Österreichs Skispringer spüren vor der Vierschanzen-Tournee Aufwind.
Stefan Kraft führt ein formstarkes ÖSV-Team in die Traditionsveranstaltung, die am 28. Dezember mit der Qualifikation in Oberstdorf beginnt. "Ich bin überzeugt, dass wir eine sehr gute Tournee springen können und gehen das voller Zuversicht an", betont Cheftrainer Andreas Felder.
Aus der One-Man-Show des Stefan Kraft ist ein schlagkräftiges Team geworden. Neben Kraft, dem bisher letzten heimischen Tourneesieger (2014/15), sprangen Philipp Aschenwald zweimal und zuletzt in Engelberg der 21-jährige Jan Hörl als Dritter auf das Stockerl. Und auch Gregor Schlierenzauer und Daniel Huber haben schon Top-fünf-Plätze eingefahren.
Nach neun Bewerben führt Österreich (1.865 Punkte) die Nationenwertung klar vor Norwegen (1.492) und Polen (1.290) an. "Das ist kein Freibrief, dass wir auch bei der Tournee vorne sind", betont Felder.
Kraft trotz Sturz optimistisch: "Die Form stimmt"
Übermäßige Euphorie ist also verboten, auch weil das wohl heißeste Eisen in Engelberg schlagartige Abkühlung erfuhr. Kraft stürzte, neben leichten Prellungen am Gesäß soll aber nur eine Schrecksekunde zurückbleiben. "Die Form stimmt", betont Kraft nach dem Malheur. "Ich freue mich auf die Tournee."
An dauerhafte Verunsicherung seines Vorzeige-Springers glaubt auch Felder nicht. "Den Krafti ärgert eher, dass er das Gelbe Trikot wieder ausziehen musste." Das trägt der Weltcupführende, der nun wieder Ryoyu Kobayashi heißt. Der Japaner hat die vergangene Saison dominiert und als erst dritter Weitenjäger den Grand Slam (vier Siege hintereinander auf allen vier Schanzen) geschafft. Er fährt mit zwei Saisonsiegen (im Vorjahr: vier) zum ersten Höhepunkt des Winters.
Kein klarer Topfavorit auf Tournee-Sieg
Für den Titel des Überfliegers hat sich bisher aber niemand wirklich aufgedrängt. Neben Kobayashi hat nur Daniel Andre Tande zweimal gewonnen. Der Norweger kämpft allerdings mit den Nachwehen einer Knöchelverletzung und verpasste zuletzt in der Schweiz zweimal die Qualifikation für die Top 30.
Felder hat die "üblichen Verdächtigen", also Kobayashi und den polnischen Superstar Kamil Stoch ganz oben auf der Rechnung. Stoch gewann den ersten Bewerb von Engelberg, sein insgesamt dritter Tournee-Triumph nach 2016/17 und 2017/18 scheint für den 32-Jährigen auch im ersten Jahr ohne Cheftrainer Stefan Horngacher möglich.
Der österreichische Betreuer wanderte nämlich zu den Deutschen weiter, das Siegergen vorerst nicht. Für die deutschen Springer ließ sich die Saison schleppend an, Markus Eisenbichler konnte bisher überhaupt nicht an die so erfolgreiche Seefeld-WM mit drei Titeln anknüpfen und auch Richard Freitag ist nicht in Form. Die deutschen Hoffnungen ruhen vor den beiden Heimspielen auf Karl Geiger, der bisher mit Konstanz brillierte (immer Top 7).
ÖSV-Adler "haben die Versagensängste abgelegt"
Konstant gut war bisher das ÖSV-Team unterwegs. Ein österreichischer Vierschanzen-Tourneesieger nach vier Jahren Pause ist denkbar. "Die Chancen stehen sicherlich nicht so schlecht", meint auch Felder. "Stefan Kraft ist sicher in einer guten Position. Und bitte die anderen nicht unterschätzen: Wenn die einen Lauf kriegen, dann können sie sehr stark sein."
Es nahen die Tage, an denen die Skispringer viel mehr als sonst im Scheinwerferlicht stehen - ein Stresstest. "Die Tournee heißt für die Deutschen und Österreicher auch besonderer Druck", weiß Felder. "Andere Nationen können oft ein bisschen lockerer an die Sache herangehen." Dem Tiroler wird um seine Schützlinge nicht bange: "Die Jungs haben die Versagensängste der letzten Jahre abgelegt. Wir haben gut gearbeitet, können die Wettkämpfe genießen."
Bis zur Oberstdorf-Qualifikation am Samstag (28. Dezember) ist in den Weihnachtsferien vor allem Regeneration angesagt. Krafts sonstiges Dreitages-Programm steht: "Familie besuchen, gut essen, bisschen zusammensitzen, Kekserl essen - so wie bei jedem."
Österreichs Springer dürfen mit Vorfreude durchatmen. Felder: "Jetzt schalten wir einmal ab, genießen Weihnachten und dann greifen wir bei der Tournee wieder an."