Es ist ein Jahr mit vielen Neuerungen bei den Skispringerinnen und insbesondere bei der rot-weiß-roten Mannschaft: Nach dem Karriere-Ende von Daniela Iraschko-Stolz und der Ablöse von Harald Rodlauer als Cheftrainer kommt für den neuen ÖSV-Chef Bernhard Metzler die in Lillehammer beginnende Zwischensaison ohne WM oder Olympia gerade recht.
Der 44-jährige Vorarlberger hat sein Team nun rund sieben Monate kennengelernt. In Lillehammer gibt es eine erste Standortbestimmung im Weltcup.
Weltcup-Winter steht im Zeichen des Kennenlernens
"Angelaufen ist es sehr gut, auch mit den European Summer Games", erinnert Metzler im Gespräch mit der APA an Normalschanzen-Gold von Jacqueline Seifriedsberger und Mixed-Team-Gold u.a. mit Seifriedsberger und Sara Marita Kramer in Polen.
"Ansonsten steht das Jahr im Zeichen, dass wir uns alle ein bisschen aneinander gewöhnen und die Leute sich kennenlernen." Der gebürtige Andelsbucher sieht die Zwischensaison als Vorteil: "Diese Saison wird es sicher auch brauchen, um im Hinblick auf die WM in Trondheim und Olympia die Abläufe effizient zu gestalten."
Auf die "Sportlerin des Jahres" in seinem Team, der ersten Skispringerin überhaupt, der diese Ehre zuteil wurde, muss Metzler vorerst noch verzichten. Eva Pinkelnig ist im Training in Oberstdorf sehr weit gesprungen und hat sich dabei ein Knie überreizt.
Ob Pinkelnig bei der zweiten Weltcupstation in Engelberg Mitte Dezember dabei sein wird, ist offen. "Im Hinblick auf die Saison und speziell auf die nächste und übernächste werden wir da sicher nichts über das Knie brechen", meinte Metzler. Nach Lillehammer werde man mit dem Olympiazentrum in Dornbirn die nächsten Schritte besprechen.
Sextett ohne Pinkelnig beim Weltcup-Auftakt dabei
Warum eine Überreizung vielleicht gar bis zu sechs Wochen Pause erfordere, beantwortete der frühere Co-Trainer von Stefan Horngacher und zuvor von Werner Schuster beim DSV klar. "Man muss sagen, sie ist auch schon in einem Alter, in dem man schon ein bisserl länger braucht, um Wehwehchen wegzukurieren." Pinkelnig ist seit Mai 35 Jahre alt.
Der ÖSV reist mit einem Sextett nach Lillehammer: Kramer, Chiara Kreuzer, Julia Mühlbacher, Seifriedsberger, Hannah Wiegele und die von einem Kreuzbandriss erholte Lisa Eder sind beim Saisonstart dabei.
"Ich bin echt sehr zufrieden, wie das alles verheilt ist. Aus der Erfahrung mit einem Wellinger oder einem Freund weiß ich, dass speziell das erste Jahr nach einem Kreuzbandriss schon eine Challenge ist", meint Metzler zu Eder.
Der 44-jährige Vorarlberger soll für einen neuen Spirit im von einigen Querelen gequälten Frauen-Team sorgen. "Ich habe nicht in der Vergangenheit gebohrt und habe keine Wunden aufgerissen. Wir sind den proaktiven Weg gegangen", schildert Metzler. Man habe versucht, Rahmenbedingungen für ein gutes Klima zu schaffen. "Da haben wir schon was investiert."
Marita Kramer als neue Teamleaderin? - "Man muss echt Geduld haben"
Nach dem Abgang von Iraschko-Stolz und dem Ausfall von Pinkelnig bedarf es für den Cheftrainer keiner neuen Teamleaderin. "In einem Team agieren aus meiner Sicht alle auf Augenhöhe, da setze ich keinen oben drüber. Der Teamleadergedanke kommt meistens über die sportliche Leistung auf, aber unser Ziel ist es, das Kollektiv nach vorne zu bringen."
Und natürlich auch jede Einzelne. So auch Sara Marita Kramer, die nach dem Gesamt-Weltcupsieg in der Saison 2020/21 in der Vorsaison einen Absturz erlebt hat. "So ein Jahr geht nicht spurlos vorbei. Da wird man auch in drei, vier Monaten nicht alles korrigieren können, was in den letzten eineinhalb Jahren in die falsche Richtung gegangen ist", erklärt Metzler.
Freilich hat Kramer nach wie vor das Potenzial, aber: "Man muss echt Geduld haben, speziell, weil es auch eine mentale Geschichte ist. Es wird nicht gleich durch die Decke gehen."
Das neue Fluorwachsverbot schreckt den Neo-ÖSV-Mann nicht, denn es habe im Skispringen weit nicht so viel Einfluss wie beim Langlauf oder im Alpinsport. "Wir haben mit den künstlichen Eisspuren sehr stabile Bedingungen. Bei uns ist doch der Schliff und wie du auf dem Ski stehst fast noch wichtiger."
Für den Team-Spirit hat freilich der Superstart von Stefan Kraft auch einen Impuls geliefert. "Es ist immer gut, wenn einer aus dem eigenen Lager so eine Performance zeigt. Wir haben doch auch gemeinsame Kurse gehabt, und man weiß dann auch, dass man da im Materialbereich sicher gut aufgestellt ist."