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Skandal? Skispringer betrügen offenbar bei Anzugskontrollen

Dem Skisprung-Zirkus droht ein handfester Skandal. Ein aktiver Athlet offenbart die Schummeleien der Springer:

Skandal? Skispringer betrügen offenbar bei Anzugskontrollen Foto: © GEPA

Vor dem Start der Weltcup-Bewerbe der Skispringer:innen in Willingen bahnt sich ein handfester Skandal an.

"So schummeln die Skispringer bei der Anzugs-Kontrolle", titelt der Schweizer "Blick". In dem Bericht packt ein aktiver Athlet, der nicht namentlich genannt werden will, über die offenbar vonstatten gehenden Tricksereien der Springer aus.

Er könne die Anzugskontrollen "zurzeit nicht ernst nehmen." Vergangene Woche sprang der Athlet beim Skifliegen am Kulm mit einem verbotenen Anzug. "Das Volumen war zu groß", sagt er. Doch durch die obligatorische Schrittkontrolle vor dem Sprung kam er ohne Probleme durch.

Bei der punktuellen Stichprobe nach dem Sprung wurde er nicht kontrolliert.

Wenige Zentimeter bringen mehrere Meter

Wie wichtig der Anzug ist, weiß der Schweizer Skisprung-Trainer Martin Künzle. "Dank wenigen Zentimetern mehr Stoff kann der Athlet bis zu zehn Meter weiter springen." Im Schrittbereich entsteht ein Segeleffekt, durch den die Athleten weiter springen können. Wie das genau funktioniert?

"Ich ziehe den Anzug nach oben, sodass an meinen Schultern vorübergehend deutlich mehr Stoff ist", erzählt der anonyme Athlet. Dadurch dehne er seine Beinlänge auf das geforderte Maß aus, gewinne vier Zentimeter dazu. Das Ziel ist es nämlich, mit einer möglichst kurzen Beinlänge zu springen.

"Je kürzer die ist, desto voluminöser der Schritt", so der Athlet. Das Risiko, bei der Stichprobe aufzufliegen, nimmt er in Kauf. "Es betrügen praktisch alle, da muss ich mitziehen, sonst habe ich keine Chance", deckt er auf und fordert: "Man hätte früher durchgreifen müssen. Jetzt sind die Kontrolleure machtlos, sonst müssten sie das halbe Starterfeld disqualifizieren."

Sogar Janne Ahonen wurde hellhörig

Bereits bei der Vierschanzentournee keimten erste Diskussionen um die Anzüge manch eines Athleten auf. Künzle meint etwa: "Wenn du dir die Bilder anschaust, ist es fraglich, ob alles Verbotene geahndet wird." Skisprung-Legende Janne Ahonen war ebenfalls über die teils viel zu großen Anzüge der Springer erstaunt.

Der Finne postete auf Instagram ein Bild von seinem Anzug aus dem Jahr 2005 und einem von Piotr Zyla (POL) bei der Tournee. "Ich weiß nicht, wie der blaue Anzug hergestellt wird, aber ich weiss, dass entweder die modernen Kontrollen nicht funktionieren oder dass die Springer zu meiner Zeit und ich sehr dumm waren", schrieb er.

Die Schweizer waren bis zur Tournee regelkonform unterwegs, doch seitdem wurde beispielsweise bei Gregor Deschwanden der Schrittbereich vergrößert. Zuvor klassierte sich der 31-Jährige nie unter den Top 20, seitdem sprang Deschwanden mehrmals unter die Top 15.

"Wenn du bei den anderen Anzügen siehst, die nicht regelkonform erscheinen, aber durch die Kontrollen kommen, musst du handeln", erklärt Künze und führt aus: " Wir müssen ans Limit und darüber hinaus, solange es durchgeht."

Nicht alle Athleten werden vollumfänglich kontrolliert

Mit den Anschuldigungen und Bildern konfrontiert, erklärt der österreichische FIS-Materialchef Christian Kathol: "Fotos, die am Startbalken oder beim Abbremsen gemacht werden, haben nichts mit der Haltung, mit der der Athlet kontrolliert wird, zu tun."

Gleichzeitig gibt der Kärntner zu, dass die Messmethoden durchaus Verbesserungspotenzial hätten. Diese werde zurzeit von Hand durchgeführt. "Das kann nicht immer zu 100 Prozent präzise sein." Eine digitale Variante soll möglichst bald Abhilfe schaffen, doch der zeitliche Faktor stellt ebenfalls eine Hürde dar.

"An einem Wettkampfwochenende kann ich maximal 80 bis 85 Prozent der Springer ausführlich überprüfen. Für alle haben wir keine Zeit und zu wenig Kontrolleure", stellt er klar. 

Gefordert wird eine große Kontrolle noch bevor die Athleten ihren ersten Sprung absolvieren. In Sapporo wurde dies auch erstmals umgesetzt, die Maßnahmen wurden positiv aufgenommen. Aber: "Auf anderen Weltcupschanzen dürfte der Platz zum Problem werden", wirft Künzle ein.

Fest steht jedenfalls, dass der Skisprung-Sport kurz vor der Nordischen Ski-WM in Planica in einen handfesten Skandal verwickelt ist, der weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

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