Aber wir haben eben eine begrenzte Anzahl an Startplätzen im Weltcup. Im konkreten Fall hat Markus Müller im Continentalcup den zusätzlichen Quotenplatz für die Vierschanzen-Tournee geholt. Wir haben bereits im Herbst festgelegt, dass wir jenem Athleten, der den Quotenplatz holt, schon am Wochenende vor der Tournee die Chance im Weltcup geben, damit er nicht "kalt" in die Tournee startet. Markus Müller hat sich diesen Startplatz selbst ersprungen.

LAOLA1: Das zeigt auch, dass im Nachwuchs gute Arbeit geleistet wird.

Liegl: Es freut mich, dass wir als Skisprung-Österreich junge Athleten wie Markus Müller, Maximilian Ortner oder Jonas Schuster haben, die zeigen, dass sie sehr stark sind. Das ist mit sehr viel Arbeit und einem sehr guten System im Hintergrund verbunden. Wichtig ist aber, dass wir die Arbeit in Ruhe und so konsequent weiterführen wie bisher.

LAOLA1: Das kann man wohl auch auf die routinierteren Athleten und die bevorstehende Vierschanzen-Tournee umlegen.

Liegl: Das gilt nicht nur für die Tournee, sondern auch für den restlichen Winter. Der Fokus liegt auf uns, wir müssen in den Bereichen, die wir beeinflussen können, gut weiterarbeiten. Alles andere bringt dann die Saison mit sich. Gerade bei der Tournee passieren oft Dinge, die man nicht planen kann. Es kann sich beispielsweise durch äußere Einflüsse einiges verschieben, das haben wir schon oft erlebt. Dann gibt es immer jemanden, den man gar nicht auf der Rechnung hat, der plötzlich aufsteht. Wir können nur dafür sorgen, dass unser Team so gut wie möglich aufgestellt ist und in Ruhe an die Sache herangeht, damit wir für solche Situationen gerüstet sind.

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LAOLA1: Springen wir zur Nordischen Kombination. Es wird aktuell viel darüber diskutiert, ob diese Sportart noch eine Zukunft hat. Was siehst du das?

Liegl: Ich finde, dass gute Arbeit geleistet wird und die Nordische Kombination eine sehr interessante, traditionelle Sportart ist. Natürlich wird versucht, die Sportart so gut wie möglich zu verkaufen, auch was Wettkampf-Formate betrifft. Wir sind bemüht, die Nordische Kombination voranzutreiben und zu schauen, dass auch bei den Frauen weiter eine Entwicklung stattfindet. Es muss angefangen vom Scouting über die Landesskiverbände bis hin zum ÖSV eine Entwicklungsschiene vorhanden sein. Es wird eine gewisse Zeit brauchen, bis auch bei den Frauen eine gewisse Breite entsteht, aber ich finde wir sind da auf einem sehr guten Weg. Ich bin sehr optimistisch. 

LAOLA1: Sowohl in der Nordischen Kombination als auch im Skispringen hinken die Frauen noch hinterher, was den Stellenwert des Sports in der Öffentlichkeit betrifft. Wie kann man das ändern?

Liegl: Intern gibt es bei uns keinen Unterschied. Wir sind in beiden Sparten top besetzt. Wir müssen uns darauf konzentrieren, gute Arbeit zu leisten, auch was Wettkampf-Formate betrifft.

LAOLA1: Sprichst du damit eine Vierschanzen-Tournee für die Frauen an?

Liegl: Die Situation ist nicht so einfach, es gibt bestehende Verträge. Es muss ja auch alles Hand und Fuß haben, darauf arbeitet man hin. Es ist uns ein Anliegen, dass es diese Veranstaltung in Zukunft geben wird.

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